Hohe Dunkelziffer: Eine App soll gegen Stalker helfen. (Bild: imago images / ingimage)
Kriminalität

Stalkingopfern helfen

Der Weiße Ring beklagt ein "riesiges Defizit" in der Strafverfolgung von Stalking und will Opfern mit einer App helfen, sich zu schützen und zugleich Beweise für die Strafverfolgung zu sammeln.

Rund 19.000 Stalking-Straftaten seien in der Polizei-Statistik registriert, aber nur in einem Prozent davon komme es zu Verurteilungen, sagte der Bundesvorsitzende der Opferschutzvereinigung Weißer Ring, Jörg Ziercke, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Das Dunkelfeld sei zudem „riesengroß“. Schätzungen gingen von mindestens 200.000 bis 300.000 Fällen aus. Das Problem sei es, Stalking zu beweisen.

Jede Handlung an sich ist erstmal nicht relevant, die Summe ist entscheidend.

Jörg Ziercke

Schwer zu beweisen

Dem Strafgesetzbuch zufolge müsse die Beharrlichkeit des Nachstellens gegeben sein, also mindestens fünf, sechs Handlungen, sagte Ziercke. Das könnten auch ganz legale Handlungen sein, wie etwa alle drei Tage einen Liebesbrief schreiben, Blumen vor die Tür legen, „Ich liebe Dich“ auf eine Parkbank schreiben oder ein Herz hinter den Scheibenwischer zu klemmen. „Jede Handlung an sich ist erstmal nicht relevant, die Summe ist entscheidend“, betonte Ziercke.

Das Aufbauen eines psychischen Drucks, Hinterherrufen und Schreie: Mit der No Stalk App lasse sich alles in Foto, Video und Sprache sofort aufnehmen. Dabei könnten auch Zeugen aufgenommen werden oder die eigene Verfassung dokumentiert werden. Jede dieser Aufnahmen bekomme automatisch eine digitale Orts- und Zeitangabe, werde sofort verschlüsselt, dann an einen externen Server übersandt, und anschließend auf dem Handy des Opfers gelöscht. „Dem Täter bringt es nichts, sich in den Besitz des Handys zu bringen.“ Bereits rund 8000 Mal sei die App bislang runtergeladen worden.

Gefährderansprache wirkt – meistens

Solche ersten Handlungen könnten ausreichen, um bei der Polizei Anzeige wegen des Verdachts des Stalkings zu erstatten. Die Beamten könnten die Gefährder dann ansprechen und auffordern, ihr Verhalten zu unterlassen. „In 80 Prozent der Fälle ist eine solche Gefährderansprache erfolgreich. Der Stalker hat von seinem Verhalten abgesehen“, sagte Ziercke.

Das Opfer hat aber immer das letzte Wort.

Jörg Ziercke

Die Infos seien aber gleichzeitig auch für das Strafverfahren und das Gericht von Bedeutung. Mit der Zahl der dokumentierten Handlungen könne das Opfer beweisen und plausibel machen, warum der psychische Druck zu Krankheiten, Alpträumen und einem Trauma führte. Die App biete neben der Dokumentation auch konkrete Hilfsfunktionen. Ein schriller Alarmton etwa könne Passanten aufmerksam machen, wenn der Täter aggressiv werde.

Die Aufnahmen des Stalking-Opfers seien verschlüsselt und könnten nur von ihm mit seinem persönlichen Code-Schlüssel entschlüsselt werden. Um die Daten runterzuladen bedürfe es einer PIN, welche das Opfer beim Weißen Ring abrufen könne. „Das Opfer hat aber immer das letzte Wort, ob es damit zur Polizei will, zum Rechtsanwalt oder auch, ob es die Aufnahmen löschen will.“

Rund jeder achte Mensch in Deutschland wird einmal im Leben Opfer von Stalking, schätzt die Hilfsorganisation Weißer Ring. Vor allem Frauen. Ziel des Stalkers ist meist, Macht und Kontrolle über sein Opfer zu erlangen. Es hat sich laut dem Weißen Ring gezeigt, dass vor allem schnelles Einschreiten der Polizei gegen den Stalker Wirkung zeigt und die Belästigungen nach einer Anzeige häufig aufhören. Aber nicht immer.

CSU-Politiker von Stalkern verfolgt

Auch in der CSU waren schon öfter Politiker von Stalking betroffen. Zuletzt hat es ein Stalker seit September 2018 auf die Münchner CSU-Politikerin Tina Pickert abgesehen. Er schickte ihr hunderte Liebesbriefe, Bahntickets, Reiseprospekte und Päckchen – ein besonderes Alarmsignal: das meiste davon war nicht frankiert. Schließlich stand der Stalker auch sichtbar vor ihrer Haustür. Und es gab Anrufe auf ihrer Arbeitsstelle.

Pickert wehrte sich auf Facebook. „Hey Stalker“, schrieb sie dort, „ich möchte nicht, dass du ständig vor meiner Tür stehst und bei mir klingelst. Ich möchte keine Nachrichten auf Facebook von dir. Ich kenne dich nicht und ich fühle mich unwohl und unsicher. Wenn ich abends nach Hause komme, weiß ich nicht, ob du bei mir im Flur stehst, das macht mir Angst.“ Sie zeigte den Mann zweimal an, weil der Stalker nach der ersten Anzeige nur eine kurze Pause einlegte. Zur Not wollte Pickert auch ein Kontaktverbot erwirken. „Ich will, dass dieser Albtraum endet!“, sagte sie dem Münchner Merkur.

Derselbe Stalker hatte auch CSU-OB Kandidatin Kristina Frank belästigt, wenn auch nicht so aufdringlich wie im Falle von Pickert.

(dpa)