Horst Seehofer hat sich mit seiner Forderung nach Grenzkontrollen durchgesetzt. Foto: CSU
Flüchtlingskrise

Das Ende der Willkommenskultur

Ministerpräsident Horst Seehofer wertet die Verlängerung der Kontrollen an den deutschen Grenzen als klaren Sieg in der Auseinandersetzung um die Flüchtlingspolitik. Dass die Bundesregierung jetzt der Forderung Bayerns nachgebe, so der CSU-Vorsitzende, besiegle die vollzogene Wende auch "notariell".

Mit großer Genugtuung hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer auf die beschlossene die Verlängerung der Kontrollen an der Grenze zu Österreich reagiert. Damit sei das „Ende der Willkommenskultur notariell besiegelt“, sagte Seehofer angesichts dieser Entscheidung der Süddeutschen Zeitung. Bayern hatte seit vielen Monaten von der Bundesregierung eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen, eine wirksame Sicherung der EU-Außengrenzen und bis dahin effektive Kontrollen an den deutschen Grenzübergängen verlangt. In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Regierung des Freistaats andernfalls mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gedroht. Jetzt verabschiedeten Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Bundesinnenminister Thomas de Maizière eine gemeinsame Erklärung, die eine Fortsetzung der Kontrollen festschreibt.

„Dokument der Wende“

Dass sich jetzt Bayern in diesem Punkt durchsetzen konnte, wertet der CSU-Vorsitzende als klaren Sieg in der Auseinandersetzung mit der CDU um die Flüchtlingspolitik. Die Erklärung der Innenminister sei ein „Dokument der Wende“, sagte Seehofer. Die Klage vor dem Verfassungsgericht werde Bayern vorerst nicht einreichen. Sie liege in einer Schublade, so Seehofer, und könne bei Bedarf jederzeit wieder herausgeholt werden.

Seehofer betonte am Mittwoch, er strebe an, den Bundestagswahlkampf 2017 „prioritär gemeinsam mit der CDU und Kanzlerin Angela Merkel“ zu führen. Alles andere wäre „eine absolute Notsituation“, die er nicht wolle. Zuletzt hatte Seehofer erklärt, die CSU könne auch mit einem eigenen Programm zur Bundestagswahl antreten, sollten sich CSU und CDU nicht auf zentrale Themen einigen. Seehofer zitierte Kernsätze, die er auch beim Koalitionstreffen am Dienstag Abend in Berlin vorgetragen habe. Dort habe er erklärt, ein Austritt aus der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU sei für die CSU kein Thema, ebenso wenig aus der Bundesregierung. Die CSU arbeite für den Erfolg der großen Koalition und werde ihre Pflicht darin in der gesamten Legislaturperiode erfüllen. Das Spitzenpersonal oder das Wahlprogramm sollten im Frühjahr 2017 festgelegt werden. Der CSU-Vorsitzende warnte zugleich vor Koalitionsdiskussionen anstelle programmatischer Debatten. Für einen gemeinsamen Wahlkampf mit der CDU sei eine gemeinsame Klammer und eine Zukunftsvision notwendig. „Und die müssen wir herstellen.“ Dazu soll auch eine gemeinsame Strategieklausur von CDU und CSU Ende Juni dienen.

Bei der Präsentation der Erklärung der beiden Innenminister hatte de Maizière ebenfalls betont, mögliche Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Herrmann seien nun ausgeräumt. „Damit sollte dieser Punkt das Verhältnis der Schwesterparteien nicht belasten“, fügte er hinzu. Noch vor wenigen Wochen hatte der Bundesinnenminister erklärt, der Bund werde die Grenzkontrollen wegen der gesunkenen Flüchtlingszahlen nicht über den 12. Mai hinaus verlängern. Daraufhin hatte ihm CSU-Chef Seehofer selbstherrliches Handeln vorgeworfen. „Wir sind als hauptbetroffenes Land nicht beteiligt und nicht informiert worden“, kritisierte Seehofer damals.

Schutz der Grenzen bleibt notwendig

In der gemeinsamen Erklärung der beiden Innenminister wird jetzt ausdrücklich die Notwendigkeit von Binnengrenzkontrollen betont: „Bis ein wirksamer Schutz der EU-Außengrenzen gewährleistet ist und damit entscheidende Verbesserungen für die Innere Sicherheit in Europa erreicht sind, müssen Personenkontrollen an den Binnengrenzen im Einklang mit dem europäischen Recht fortgeführt werden. Es ist darüber hinaus gemeinsame Überzeugung der beiden Minister, dass eine `Politik des Durchwinkens´ nicht hinnehmbar ist. Sie ist weder EU-rechtskonform noch eine taugliche Lösung der Flüchtlingskrise, sondern trägt im Gegenteil zu ihrer Verschärfung bei. Konsequenterweise wird auch weiterhin jedem die Einreise nach Deutschland verweigert, der kein Visum besitzt und Deutschland als Transitland für ein Asylbegehren in einem anderen EU-Mitgliedstaat nutzen will.“

