Am St.-Gotthardt-Gymnasium im niederbayerischen Niederalteich lernen die Kinder seit einem Jahr vor allem mit Laptop und Smartphone. (Bild: AS)
Bildung

Mehr Schüler, mehr Lehrer

Interview Lehrerversorgung, steigende Schülerzahlen, Digitalisierung, Ganztagsunterricht - wie begegnet Bayern den Herausforderungen des Schulsystems? Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) erklärt im dpa-Interview, wie sich der Freistaat vorbereitet hat.

dpa: Die Bertelsmann Stiftung hat vor ein paar Monaten ausgerechnet, dass die Zahl der Schüler in den kommenden 13 Jahren stark ansteigen wird. Wie gut ist Bayern für diese Zukunft gewappnet?

Spaenle: Was die Lehrerversorgung betrifft, haben wir rechtzeitig Vorsorge getroffen. Wir sehen ja seit 2014 schon, dass an Bayerns Grundschulen mehr Kinder sind – die Daten der Bertelsmann Stiftung waren für uns nicht neu. Unsere jährlich aktualisierte Schülerprognose und die Zahlen unseres eigenen Statistischen Landesamtes haben uns das frühzeitig deutlich gemacht. Wir haben natürlich auch mit der Flüchtlingsbewegung ein historisches Sonderereignis, das die Lage zugespitzt hat. Dieses Ereignis machte den Einsatz von rund 2000 zusätzlichen Lehrkräften nötig, die wir zeitnah einstellen konnten. Ich bin jetzt das 23. Jahr im Parlament: Dass die Wartelisten für die Grundschulen leer sind, gab es noch nie.

Der Landtag hat 2017 ein Bildungspaket auf den Weg gebracht, das rund 2000 neue Stellen an Bayerns Schulen vorsieht. Ist das die Lösung?

Das ist wirklich eine sehr bemerkenswerte Anstrengung der Landtagsfraktion – 2000 zusätzliche Planstellen zeitlich gestaffelt bis 2025. Das ist schon lange nicht mehr passiert und eine kraftvolle Investition in Bayerns Schulen.

Gehören Unterrichtsausfälle damit der Vergangenheit an?

Wir haben schon jetzt mehr Lehrkräfte, als es für die reine Versorgung braucht, um Unterrichtsausfall zu bekämpfen. Es werden aber trotzdem immer mal wieder Stunden ausfallen. Wer eine Unterrichtsgarantie abgibt, handelt meiner Meinung nach politisch unverantwortlich. Das wird in einem System mit mehr als 100.000 Beschäftigten nie möglich sein können. Das Ziel muss sein, den Ausfall zu minimieren.

Und wie wird das in Bayern verfolgt?

An Grund- und Mittelschulen arbeiten wir mit der sogenannten mobilen Reserve. Das sind im Moment etwa 2400 Kräfte, die einspringen, wenn Not am Mann ist. An Realschulen und Gymnasien gibt es die integrierte Reserve, bei der die Lehrkräfte das Schuljahr über an der Schule unterrichten. Das war lange Wunsch der Eltern- und Lehrerverbände, dem wir entsprechen konnten. Für jeweils ein staatliches Gymnasium steht damit im Schnitt eine Lehrkraft mehr zur Verfügung. Wir haben außerdem vor rund eineinhalb Jahren begonnen, vor allem Lehrkräften der Realschulen und Gymnasien die Möglichkeit zu geben, über eine Zusatzqualifikation an Grund- und Mittelschulen zu unterrichten. Ihnen wird bei erfolgreicher Teilnahme eine unbefristete Beamtenstelle in Aussicht gestellt. Diese Möglichkeit wird mehr in Anspruch genommen als erwartet. 200 Lehrer sind zu Beginn dieses Schuljahrs an Grund- und Mittelschulen mit Planstelle in den Dienst gegangen. Weitere 1200 Lehrkräfte konnten wir bisher für diese Maßnahme gewinnen. Dieses Angebot scheint durchaus attraktiv zu sein, wenn sich eine so ordentliche Zahl von jungen Lehrkräften auf diesen Weg macht.

Wie viele Schüler kommen aktuell auf einen Lehrer?

Das Betreuungsverhältnis hat sich positiv entwickelt: Aktuell kommen rechnerisch 14 Schüler auf einen Lehrer. Dieser Wert berücksichtigt allerdings nicht, dass deutlich mehr Lehrkräfte zum Beispiel für die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler eingesetzt sind. Daher ist von diesem Wert die durchschnittliche Klassenstärke zu unterscheiden, die wir in den vergangenen Jahren ebenfalls immer weiter senken konnten: An Realschulen und dem Gymnasium auf durchschnittlich 26 Schüler pro Klasse, an Grundschulen auf rund 21. Im Einzelfall kann es aber deutliche Abweichungen von diesen Durchschnittswerten geben.

Länder wie Hamburg setzen verstärkt auf Ganztagsschule. Bayern dagegen landet bei Vergleichen eher auf den hinteren Rängen. Wie sieht es mit Investitionen in Ganztagsschulen aus?

Gemeinsam mit den Kommunen, die für die Betreuungsangebote zuständig sind, sorgen wir dafür, dass es an möglichst vielen Schulen Ganztagsangebote gibt. Derzeit bieten rund 80 Prozent aller allgemeinbildenden Schulen in Bayern eine Form des Ganztagsangebots an, dazu kommen weitere Angebote etwa von Kinderhorten und Tagesheimen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern werden wir aber bei statistischen Erhebungen benachteiligt, weil nicht alle Angebote berücksichtigt werden. Wir setzen auf eine ganze Palette an Betreuungsangeboten, so dass passgenau auf die Bedürfnisse der Eltern reagiert werden kann. Das geht bei der Mittagsbetreuung los, bei der verlängerten Mittagsbetreuung, dem offenen Ganztag bis zum gebundenen, rhythmisierten Ganztag. Aus dieser Vielfalt von Angeboten setzt sich das bayerische Ganztags-Betreuungskonzept zusammen. Die Nachfrage in Ballungsgebieten ist erfahrungsgemäß größer. Es wird aber kein Antrag einer Kommune, der pädagogisch begründet ist, abgelehnt. Sie werden alle genehmigt und die Kommunen entsprechend unterstützt. Jährlich stellen wir einen dreistelligen Millionenbetrag und entsprechende Lehrerstunden dafür zur Verfügung.

2019 endet Bayerns Modellversuch für Islamunterricht in deutscher Sprache. Wie geht es weiter?

Ich halte das Modell, wie wir es jetzt in Bayern an weit über 300 Schulen anbieten, für einen gangbaren Weg. Und wenn es nach mir geht, könnten wir das auch flächendeckend anbieten. Aber was 2019 ist, wird der nächste Landtag entscheiden.

Was ist die größte Herausforderung 2018 in Sachen Bildungspolitik?

Die digitale Bildung an allen Schulen und das neue neunjährige Gymnasium mit mehr Lernzeit bei sehr hoher Bildungsqualität stehen ganz oben auf unserer Agenda. Dazu kommen auch die Weiterentwicklung unseres erfolgreichen Schulwesens und die Inklusion.

Raus aus der Kreidezeit

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