An der Grenze zwischen Bayern und Österreich wird aufgrund der Flüchtlingskrise stichprobenartig kontrolliert. (Bild: Imago/Roland Mühlanger)
Grenzkontrollen

Ende der Kontrollen wäre falsches Signal

Ab Mitte Mai könnten die Kontrollen an der Grenze zu Österreich aufgehoben werden. Das kündigte Bundesinnenminister de Maizière an und erklärte die Balkan-Route für "erledigt". Die europäische Bevölkerung ist weniger optimistisch: Sie zweifelt am kontrollfreien Schengen-Europa und wünscht sich nationale Grenzen zurück. Die CSU wertet den Vorschlag des Innenministers "als völlig falsches Signal".

Mit dem Abflauen des Flüchtlingsandrangs will Deutschland die Kontrollen an der Grenze zu Österreich im Mai wieder aufheben. Das kündigte Innenminister Thomas de Maizière in der Nachrichtensendung ZiB2 des österreichischen Fernsehens an. Bereits jetzt würden die Kontrollen allmählich heruntergefahren und Polizisten abgezogen.

Wenn die Zahlen so niedrig bleiben, würden wir über den 12. Mai hinaus keine Verlängerung der Grenzkontrollen durchführen.

Thomas de Maizière, Bundesinnenminister

Im März hatte Deutschland noch rund 20.000 Neuankömmlinge registriert, nachdem es in den Vormonaten noch ein Vielfaches davon gewesen war. Die Grenzkontrollen waren Mitte September wegen des massiven Flüchtlingszustroms über Österreich nach Deutschland eingeführt worden. Sie sollten den Flüchtlingszustrom bremsen, führten allerdings bei der Einreise aus Österreich wegen teils langer Staus zu viel Ärger bei Reisenden und Lastwagenfahrern.

Maizière erklärt Balkan-Route für „erledigt“

Nach den Grenzschließungen der Länder auf dem Balkan und der EU-Türkei-Einigung ist die sogenannte Balkanroute für Flüchtlinge inzwischen einigermaßen dicht. Den Streit zwischen den Regierungen in Berlin und Wien wegen der „einseitigen österreichischen Lösungen“ in der Flüchtlingskrise sieht de Maizière mit dem EU-Türkei-Pakt als beendet an. Nunmehr sei es möglich, „humanitäre Kontingente“ an Flüchtlingen in den EU-Staaten aufzunehmen. „Ende gut, alles gut“, sagte de Maiziere zum Verhältnis zur österreichischen Regierung und wünschte sich, „dass jetzt alle wieder nach vorne gucken“. Es gehe nun darum, das zwischen der EU und der Türkei ausgehandelte Flüchtlingsabkommen umzusetzen. Er betonte auch, „dass die Balkan-Route erledigt ist, erledigt bleiben soll“. Die allerdings hat Österreich zusammen mit Ungarn, Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien durch nationale Maßnahmen erledigt, und nicht Merkels „europäische Lösung“ mit den überaus zweifelhaften und unsicheren Verhandlungspartnern Türkei und Griechenland.

CSU gegen Abschaffung der Grenzkontrollen

Jetzt von einem Ende der Grenzkontrollen zu reden, ist das völlig falsche Signal, das hier an die Welt ausgesandt wird. Die vergangenen Monate haben gezeigt: Auch aus Sicherheitsgründen sind Grenzkontrollen notwendig. Daher ist für die CSU klar: Bei zurückgehenden Flüchtlingszahlen kann man das Polizeiaufgebot an der Grenze reduzieren, aber keinesfalls komplett abziehen.

Andreas Scheuer, CSU-Generalsekretär

Die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass Grenzkontrollen auch aus Sicherheitsgründen notwendig seien. „Der Stil ist schlecht, der Ansatz falsch“, sagte Scheuer zu de Maizières Vorgehen gegenüber der Rheinischen Post. Es werde der Sensibilität des Themas nicht gerecht, unabgestimmt in österreichischen Medien ein Ende der Grenzkontrollen in die Diskussion zu bringen. Für die CSU sei klar, dass man das Polizeiaufgebot an der Grenze bei zurückgehenden Flüchtlingszahlen reduzieren, aber „keinesfalls komplett abziehen“ könne.