Was genau geschehen soll, legen einzelne Punkte in der Erklärung fest:

  • Die Bundespolizei setzt die Binnengrenzkontrollen sichtbar und effektiv fort – auch um weiterhin Zurückweisungen der oben genannten Personen an der Grenze durchführen zu können – und entwickelt sie lageangepasst und mit ausreichend Personal unterlegt. Werden diese Kontrollen zeitweise ausgesetzt, stimmen sich Bundespolizei und Bayerische Polizei konzeptionell eng ab, um durch einen flankierenden Einsatz bayerischer Schleierfahnder mögliche Sicherheitsdefizite zu vermeiden.
  • Im Falle einer Verlagerung von Flüchtlingsströmen oder einer deutlichen Zunahme des Ankunftsgeschehens entlang der Bundesgrenze gruppiert die Bundespolizei unverzüglich die eingesetzten Kräfte um und verstärkt sie erforderlichenfalls.
  • Die Bundespolizei gibt bei Kontrollen der sichtbaren Präsenz Vorrang vor verdeckter Grenzraumfahndung. Bayern verstärkt parallel mit eigenen Kräften die Schleierfahndung in den Grenzgebieten zu Österreich. Bundespolizei und Bayerische Polizei stimmen sich in ihrem taktischen Vorgehen eng ab.
  • Die Grenzkontrollen der Bundespolizei zielen nicht nur auf die Bekämpfung der illegalen Migration, sondern legen auch weiterhin ein besonderes Augenmerk auf die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und anderer Formen schwerer Kriminalität, insbesondere der Schleusungskriminalität.
  • Die Registrierungszentren in Passau, Freilassing und Deggendorf sowie die Warteräume in Erding und Feldkirchen/Niederbayern bleiben in Betriebsbereitschaft.

Zudem soll das Personal der Bundespolizei an der deutsch-österreichischen Grenze mittelfristig mit 850 zusätzlichen Dienstposten verstärkt werden. Falls die Flüchtlingszahlen wieder ansteigen, soll zusätzlich aufgestockt werden.

Die EU-Staaten müssen wissen, wer sich in ihrem Hoheitsgebiet aufhält, wer in die EU eingereist ist und wer sich dort ggf. nicht gesetzestreu verhält.

Erklärung der Innenminister

Klare Vorgaben gibt die Vereinbarungen auch mit Blick auf die Einreise nach Europa. „Die EU-Staaten müssen wissen, wer sich in ihrem Hoheitsgebiet aufhält, wer in die EU eingereist ist und wer sich dort ggf. nicht gesetzestreu verhält“, heißt es in dem Papier. „Gewährleistet werden kann dies nur durch eine vollständige Erfassung aller einreisenden Drittstaatsangehörigen und einen unmittelbaren Zugriff der Mitgliedstaaten auf diese Daten.“ Auch hierfür nennt die Erklärung die notwendigen Maßnahmen:

  • die unverzügliche Einführung eines Europäischen Ein- und Ausreiseregisters,
  • die Registrierung aller ankommenden Flüchtlinge und Migranten mittels Daktyloskopie nach dem Prinzip „one man – one date“,
  • der technische Ausbau des EURODAC-Systems mit ausreichend Eingabesystemen an den Außengrenzen,
  • die Beseitigung rechtlicher Hürden zur Nutzung der EURODAC-Daten auch durch die Sicherheitsbehörden,
  • die Schaffung eines Europäischen Kriminalaktennachweises unter Nutzung von Fingerabdruckdaten,
  • die unverzügliche Umsetzung der im Prümer Rahmenbeschluss geregelten Vernetzung der nationalen Fingerandruck- und DNA-Analysedateien durch alle EU-Mitgliedstaaten,
  • die Herstellung einer weitreichenden Interoperabilität der Fachdateien der nationalen Sicherheitsbehörden in Europa.

Italien muss seine Grenzen sichern

Zu möglichen Schließung der italienisch-österreichischen Grenze am Brenner gibt sich die Erklärung zurückhaltend. „Es ist möglich, dass sich andere Migrations- und Schleusungsrouten entwickeln“, heißt es dazu. Eine besondere Bedeutung komme dabei der Italien-Route zu. Und weiter: „Es muss deshalb in Abstimmung mit Italien und seinen Nachbarländern alles unternommen werden, damit Italien seine Außengrenzen wirksam sichert und seinen Verpflichtungen aus dem Dublin-Abkommen nachkommt. Die trilateralen Streifen von Italien, Österreich und Deutschland in den grenzüberschreitenden Zügen werden unter Mitwirkung der Bayerischen Polizei verstärkt.“

Österreich bereitet sich seit mehreren Wochen auf verstärkte Kontrollen am Brenner vor. Das Land hat angedroht, die Brenner-Grenze zu schließen, sollte Italien Flüchtlinge einfach nach Norden durchwinken. Bayern hat sich bereit erklärt, Österreich dabei zu unterstützen, falls gewünscht auch mit bayerischen Polizeibeamten.