Der Solidaritätszuschlag soll wegfallen - aber nicht für alle. (Bild: imago images / Christian Ohde)
Steuern

Der Abbau des Soli rückt näher

Bei der Abschaffung des Solidaritätszuschlages deutet sich eine Einigung der Großen Koalition an. Das letzte Wort ist damit aber noch nicht gesprochen, denn Verfassungsrechtler äußern starke Zweifel am Konzept von Finanzminister Olaf Scholz (SPD).

Die schwarz-rote Koalitionsrunde hat sich laut CSU-Chef Markus Söder darauf geeinigt, die Pläne zum Abbau des Solidaritätszuschlags von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) als Gesetzentwurf ins Kabinett zu bringen. Andere Zwischenschritte werde es derzeit nicht geben, sagte Söder am Montag in Berlin. Dies bestätigte auch Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU).

Unkalkulierbare SPD

Söder betonte, die CSU sei der grundlegenden Überzeugung, dass der Soli ganz abgebaut werden müsse. Es sei aber klug, den Abbau des Zuschlags jetzt auf den Weg zu bringen, weil man nicht wisse, wie sich die SPD künftig zum Fortbestand der Koalition stellen werde. Er gehe zudem davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht den Vorstoß rasch kippen könne.

Eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags allein für 90 Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ist dauerhaft verfassungsrechtlich problematisch und auch nicht gerechtfertigt.

Peter Altmaier

Auch die CDU will den Soli lieber ganz abbauen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte kürzlich ein eigenes Konzept für eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags bis 2026 ins Gespräch gebracht, das er selbst aber nur als „Ergänzung“ des im Koalitionsvertrag Ausgehandelten bezeichnete. Altmaier schlug vor, dass auch Unternehmen und Top-Verdiener schnell entlastet werden. Der Grund: „Eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags allein für 90 Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ist dauerhaft verfassungsrechtlich problematisch und auch nicht gerechtfertigt“, sagte Altmaier.

Man habe den Menschen vor 30 Jahren versprochen, dass der Soli komplett abgeschafft werde, wenn die Notwendigkeit entfallen sei, sagte der Wirtschaftsminister. Es müsse den Menschen aber deutlich gemacht werden, dass die Bundesregierung nicht bei der teilweisen Abschaffung stehen bleibe. „Das würde die Glaubwürdigkeit der Politik beschädigen.“ Regierungssprecher Steffen Seibert betonte allerdings, eine vollständige Abschaffung sei eine Aufgabe für die nächste Legislaturperiode.

Polemik gegen „Millionäre“

Altmaiers Pläne zielen auf die strittigen Vorschläge von SPD-Finanzminister Scholz. Dieser will den Soli nur für 90 Prozent der Zahler streichen, weitere 6,5 Prozent sollen ihn ab 2021 nur teilweise zahlen – je höher das Einkommen, desto mehr. Eine komplette Abschaffung lehnt der Vizekanzler ab, auch weil sie den Bundeshaushalt mit mehr als zehn Milliarden Euro zusätzlich belasten würde. „Eine Steuersenkung für Millionäre“ stehe nicht auf der Tagesordnung, sagte er der Bild am Sonntag.

Scholz sieht in seinem Konzept eine Freigrenze bis 16.956 Euro Einkommensteuer (kinderloser Single) vor, also bis zu einem Bruttojahresgehalt von rund 61.000 Euro. Bis zu diesem Betrag soll kein Soli mehr fällig werden. Danach folgt eine gestaffelte „Milderungszone“ bis rund 96.000 Euro Jahresbruttogehalt (einige Medien berichten von 109.000 Euro). Die Scholz-Freigrenze und auch die „Gleitzone“ sind jedoch weit von angeblichen „Millionären“ entfernt.

Altmeiers Alternativ-Modell

Wird die Freigrenze überschritten, muss man jedoch – anders als bei Altmaiers Vorschlag – das gesamte Einkommen versteuern. Der CDU-Wirtschaftsminister schlägt dagegen vor, in einem „Abschmelzmodell“ den Solidaritätszuschlag bis 2026 schrittweise und letztlich vollständig abzuschaffen. Zur Gegenfinanzierung seien Maßnahmen wie zum Beispiel eine stärkere Priorisierung von Ausgaben, eine „kritische Überprüfung“ von Subventionen sowie eine Reduzierung von Bundesbeteiligungen denkbar, heißt es in dem Papier seines Ministeriums.

