Kraftvoll in den Abgrund: Die neuen SPD-Chefs Saskia Esken (l.) und Walter-Borjans führen die SPD scharf nach links. (Foto: Picture alliiance/ dpa/ Fotograf unbekannt)
SPD-Linkskurs

Wenn wir scheitern Seit‘ an Seit‘

Der SPD-Parteitag hat neben dem neuen Führungsduo auch einen klaren Linkskurs beschlossen: Vermögensteuer, neue Schulden, Ende der Agenda 2010. Damit wenden sich die Sozialdemokraten von vernünftiger Regierungspolitik ab.

Das riecht alles stark nach sozialistischer Mottenkiste, was die SPD auf ihrem Parteitag beschlossen hat: Wiedereinführung der Vermögenssteuer bereits ab einem Vermögen von zwei Millionen Euro, neue Staatsschulden, systemwidriges einkommensabhängiges Kindergeld, Ende der Agenda 2010 mit deutlich längerem Arbeitslosengeld I, Mindestlohn von 12 Euro, Einheits-Staatsrente namens „Erwerbstätigenversicherung“, deutlich mehr Belastungen auf Benzin, Kohle und Heizöl für den „Klimaschutz“ sowie ein investitionsfeindlicher Mietendeckel. Ein solches Linksaußen-Programm, das die Delegierten dem neuen Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans auf den Leib schneiderten, hätte man eher von der Linkspartei erwartet.

Pacta sunt servanda.

Markus Söder, CSU-Chef, pocht auf Einhaltung des Koalitionsvertrags

Nun wollen Esken und Walter-Borjans anscheinend diese Forderungen gegenüber dem Koalitionspartner CDU/CSU durchdrücken und Teile des Koalitionsvertrags neu verhandeln. Doch führende Unionspolitiker setzen hier ein klares Stoppschild. CSU-Chef Markus Söder warnte die Sozialdemokraten vor überzogenen Forderungen. „Einen neuen Koalitionsvertrag gibt es nicht“, sagte er am Rand einer CSU-Vorstandssitzung in München. Verträge müssten eingehalten werden: „Pacta sunt servanda.“ Gleichwohl signalisierte Söder Gesprächsbereitschaft: Natürlich könne man über Dinge sprechen, die über den Koalitionsvertrag hinausgingen. Einen Anspruch auf Realisierung dieser Punkte gebe es aber nicht.

Söder lehnt höheren CO2-Preis strikt ab

Im Ringen um das Klimaschutzpaket des Bundes fordert CSU-Chef Markus Söder einen Kompromiss im Vermittlungsausschuss noch vor Weihnachten. „Das Ziel muss sein, am 20. Dezember eine endgültige Beschlussfassung zu haben im Bundesrat“, sagte Söder. „Wir dürfen uns keine Klima-Blockade erlauben, das wäre ein schwerer Fehler.“ Man brauche dringend das gesamte Klima-Maßnahmenpaket, nicht nur einen Teil. Höhere CO2-Preise oder andere Maßnahmen, die Bürger belasten, lehnte Söder strikt ab, sollte es dafür nicht einen Ausgleich geben.

Ein völliges Neuaufdröseln des Klimapaketes ist nicht machbar.

Markus Söder

Sein dringender Rat vor den Beratungen im Vermittlungsausschuss sei: „keine ideologischen Blockaden“. Der Auftrag des Gremiums sei ganz klar umrissen. „Es gibt eine klare verfassungsmäßige Vorgabe: Es geht um die ganzen Geld-Fragen. Aber es geht nicht um Dinge wie Tempolimit und ähnliches mehr.“ Der CSU-Vorsitzende erklärte: „Ein völliges Neuaufdröseln des Klimapaketes ist nicht machbar.“ Die Entscheidung liege nicht auf Parteiebene, sondern bei den Verfassungsorganen – das seien Bundestag, Bundesrat und der Vermittlungsausschuss.

Gezielte Provokationen zum Koalitionsbruch?

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vermutet hinter den Forderungen der neuen SPD-Spitze gezielte Provokationen zum Verlassen der großen Koalition im Bund. „Man kann den Verdacht bekommen, dass von der SPD- Spitze jetzt bewusst inhaltliche Hürden aufgebaut werden, um später einen Bruch der Koalition zu begründen“, sagte er in München. Als Beispiel nannte er die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse. „Die Schuldenbremse bleibt, wie sie ist – denn genau wegen Politikern wie Esken und Walter-Borjans und gegen den ständigen Griff in die Schuldenkasse haben wir sie reingeschrieben in unser Grundgesetz.“

Walter-Borjans war von 2010 bis 2017 Finanzminister in Nordrhein-Westfalen und drei Mal wurde sein Haushalt beziehungsweise Nachtragshaushalt vom Landesverfassungsgericht beanstandet, davon zwei Mal wegen zu hoher Schulden. Der Schuldenstand Nordrhein-Westfalens, das mit Abstand am höchsten verschuldete Bundesland, stieg in seiner Amtszeit nochmal um mehrere Milliarden Euro.

Die SPD hadert mit all ihren politischen Entscheidungen seit der Agenda 2010.

Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef

Die SPD habe sich auf ihrem Parteitag „von allen Entscheidungen der letzten Wochen verabschiedet – dem Grundrenten-Kompromiss, den Rekordinvestitionen von Olaf Scholz im Haushalt und dem Klimapaket“, sagte Dobrindt. Die SPD werde dies bei den nächsten Wahlen zu spüren bekommen. Zustimmung erhalte man nur, wenn man nicht ständig die eigenen Erfolge infrage stelle. „Die SPD hadert mit all ihren politischen Entscheidungen seit der Agenda 2010.“

CDU-Chefin lehnt SPD-Forderungen ab

Auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer unterstrich, dass sie mit der SPD nicht erneut über das Klimapaket verhandeln will. „Es gibt eine Einigung mit der SPD in der Regierung und im Bundestag“, sagte Kramp-Karrenbauer. „Über die haben wir lange verhandelt.“ Schließlich laufe bereits das Vermittlungsverfahren mit dem Bundesrat. „Wir können nicht wieder bei Null anfangen“, sagte die CDU-Vorsitzende. „Die Zeit drängt.“ Auch die Forderung neuer Staatsschulden lehnt „AKK“ ab: „Es mangelt doch nicht an Geld!“, sagte sie. „Solange die Mittel etwa für den Digitalpakt Schule nicht abgerufen werden, macht es doch keinen Sinn, weitere Milliarden über Schulden aufzunehmen, die wir dann irgendwo parken müssen.“

Der mühsam erarbeitete Kompromiss zur Grundrente ist ein gemeinsames Projekt dieser Regierung und ihrer Parlamentsmehrheit.

Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Chefin

Kramp-Karrenbauer bekräftigte ihre Warnung, dass die Union den Kompromiss zur Grundrente nicht umsetzen werde, wenn die SPD aus der großen Koalition aussteige. „Der letztlich mühsam erarbeitete Kompromiss zur Grundrente ist ein gemeinsames Projekt dieser Regierung und ihrer Parlamentsmehrheit“, sagte sie. In den Bundestag komme das Grundrentengesetz erst dann, wenn klar sei, dass es die Regierung auch in Zukunft geben werde. Kramp-Karrenbauer hält das nicht für Erpressung: „Das ist völlig normal und ist auch so im Koalitionsausschuss besprochen worden.“

Wackeldackel SPD

Der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Tilman Kuban, kritisierte die neue SPD-Spitze nach dem Linksrutsch beim Parteitag der Sozialdemokraten scharf und rief dazu auf, vertragstreu zu sein. Die neuen SPD-Chefs seien „wie Tiger gestartet, aber nach dem Parteitag schon als Bettvorleger gelandet“, sagte Kuban in Berlin. Die SPD habe sich „als kompletter Wackeldackel präsentiert in diesem Parteitag: Erst ein linkes Duo zu wählen mit linken Thesen, dann ein sehr weiches Forderungspapier zu verabschieden“.

Keiner in Deutschland weiß mehr, wofür sie stehen. Da müssen sie sich nicht wundern, wenn am Ende sie auch noch kaum jemand wählt.

Tilman Kuban, Bundesvorsitzender der Jungen Union, zu den Sozialdemokraten

Anschließend habe die SPD einen Parteilinken wie Ralf Stegner aus dem Vorstand geschmissen und eine Abkehr von Hartz IV beschlossen. „Keiner in Deutschland weiß mehr, wofür sie stehen“, sagte Kuban über die SPD. „Da müssen sie sich nicht wundern, wenn am Ende sie auch noch kaum jemand wählt.“ Die Beschlüsse der SPD seien „alter Wein in neuen Schläuchen“, die Themen seien alle in den Koalitionsverhandlungen behandelt worden, sagte Kuban. Wenn es neue Themen gebe, wie das beim Klimapaket der Fall gewesen sei, werde man auch darüber verhandeln. Die CDU sei vertragstreu und stehe für Stabilität. „Wir sind bereit dafür, diesen Vertrag zu erfüllen. Wir verlangen das Gleiche von der SPD.“

Forderungen des Umweltbundesamtes sind unrealistisch

Söder kritisierte, Maßnahmen, wie sie das Umweltbundesamt zuletzt vorgeschlagen hatte, würden keinen ökologischen Effekt, aber eine tiefe Spaltung der Gesellschaft bringen. „Wenn wir über CO2-Preise reden, muss es einen Ausgleich geben.“ Für die CSU sei nicht nur der Erhalt der Pendlerpauschale wichtig, sondern dann brauche es Maßnahmen wie eine Senkung der Stromsteuer. „Jede Bewegung, die es geben könnte bei Kompromissen, muss zu gleichzeitigem Ausgleich führen. Ein einseitiges Erhöhen ohne Ausgleich wird sicherlich zu keinem Ergebnis führen“, sagte der bayerische Ministerpräsident.

Das Umweltbundesamt hatte in einem Positionspapier zuletzt drastische Einschnitte empfohlen, um die deutschen Klimaziele zu erreichen, unter anderem Tempo 120 auf Autobahnen, höhere Steuern vor allem auf Diesel, das Aus für die Pendlerpauschale und eine höhere Lkw-Maut. Der Vermittlungsausschuss beginnt am Abend mit seiner Kompromisssuche zum Klimapaket. Von vier einzelnen Klimagesetzen wurden drei bereits von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Bei mehreren Steuervorhaben des Pakets hat die Länderkammer den Vermittlungsausschuss angerufen.