Kritik an der EU: Horst Seehofer, Bayerischer Ministerpräsident und Vorsitzender der CSU. (Bild: Imago/fossiphoto)
Seehofer

Die EU muss handeln

Zur Durchsetzung einer Obergrenze für Flüchtlinge sollten diese nach Ansicht von CSU-Chef Horst Seehofer notfalls auch an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden. Zugleich machte er deutlich, dass er von der EU in der Migrationsfrage mehr erwarte.

In zwei Interviews mit dem Münchner Merkur und dem BR-Politikmagazin „Kontrovers“ hat der Bayerische Ministerpräsident seine Position in der Migrationsfrage deutlich gemacht. „Sie können nicht sagen: Wir wollen nicht, dass sich das wiederholt und dann machen Sie die Tore auf“, sagte Seehofer im BR-Fernsehen. Die CDU lehnt zwar eine Obergrenze ab, deshalb wurde diese auch nicht ins gemeinsame Wahlprogramm der Union aufgenommen. Jedoch steht dort, dass sich die Situation von 2015 „nicht wiederholen soll und darf“ und die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge „dauerhaft niedrig“ bleiben soll – was de facto einer Begrenzung gleich kommt.

Seehofer machte auch im Merkur noch einmal klar, dass es für die CSU weiter um eine Begrenzung der Zuwanderer gehe, ob man dies nun Obergrenze oder Kontingent nenne. „Der Begriff ist nicht entscheidend, aber wir werden dieses Projekt realisieren – vor allem, weil sich die Einstellung in Berlin in dieser Frage geändert hat. Nicht meine.“ Der CSU-Chef betonte: „Im Bayernplan steht klipp und klar: Wir geben den Menschen die Garantie, dass sich der Zustand vom Herbst 2015 nicht wiederholen wird. Und dafür haben wir ein Instrumentarium entwickelt: von der Bekämpfung der Fluchtursachen über den konsequenten Schutz an den EU-Außengrenzen und der Entscheidung über Schutzbegehren dort bis hin zu einer Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland auf 200.000 Flüchtlinge pro Jahr.“

An der Grenze abweisen

Zur Durchsetzung einer Obergrenze für Flüchtlinge sollten diese nach Ansicht des CSU-Chefs notfalls auch an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden, wie er im BR erklärte. Eine Zurückweisung sei notwendig, sollte es nicht gelingen, die Fluchtursachen zu bekämpfen, die europäischen Außengrenzen zu kontrollieren oder die Flüchtlinge zu verteilen, betonte Seehofer.

Sie können nicht sagen: Wir wollen nicht, dass sich das wiederholt und dann machen Sie die Tore auf.

Horst Seehofer, im BR-Interview

Die CSU fordert bereits seit September 2015, Migranten an der Grenze zurückzuweisen. Das entspricht schlicht europäischem Recht, dem Dublin-Abkommen. Danach ist kein Staat verpflichtet, Zuwanderer aufzunehmen, wenn diese zuvor in einem anderen EU-Staat zuerst europäischen Boden betreten haben. Da Deutschland von EU-Staaten umgeben ist, müsste man theoretisch keinen einzigen Asylbewerber aufnehmen, abgesehen von denen, die auf deutschen Flughäfen ankommen.

Damals wurden zwar Grenzkontrollen eingeführt, doch bis heute werden Asylsuchende von der Bundespolizei nicht zurückgewiesen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière betonte zuletzt, dass nach geltendem deutschem Recht zumindest die Pflicht bestehe, zu prüfen, ob ein Asylantrag gerechtfertigt sei. Das Problem daran ist, auch das hatte Seehofer zuletzt deutlich gemacht, dass es praktisch fast unmöglich ist, Asylbewerber wieder abzuschieben, wenn sie erstmal im Lande sind. Denn irgendein Abschiebehindernis oder irgendein Fürsprecher finde sich immer.

Kritik an der EU

In einem zweiten Interview mit dem Münchner Merkur kritisierte Horst Seehofer die europäische Flüchtlingspolitik: „Die Sicherung der Außengrenze wäre ein zentrales Projekt der EU.“ Aber, so der Ministerpräsident weiter: „Die EU hat das Durcheinander an den Außengrenzen in zwei Jahren nicht annähernd lösen können. Das ist schon sehr ärgerlich.“ Beim nächsten Gipfel brauche die EU einen „signifikanten Fortschritt“, auch bei der Verteilung der Flüchtlinge. „Wir warten immer, bis wir eine hundertprozentige Beteiligung aller Länder haben. Stattdessen müssten die starken und großen einfach mal anfangen“, betonte der CSU-Chef.

Die Kommission konzentriert sich nicht auf die wesentlichen Themen.

Horst Seehofer

Seehofer sieht großen Handlungsbedarf für die EU. „Die Menschen wären bereit zu einer Renaissance Europas. Das ist nach wie vor eine fantastische Idee, die elektrisiert.“ Allerdings müssten endlich die großen Aufgaben angegangen werden. „Freihandel, Klimaschutz, Sicherheit und Terror, die ganze Außenpolitik – solche Megathemen wären eine europäische Angelegenheit. Und genau bei diesen Megathemen kommt die Kommission nicht voran.“ Vor allem bei der Terrorbekämpfung sieht der CSU-Chef nach den jüngsten Anschlägen in Barcelona akuten Handlungsbedarf. „Der Durchbruch wäre, wenn wir die Erkenntnisse, die jeder Staat hat, endlich effektiv austauschen.“ Ein Ein- und Ausreiseregister sei dringend notwendig.

Die derzeitige EU-Politik sieht Seehofer als grundsätzliches Problem: „Die Kommission konzentriert sich nicht auf die wesentlichen Themen. Und im Sommer passiert in Brüssel grundsätzlich nichts.“ Weiter mahnt er eine Reduzierung der EU-Eingriffsmöglichkeiten an: „Es braucht niemand zusätzliche Kompetenzen, wenn er die bestehenden nicht ausnutzt. Am liebsten würde ich denen in Brüssel zurufen: Nicht reden – machen!“ Einen europäischen Innenminister lehnt Seehofer ebenso ab wie einen europäischen Finanzminister.