Die verbleibenden 10 Prozent der Zahler tragen 50 Prozent der Gesamtlast der Einkommensteuer.

Peter Altmaier

Durch die Scholz-Pläne würde eine Vielzahl von Unternehmen und Freiberuflern von einer Entlastung ausgeschlossen. Altmaier erinnerte die SPD daran, dass es dabei nicht um faule Superreiche, sondern um die Leistungsträger der Gesellschaft geht: „Viele von denen sind keine Millionäre.“ Das Modell von Scholz sei nicht ausreichend. „Zudem tragen die verbleibenden 10 Prozent der Zahler 50 Prozent der Gesamtlast der Einkommensteuer.“

Anders als Scholz setzt Altmaier auf Freibeträge, die im Gegensatz zur Freigrenze allen, wenn auch unterschiedlich, zugute kommen. Wer im Jahr 2021 weniger als 16.988 Euro Einkommensteuer entrichtet, soll nach Altmaier keinen Soli mehr bezahlen. Bei allen anderen verringert sich aber die Steuerbemessungsgrundlage entsprechend. Trotz Überschreitung des Freibetrags muss also nicht das gesamte Einkommen versteuert werden. Dieser Freibetrag soll nach Altmaiers Plänen 2024 auf 50.000 Euro Einkommensteuer steigen, Kapitalgesellschaften sollen dann vollständig entlastet werden. In einer dritten Stufe soll der Soli dann 2026 für alle wegfallen.

Kritiker formieren sich

Der CDU-Wirtschaftsrat verlangte von den Unions-Spitzen, im Streit mit der SPD über den Abbau des Solidaritätszuschlags hart zu bleiben. „Die Union kann nicht wieder klein beigeben“, sagte der Generalsekretär des Verbandes, Wolfgang Steiger. Ein solch einseitiger „Kompromiss“ würde am Ende bei der Abschaffung des Solidaritätszuschlages den Mittelstand ausschließen.

Angesichts der zerbrechlichen Konjunktur und des sich verschärfenden internationalen Steuerwettbewerbs ist das nicht sinnvoll.

Andreas Peichl, ifo

Warnungen gab es auch aus der Wissenschaft: Das ifo Institut hat den Gesetzentwurf zur Abschaffung des Solis für über 90 Prozent der Steuerzahler zwar als „ersten Schritt“ begrüßt. „Aber der Vorschlag lässt nicht nur gut verdienende Manager und Freiberufler außen vor, sondern auch große Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften. Angesichts der zerbrechlichen Konjunktur und des sich verschärfenden internationalen Steuerwettbewerbs ist das nicht sinnvoll“, sagt der Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen, Andreas Peichl. Deshalb sollte die vollständige Abschaffung des Soli möglichst schnell folgen.

Gutachten: Teilweiser Abbau verfassungswidrig

Der in der großen Koalition vereinbarte teilweise Soli-Wegfall erst ab 2021 verstößt nach einem verfassungsrechtlichen Gutachten im Auftrag der FDP-Fraktion gegen das Grundgesetz, sagte der Gutachter und ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier. Nach dem Auslaufen des Solidarpakts II Ende des Jahres sei die Soli-Erhebung nicht mehr zu rechtfertigen. Nach Ansicht von Papier ist der Solidaritätszuschlag für Ausnahmesituationen vorgesehen und deswegen tendenziell vorübergehend.

Wie im Fall der Kernbrennstoffsteuer ist die Gefahr real, dass der Bund zu milliardenschweren Steuerrückzahlungen verurteilt wird.

Kay Scheller, Bundesrechnungshof

Auch der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, zweifelt an der rechtlichen Grundlage für einen Fortbestand des Soli. „Die Grundlage für den Solidaritätszuschlag fällt Ende 2019 weg. Wie im Fall der Kernbrennstoffsteuer ist die Gefahr real, dass der Bund zu milliardenschweren Steuerrückzahlungen verurteilt wird.“ Der Jurist spielte damit auf die zu erwartenden Klagen derer an, die nach dem Willen der SPD den Soli weiter zahlen müssten. Ein entsprechendes Urteil würde dann ein erhebliches Loch in die Finanzplanung des Bundes reißen.

(dpa/BK)