Mangelwirtschaft: Der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Jutta Cordt, Leiterin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. (Bild: Imago/Reiner Zensen)
Asylpolitik

Die Fehler der Vergangenheit sind ein schweres Erbe

Kommentar Man kann es Horst Seehofer nicht hoch genug anrechnen, dass er als Bundesinnenminister das schwere Erbe seines Vorgängers angetreten hat. Er hat sich erneut in den Dienst seines Landes gestellt und muss nun Thomas de Maizières Fehler ausbügeln.

Der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte bei seinem Abschied, dass es zwar nicht zwingend, aber „sehr hilfreich“ sei, wenn ein Bundesinnenminister Jurist sei – ein kleiner Seitenhieb auf seinen Nachfolger Horst Seehofer. Heute ist es aber nicht zu übersehen, dass eben dieser Jurist Thomas de Maizière Fehler auf Fehler machte. Und Nachfolger Horst Seehofer genau diese jetzt ausbügeln muss.

Schon in seiner ersten Amtszeit als Innenminister (2009-2011) verprellte de Maizière bei der Reform des Bundeskriminalamtes zahlreiche hausinterne Experten, „und hinterließ ein orientierungsloses Haus, dessen Sicherheitsarchitektur bis heute auf tönernen Füßen steht“, wie das Handelsblatt 2015 schrieb. Im gleichen Jahr traf er mit seinen EU-Kollegen die fatale Mehrheitsentscheidung, alle Mitgliedstaaten zur Aufnahme von insgesamt 120.000 Asylbewerbern zu zwingen. Das hat die EU gespalten, weil viele osteuropäische Staaten sich weigerten. Der daraus resultierende Widerstand macht eine dringend notwendige EU-Asylreform heute umso schwieriger. 2015 erging laut Medienberichten auch de Maizières auf eine Ausnahmeregel gestützte Anweisung, an der Grenze niemand mehr zurückzuweisen – obwohl grundsätzlich nach deutschem und europäischem Recht andere Regeln gelten. Und obwohl Verfassungsrechtler wie Udo di Fabio nur eine zeitlich und örtlich begrenzte Ausnahme davon als erlaubt betrachten.

De Maizière erwies sich auch als sprunghaft: Im April 2016 wollte er die deutschen Grenzkontrollen aufheben, im Mai 2016 dann verlängern. Lange sah er zu, wie die durch die hauptsächlich muslimische Zuwanderung schwelende Werte- und Islam-Debatte immer heftiger wurde. Dann, Ende 2016, forderte er in einer Grundsatzrede klare Regeln für die Integration und im April 2017 präsentierte er zehn Punkte für eine deutsche Leitkultur. Nur sechs Monate später ließ er wieder komplett gegensätzliche Töne hören, als er im Oktober 2017 plötzlich darüber nachdachte, islamische Feiertage einzuführen. Unvergessen sind auch seine initiierten Islamkonferenzen – ausgerechnet mit streng konservativen Islam-Verbänden.

Aktuell nimmt die Debatte um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kein Ende. Immer mehr Mängel werden gefunden, darunter die unbekannte Zahl unberechtigt genehmigter Asylanträge in der Bremer Außenstelle. Auch diese Mängel reichen weit zurück in die Amtszeit von Bundesinnenminister de Maizière und sind Zeugnis der anfangs heillosen Überforderung des Amtes mit der großen Zahl an Asylbewerbern, die das Land erreicht haben. Dem BAMF fehlte es zunächst an Personal. Hinzu kamen offenbar einige korrupte oder Willkommens-beseelte Asyl-Entscheider. Nach Medienberichten wurden sogar Straftäter, Schleuser und syrische Geheimdienstler als Flüchtlinge anerkannt – und in einem Fall sogar der rechtsradikale Soldat Franco A. Nun müssen zehntausende Asylbescheide überprüft werden, nicht nur in Bremen. Stellt sich nun auch noch als wahr heraus, dass im Bundesamt seit 2016 versucht wurde, diese Fälle zu vertuschen, ist es ein handfester Skandal.

Aktuell ist auch ein weiterer Mangel: Mehr als 200 Ausländerbehörden und offenbar sämtliche Sozialleistungsbehörden in Deutschland sind mangels entsprechender elektronischer Geräte nicht in der Lage, nachträglich die Fingerabdrücke der vor dem Jahr 2016 eingereisten Asylsuchenden zu nehmen. Dies muss aber sein, weil erst ab 2016 die Abdrücke aller Asylbewerber gespeichert wurden. Mögliche Folgen: Mehrfachidentitäten und Sozialmissbrauch. Weitere Probleme soll es laut der Welt bei der Namen- und Spracherkennungssoftware sowie der Handyauswertung geben.

Alle diese Beispiele zeigen zwei Dinge: Zum einen hatte die CSU im Jahr 2015 Recht damit, eine Begrenzung der Zuwanderung zu fordern. Und zum anderen kann man es Horst Seehofer nicht hoch genug anrechnen, dass er sich als neuer Bundesinnenminister der so wichtigen Aufgabe gestellt und das schwere Erbe angetreten hat. Der CSU-Chef hat sich erneut in den Dienst seines Landes gestellt und muss nun die Fehler-Suppe seines Vorgängers auslöffeln.