Trotz immer mehr Polizisten und immer weniger Gewalttaten sinkt das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. (Symbolfoto: picture alliance/dpa)
Sicherheit

Bürger fühlen sich nicht sicher

Trotz sinkender Gewaltkriminalität und immer mehr Polizisten fühlen sich die Bürger subjektiv unsicherer. Das zeigen neue Umfragen. Vor allem Frauen haben ein mulmiges Gefühl. Auch das Vertrauen in die Bundesregierung sinkt spürbar.

Die Bundesbürger fühlen sich immer unsicherer: Waren es im Januar 2019 noch 61 Prozent der Befragten, die sich in Deutschland sicher fühlen, sind es zum Jahresende hin nur noch 57 Prozent. Auch das Vertrauen in die Politik fällt: Im Januar hatten noch 23 Prozent ein großes Vertrauen, nun sind es nur noch 19 Prozent der Befragten, wie Focus Online berichtet.

Gewaltkriminalität sinkt

Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte jüngst eine sehr positive Bilanz gezogen. Er erklärte, dass Straftaten, die die Sicherheit betreffen, zuletzt gesunken seien. Er sei zuversichtlich, dass dies auch künftig so bleibe. Seehofer hat eigentlich allen Grund zum Optimismus: Denn in den vergangen Jahren gibt es immer weniger Gewaltkriminalität in Deutschland. So wurden 2018 rund 185.300 Fälle von Mord, Raub oder gefährlicher Körperverletzung erfasst. Im Jahr zuvor gab es noch knapp 189.000 und 2016 sogar noch rund 193.500 solcher Taten. Zahlen aus dem Jahr 2019 werden erst im Frühjahr 2020 bekanntgegeben.

Doch trotz dieser Zahlen und trotz Optimismus des Innenministers haben die Bürger ein anderes Gefühl, wie eine Langzeitumfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für FOCUS Online zeigt. Demnach fühlten sich Anfang 2018 noch über 66 Prozent der Deutschen sicher. Am Ende des Jahres waren es nur noch rund 61 Prozent. 2019 fiel der Wert noch einmal auf aktuell rund 57 Prozent.

Vor allem Frauen fühlen sich unsicher

Besonders viele Frauen haben mittlerweile ein mulmiges Gefühl. Aktuell gaben lediglich knapp 51 Prozent von ihnen an, dass sie sich sicher fühlen. Im Juni waren es noch rund 64 Prozent. Ein möglicher Grund könnten mehrere aufsehenerregende Verbrechen in den vergangenen Monaten sein.

Eine Gruppe Jugendlicher mit Migrationshintergrund vergewaltigte im Juli in Mülheim eine junge Frau und auch andernorts gab es Vergewaltigungen, die für Empörung sorgten. In Voerde und Frankfurt wurden Personen vor einfahrenden Zügen gestoßen und ermordet. In Halle wollte ein schwerbewaffneter Mann in eine Synagoge eindringen und tötete auf der Straße zwei Menschen. Zudem haben Messerangriffe in vielen Bundesländern in den vergangenen Jahren sehr deutlich zugenommen.

Jedoch zeigt die Polizeiliche Kriminalstatistik, dass auch Verbrechen, bei denen vor allem Frauen Opfer sind, zurückgegangen sind. 2017 gab es noch 11.282 Taten wie Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung. 2018 waren es rund 18 Prozent weniger.

Politik reagiert: Mehr Polizisten eingestellt

Klar ist, dass die Politik den zunehmenden Sorgen der Bürger Rechnung tragen muss. Auf den Vorfall in Halle etwa hat die Bundesregierung bereits entsprechend reagiert. Die Sicherheitsbehörden des Bundes sollen 600 zusätzliche Stellen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus bekommen. Auch hatte Seehofer angekündigt, die Bundespolizei bis 2025 um 11.300 Stellen aufzustocken. In Bayern hat die Polizei mit mehr als 40.000 Beamten einen neuen Personalrekord erreicht, jährlich kommen rund 1000 hinzu.

Vertrauen in Politik sinkt

Ähnlich besorgniserregend ist aber auch, dass die Bürger immer weniger Vertrauen in die Politik haben, wie sich aus einer weiteren Langzeitumfrage von Civey für FOCUS Online ergibt. Kurz nach der Bundestagswahl 2017 gaben immerhin noch rund 27 Prozent der Bürger an, dass sie Vertrauen in die Politik in Deutschland haben. Auch nach Bildung der GroKo im März 2018 vertrauten noch knapp 26 Prozent der Menschen der Politik.

Doch seitdem sinkt der Wert mit Schwankungen immer weiter. Anfang Oktober 2018 hatten nur noch 19 Prozent Vertrauen. Dieser Wert stieg zwar nochmal auf knapp 25 Prozent im Mai 2019. Doch der Trend hielt nicht lange. Aktuell haben nur rund 19 Prozent großes Vertrauen in die deutsche Politik. Ein möglicher Grund könnte der stete Groll von Teilen der SPD gegen die Große Koalition in Berlin sein. Obwohl die GroKo ordentliche Arbeit macht und einen großen Teil ihres Koalitionsvertrages abgearbeitet hat, ist die SPD wegen sehr niedriger Umfragewerte unruhig.

Vor allem auf die jungen Bürger zwischen 18 und 29 Jahren scheint das negative Auswirkungen zu haben. Laut der Umfrage sind sie nämlich derzeit besonders sehr skeptisch: Nur 17 Prozent von ihnen vertrauen der Politik. Bei den 40- bis 49-Jährigen hingegen sind das immerhin 22 Prozent.

AfD-Wähler haben keinerlei Vertrauen

Setzt man die Umfragewerte in Relation zu den Wahlabsichten der Bürger, ist zu erkennen, dass vor allem Sympathisanten der in Berlin regierenden Parteien ein größeres Vertrauen in die Politik haben: 37 Prozent sind es bei den Unionsanhängern und 42 Prozent bei den potentiellen SPD-Wählern. Auch die Anhänger der Grünen liegen mit 26 Prozent noch über dem Durchschnitt. Darunter liegen die FDP-Anhänger (17 Prozent) und die potentiellen Wähler der Linken mit 6,7 Prozent. Bei den AfD-Anhängern sind es nur 0,3 Prozent, die Vertrauen die Politik haben.

Jedoch sind die Bürger offenbar nicht grundsätzlich unzufrieden mit der Politik: Laut einer Statista-Umfrage aus dem Frühjahr finden 74 Prozent der Menschen die Demokratie in Deutschland gut.