Trotz der Kritik von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Umweltverbänden müssen sich Händler und Konsumenten zu Jahresbeginn auf die Bonpflicht einstellen. „Es bleibt (…) dabei, dass zum 1. Januar diese Belegpflicht in Kraft treten wird“, sagte ein Sprecher des SPD-geführten Bundesfinanzministeriums am Montag in Berlin. Der Handel habe mehr als drei Jahre Zeit gehabt, sich vorzubereiten. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: „Dieses Gesetz hat seine Berechtigung.“
Wenn ich ein Brötchen kaufe, dann schau ich nicht auf dem Bon nach, ob es einen Betrug gibt.
Peter Altmaier, CDU
Das Gesetz sieht vor, dass Kassen technisch aufgerüstet werden. Bei jeder Transaktion sollen Händler dann auch einen Beleg ausgeben. Der Staat verliert alljährlich hohe Summen, weil Unternehmen ihre Umsätze mit manipulierten Kassen, Schummelsoftware oder fingierten Rechnungen nicht oder falsch erfassen – vor allem in der Gastronomie und in anderen Branchen mit hohem Bargeldanteil. Nach Schätzungen der Steuergewerkschaft und des Bundesrechnungshofs gingen dem Fiskus pro Jahr durch Steuerbetrug mindestens zehn Milliarden Euro verloren.
Steuerbetrug bekämpfen
Altmaier hatte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zu Änderungen an dem bereits 2016 verabschiedeten sogenannten Kassengesetz aufgefordert. Damit will die Regierung Steuerbetrug etwa durch manipulierte Ladenkassen bekämpfen. Altmaier dringt aber noch auf Änderungen, so dass nicht in jedem Fall Kassenbons ausgegeben werden müssen. Denn die Umwelt werde stark belastet, da die häufig auf Thermopapier gedruckten Bons zu Milliarden „direkt im Müll landen“ würden. Bei Bäckereien etwa wollen nur weniger als drei Prozent der Kunden einen Beleg, wie der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks schreibt. Ein Sprecher des Wirtschaftsressorts betonte, für Änderungen sei auch keine Verordnung und kein parlamentarisches Verfahren nötig. „Es gibt die Möglichkeit, das untergesetzlich zu machen.“
Ich habe Zweifel daran, dass eine generelle Kassenbonpflicht zu mehr Steuersicherheit führt.
Alexander Dobrindt, CSU
Altmaier sagte am Montag im ZDF: „Wenn ich ein Brötchen kaufe, dann schau ich nicht auf dem Bon nach, ob es einen Betrug gibt.“ Er lasse den Bon meistens liegen, so wie 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger. Der Minister sei ursprünglich davon ausgegangen, dass eine existierende Ausnahmevorschrift auf anonyme Massengeschäfte wie etwa beim Bäcker angewendet werde, hieß es vom Sprecher des Wirtschaftsressorts. Allerdings sei eine Anwendungsvorschrift sehr restriktiv ausgefallen, sagte er mit Blick auf das Finanzressort. Die Folgen seien beträchtlich: So rechne allein die Handelskette Rewe mit 140 000 Kilometern zusätzlicher Kassenbons im Jahr.
CSU fordert mittelstandsfreundliche Ausgestaltung
Die CSU stellte sich hinter Altmaier. „Ich habe Zweifel daran, dass eine generelle Kassenbonpflicht zu mehr Steuersicherheit führt“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dem Münchner Merkur. Die Maßnahme führe aber zu mehr Aufwand. „Sinnvoll wäre eine praxisnahe Ausgestaltung anstatt einer generellen Verpflichtung“, sagte Dobrindt.
Wir brauchen unbedingt einen mittelstandsfreundlichen Anwendererlass.
