Erstmals versuchen CDU, CSU , FDP und Grüne, auf Bundesebene ein „Jamaika“-Bündnis zu bilden. (Foto: Imago/Christian Ohde)
Koalition

Neuland Jamaika

Die Sondierungstreffen zum ersten „Jamaika“-Bündnis auf Bundesebene haben begonnen. Zuerst trafen sich CDU und CSU mit der der FDP, später mit den Grünen. CSU-Politiker erwarten schwierige und harte Verhandlungen, vor allem mit den Grünen.

Union, FDP und Grüne haben mit Sondierungen für eine sogenannte Jamaika-Koalition begonnen – das erste derartige Bündnis auf Bundesebene. Am Mittag trafen sich die Unionsparteien CDU und CSU zuerst mit Vertretern der FDP, dann am Nachmittag mit einer Grünen-Delegation. Am Donnerstag kommen FDP und Grüne zu einem Austausch zusammen. Am Freitag beginnen dann die Gespräche erstmals mit allen vier Parteien in großer Runde.

Wie Verhandlungskreise berichteten, gingen Union und FDP zielorientiert in die Beratungen: Es sei bei den Beratungen guter Wille aller Beteiligten spürbar, voranzukommen. Ob schon vor Weihnachten ein Koalitionsvertrag steht, ist offen. Inhaltlich besonders strittige Themen sind die Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik, die Energie- und Klimapolitik einschließlich der Verbrennungsmotoren, die Finanz- und Steuerpolitik sowie Europa.

Alle vier Parteien erwarten schwierige und harte Verhandlungen

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte die Unionsfraktion auf lange, schwierige und harte Verhandlungen ein. „Wir werden nicht ohne Kompromisse auskommen“, auch wenn die Union klare Ziele habe, sagte sie. Die Sondierungsgespräche, deren Erfolg Vorbedingung für die eigentlichen Koalitionsverhandlungen ist, würden „mehrere Wochen“ dauern, so Merkel. Ziel sei es, dass CDU und CSU bei jedem Thema geschlossen in die Verhandlungen gehen. Erst vor eineinhalb Wochen hatten sich die Unionsschwestern bei ihrem größten Streitthema Zuwanderung auf einen Kompromiss verständigt.

Bei CSU und Grünen sollen nach den Sondierungen Parteitage entscheiden, ob die jeweilige Partei in die eigentlichen Koalitionsverhandlungen gehen soll. Der CSU-Parteitag ist bisher für 17. bis 19. November geplant, könnte aber wegen der schwierigen Regierungsbildung auf Dezember verschoben werden. Bei der CDU entscheidet lediglich der Parteivorstand auf einer Klausurtagung – ein taktischer Vorteil für Parteichefin Merkel, denn den Vorstand kann sie wesentlich besser kontrollieren als einen Parteitag. Zumal große Teile der CDU-Basis sehr unzufrieden sind mit dem Linkskurs der Kanzlerin und dem zweitschlechtesten CDU-Ergebnis bei einer Bundestagswahl, das Merkel eher achselzuckend abgetan hat.

Er hat’s überlebt.

Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt zu Horst Seehofers Besuch in der Grünen-Parteizentrale

Unmittelbar vor Beginn der Gespräche sagte CSU-Chef Horst Seehofer, zunächst gehe es um Standortbestimmungen der einzelnen Parteien sowie um deren vorrangige Projekte. Er hoffe, dass noch vor Weihnachten ein Koalitionsvertrag stehe. Mit Sicherheit sagen könne man das aber nicht. Allgemein gehen alle vier Parteien von schwierigen Gesprächen und Verhandlungen über diese bisher einmalige Konstellation aus. Man werde große Konzentration und Anstrengung brauchen, um gute Ergebnisse zu erzielen, sagte Seehofer.

Noch am Vorabend hatte Seehofer als „vertrauensbildende Maßnahme“ erstmals die Grünen-Spitze in deren Parteihauptquartier besucht. Auf die Frage, was ihn herführe, antwortete der bayerische Ministerpräsident knapp: „Wichtige Dinge“. Man werde ja nun mehrere Wochen und Monate zusammensitzen. Grünen-Chef Cem Özdemir und Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, die das grüne Sondierungsteam leiten, empfingen Seehofer an der Tür der Berliner Parteizentrale der Bundesgrünen. „Er hat’s überlebt“, scherzten die Gastgeber im Anschluss an das Treffen. „Das war Neuland, er war da noch nie, und fand es aber wichtig, miteinander zu reden und auch mal zu gucken, wie wohnen die denn so“, sagte Göring-Eckardt.

FDP und Grüne werden CDU und CSU nicht entzweien

Nach den Worten von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer muss sich seine Partei auf langwierige Verhandlungen einrichten. Ein Ergebnis vor Weihnachten sei aber nicht ausgeschlossen. Die Schwesterparteien CDU und CSU werden sich nach Scheuers Ansicht nicht von FDP und Grünen gegeneinander ausspielen lassen. „Nein, wir sind gut aufgestellt“, sagte Scheuer. Die getrennten Gespräche der Union mit FDP und Grünen seien „jetzt einmal der Beginn, das Abtasten, auch was die einzelnen Partner anmelden“. Entscheidender werde es Freitag bei ersten Sondierungsgesprächen aller vier Parteien. Der CSU seien besonders Zuwanderungsfragen und innere Sicherheit wichtig.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt warnte vor überzogenen Erwartungen. „Natürlich müssen wir miteinander reden“, sagte der mittelfränkische CSU-Politiker in der ARD. Vorgegeben sei aber nichts. „Wir sehen einige Spinnereien bei den Grünen, aber nun wollen wir mal beginnen, miteinander zu reden.“

Lindner schließt CDU-Finanzminister aus

Kalkulierter Tabubruch: Obwohl Personalfragen erst ganz am Ende der Koalitionsverhandlungen behandelt werden sollen, legte sich FDP-Chef Lindner bereits fest: „Alles, nur kein CDU-Finanzminister“, sagte er vor Beginn der Sondierungen in der FAZ. Das Finanzministerium dürfe nicht wieder der verlängerte Arm des Kanzleramts sein, so der FDP-Partei- und Fraktionschef.

Dafür kassierte Lindner umgehend einen Rüffel von Unionsfraktionschef Volker Kauder: Der Merkel-Getreue ermahnte Lindner, die Gespräche nicht mit „roten Linien“ zu belasten. „Ich würde mal raten, ein sondierungsfreundliches Klima in allen betroffenen Parteien zu schaffen. Und das heißt, nicht jeden Tag dem anderen eine Wurst vor die Nase zu halten“, sagte Kauder. Man sei sich einig gewesen, „dass Personalfragen erst am Ende stehen sollten, nicht am Start“.