Wir sind als hauptbetroffenes Land nicht beteiligt und nicht informiert worden. Das ist ein selbstherrlicher Regierungsstil.

Horst Seehofer, Ministerpräsident

Seehofer fügte gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung hinzu: „Diese Selbstherrlichkeit richtet sich zunehmend gegen Bayern. Wir sind den Berlinern einfach zu stark.“ Seehofer betonte, er halte die Entscheidung aus sicherheitspolitischen Gesichtspunkten für falsch. „Ich habe zwar Verständnis für jeden bayerischen Bürgermeister an der Grenze, der sagt: Gut, wenn es keine Grenzkontrollen mehr gibt“, sagte er. „Ich muss allerdings die ganzen Auswirkungen auf die innere Sicherheit sehen. In einer Zeit, in der Frankreich, die Beneluxstaaten und die skandinavischen Staaten die Grenzkontrollen wegen der kriminellen und terroristischen Gefahren noch verstärkt haben, ist es hochproblematisch, so etwas jetzt in die Welt zu setzen.“

Ein Ende der deutschen Kontrollen an der Grenze zu Österreich ist nach Angaben des Bundesinnenministeriums auch noch nicht sicher. Minister Thomas de Maiziere habe keineswegs angekündigt, dass am 12. Mai Schluss mit den Grenzkontrollen sei, sondern dies von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht, sagte jetzt sein Sprecher Tobias Plate. So sei Bedingung, dass über die Balkanroute kaum noch Flüchtlinge kämen. Des weiteren hänge eine Aufhebung der Kontrollen von der Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens ab. Unklar sei auch noch, ob und wie Flüchtlinge möglicherweise andere Routen wählen würden.

Umfrage: Deutsche wollen nationale Grenzen

Die Europäer sind weniger optimistisch als der deutsche Bundesinnenminister. Die Mehrheit der Franzosen (72 Prozent) und Italiener (60 Prozent) traut den europäischen Grenzschützern wenig zu – und möchte zurück zu nationalen Grenzen und Grenzern. Auch zwei von drei Bundesbürgern (66 Prozent) sagen, die Bundesregierung solle die europäischen Verträge von Schengen aufkündigen, die Schlagbäume senken und zu nationalen Grenzkontrollen zurückkehren. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Ifop-Instituts in Paris, das die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte.

Die Flüchtlingskrise sowie die Terroranschläge von Paris und Brüssel haben die Skepsis der Bürger am kontrollfreien Schengen-Europa hervorgerufen.

Ifop-Forscher Jérôme Fourquet

„Früher hieß es immer, ein Aus für Schengen bedeutet den Anfang vom Ende der gesamten EU“, sagt Fourquet. Seit Herbst sei die grenzenlose Reisefreiheit zwar de facto von allen EU-Regierungen abgeschafft worden – „aber Europa zerfällt nicht“, sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Von der deutschen „Willkommenskultur“ ist inzwischen auch nicht mehr viel übrig. Fast die Hälfte der Deutschen (47 Prozent) stimmen dem Satz zu, man habe „bereits viele Ausländer“ im Land, weshalb es „nicht möglich“ sei, noch zusätzliche Einwanderer aufzunehmen. Im September vorigen Jahres wollte das nur jeder dritte Deutsche so sagen (33 Prozent), laut Studie. Für Ifop-Direktor Fourquet „eine gewisse Verhärtung“ der deutschen Haltung. Im Vergleich zu seinen Landsleuten und auch zu den Italienern blieben die Bundesbürger aber noch gemäßigter in ihren Ansichten. Denn fast zwei Drittel aller Franzosen und Italiener wähnen ihr Boot schon voll – und zwar schon seit Beginn der Flüchtlingswelle. Obwohl sie weit weniger Flüchtlinge aufgenommen haben als Deutschland oder Schweden.

dpa/SZ/AS