Silke Launert, CSU
Die Bayreuther Bundestagsabgeordnete Silke Launert erklärte: „Das Gesetz, welches 2016 beschlossen wurde, sah ursprünglich eine Belegausgabepflicht nur auf Verlangen des Kunden vor. Erst auf Drängen des Bundesrates wurde die Belegausgabepflicht eingeführt. Wir von der Union haben deshalb aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf die Befreiungsmöglichkeit von der Belegausgabepflicht bestanden.“ Bundesfinanzminister Scholz (SPD) müsse seinen Anwendererlass an die Finanzämter deshalb dringend nachbessern und von dieser gesetzlichen Ausnahme der Belegausgabepflicht auch umfassend Gebrauch machen. „Wir brauchen unbedingt einen mittelstandsfreundlichen Anwendererlass, der Kleinbetriebe und Geschäfte mit Kleinbeträgen von der Belegausgabepflicht befreit. Zu Recht führt die restriktive Handhabung der Befreiungsmöglichkeit durch die Finanzverwaltung zu Frust bei den Ladenbesitzern und Verbrauchern. Sollte das Bundesfinanzministerium sich hier nicht schnellstmöglich bewegen, müssen wir das Gesetz ändern und die Belegausgabepflicht zurücknehmen.“
Kritik an Bonpflicht
Hohe Kosten, unnötiger bürokratischer Aufwand, Belastung für Umwelt und Gesundheit – die Kritikpunkte am sogenannten Kassengesetz und der damit einhergehenden Bon-Pflicht sind zahlreich. Die Bon-Pflicht bedeute „gerade für kleine Händler erhebliche Mehrkosten für Papier, Druck und Entsorgung der liegengebliebenen Bons“, betonte etwa der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK).
Die Kassenbonpflicht produziert vor allem Müllberge.
BUND
Kritik zur neuen Bonpflicht kam auch vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). „Die Kassenbonpflicht produziert vor allem Müllberge aus nicht recycelbaren und gesundheitlich problematischen Kassenbons aus Thermopapier“, sagte der BUND-Abfallexperte Rolf Buschmann. Kriminelle Energie könne man nicht mit einem Kassenzettel verhindern. „Wer betrügen will, schafft es auch trotz der neuen Bonpflicht.“
Handelsketten reagieren
Zuvor hatten bereits mehrere Handelsverbände die Bonpflicht empört zurückgewiesen, vor allem aus Kostengründen. Denn um dem Gesetz nachzukommen, müssen viele Händler ihre Kassen umrüsten. Der Handelsverband Deutschland (HDE) erwartet Kosten zwischen 300 und 500 Euro pro Kasse. In einzelnen Branchen sind die erwarteten Summen wegen spezieller Kassen, die mit Waagen verbunden sind, noch höher. Der Deutsche Fleischer-Verband sprach von Investitionen pro Laden von um die 4000 Euro, die gerade für kleinere Geschäfte „in die Existenzbedrohung gehen“ könnten. Auch weil nur etwa die Hälfte aller Systeme in Metzgereien überhaupt technisch nachgebessert werden könne. Neue Kassen-Waagen-Verbunde aber kosteten 30.000 Euro. In ganz Deutschland sind rund 1,85 Millionen Kassen im Einsatz, nur zwischen 400.000 und 500.000 können umgerüstet werden.
Deutschlands große Handelsketten wollen negative Folgen der Papierflut durch umweltfreundlicheres Kassenzettel-Papier eindämmen. Edeka kündigte an, ab kommendem Jahr nach und nach „besonders umweltfreundliches Thermopapier“ für Kassenbons einzuführen. Bislang setzte der Händler bereits Papier ohne umstrittene phenolhaltige Weichmacher ein, das aus nachhaltiger Waldwirtschaft stammte. Konkurrent Rewe setzt nach eigenen Angaben seit 2012 nur noch phenolfreies Papier ein. Die Drogeriemarktkette Rossmann kündigte an, ab Januar 2020 auf jegliche phenolhaltige Stoffe bei Kassenbons zu verzichten. Aldi Nord setzt nach eigenen Angaben seit Jahren auf phenolfreies Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft, das als Altpapier entsorgt werden kann.