Die SPD-Titanic auf Linkskurs in den Untergang: Motivwagen beim Kölner Rosenmontagszug. (Foto: Imago/Noah Wedel)
Bundestag

Union wehrt sich gegen SPD-Linksruck

Die SPD verunsichert Deutschland mit einem Linksschwenk und dem Gerede vom Koalitionsbruch. Ein Jahr nach der Regierungsbildung wäre seriöse Arbeit angesagt statt leerer Drohungen, meinen CSU-Landesgruppenchef Dobrindt und Gesundheitsminister Spahn.

Kurz vor dem Koalitionsgipfel von CDU, CSU und SPD an diesem Donnerstag haben Spitzenpolitiker der Union Spekulationen der SPD über einen vorzeitigen Bruch der Bundesregierung scharf kritisiert. Der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten, Alexander Dobrindt, sagte in der Bild-Zeitung: „Vertrauen gewinnt man mit guter Arbeit, nicht mit Diskussionen über das Ende der Koalition und der Flucht aus der Verantwortung.“ Auch die SPD solle die Erfolge der Regierungsarbeit selbstbewusst vertreten, „anstatt ständig Debatten über ein frühzeitiges Ende der Koalition anzuzetteln“.

Die SPD arbeitet sich verdächtig nah an die Linkspartei heran. Das ist mehr als ein Linksruck, da ist eine Flucht nach links zu spüren.

Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag

In den vergangenen Wochen vollführte die SPD einen scharfen inhaltlichen Linksschwenk weit jenseits der Koalitionsvereinbarung, der anscheinend den Zweck hat, Sollbruchstellen in der Großen Koalition zu erzeugen. Milliardenschwere Grundrente ohne Bedarfsprüfung, Abkehr von Hartz IV und dem Prinzip „Fordern und Fördern“ hin zur überholten Sozialhilfe alten Musters sowie ein Entwurf für ein Klimaschutzgesetz, das die SPD-Umweltministerin zu einer Art letzten Instanz bei allen Gesetzen machen würde.

Flucht nach links

Angesichts dieser Gemengelage kritisierte Dobrindt, die SPD arbeite sich „verdächtig nah an die Linkspartei“ heran. „Das ist mehr als ein Linksruck, da ist eine Flucht nach links zu spüren“, analysierte er. So sei der Vorstoß für eine Grundrente ohne Bedarfsprüfung eine gezielte Provokation zur Herbeiführung eines Rentenstreits.

Dazu passt auch, wie begierig Teile der SPD den Rückzug von Sahra Wagenknecht von der Spitze der Bundestagsfraktion der Linkspartei aufnahmen. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner sah nun mögliche Chancen für neue Bündnisse seiner Partei. „Eine personelle Neuorientierung an der Spitze der Bundestagsfraktion der Linkspartei erleichtert es möglicherweise in der Zukunft, die Potenziale für eine progressive Regierungskoalition diesseits der Union auch zu realisieren“, sagte Stegner der Deutschen Presse-Agentur. „Diese Option war mit Sahra Wagenknecht an der Spitze immer eher theoretischer Natur.“ Auch Simon Vaut, SPD-Europakandidat aus Brandenburg, sprach von einer „guten Nachricht“. Rot-Rot-Grün sei nun „wieder ein bisschen wahrscheinlicher geworden“.

Unseriöses Versteckspiel des SPD-Finanzministers

Dazu kommen die „Einsparpläne“ von SPD-Finanzminister Scholz, die nicht etwa die neuen massiven Ausgabenphantasien seiner SPD-Kollegen einbremsen, sondern ausschließlich die von CDU und CSU besetzten Ressorts Verkehr, Wirtschaft und Verteidigung treffen würden. Dann wäre kein Geld mehr da für die Reparatur von Straßen und Brücken, die Verbesserung der Bundeswehr und die Forschungsförderung für Künstliche Intelligenz. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte dem SPD-Finanzminister deshalb vorige Woche vorgeworfen, er wolle unionsgeführte Ministerien „ausbluten“ lassen, fördere aber teure SPD-Sozialprojekte.

Wir müssen uns ehrlich machen, wie viel Spielraum haben wir.

Paul Ziemiak, CDU-Generalsekretär

Das SPD-geführte Bundesfinanzministerium hatte den anderen Ressorts nur ihre jeweiligen Eckwerte mit den Einsparplänen geschickt, keinen Gesamtplan. Die Union ist misstrauisch, weil das Finanzministerium einerseits über ein Loch von fast 25 Milliarden Euro in der Haushaltsplanung bis 2023 klagt, Scholz andererseits aber darauf beharrt, die milliardenschwere Grundrente sei finanzierbar. Wenn es keine Einigung bei den Gesprächen von Scholz mit seinen Ministerkollegen oder spätestens im Koalitionsausschuss am Donnerstag gebe, dann könne der Etatentwurf nicht wie geplant am 20. März im Kabinett beschlossen werden, verlautete aus der Unionsfraktion.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak forderte SPD-Finanzminister Olaf Scholz auf, unverzüglich Transparenz über die Finanzlage des Bundes zu schaffen. „Entweder sind die Spielräume begrenzt oder sie lassen noch mehr zu, als er uns bisher gesagt hat“, kritisierte Ziemiak den SPD-Minister. „Wir müssen uns ehrlich machen, wie viel Spielraum haben wir.“ Denn es gebe zusätzlichen Bedarf insbesondere für die Bereiche Sicherheit und Verteidigung.

Kein Wechsel

Ziemiak und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wiesen unisono Spekulationen über einen Wechsel im Kanzleramt als unbegründet zurück. „Ich sehe im Moment weder in der CDU noch in der SPD relevante Stimmen, die sich mit diesem Thema ernsthaft befassen“, sagte die CDU-Chefin in Reuters-TV. „Und das ist auch richtig so. Denn wir haben eine Kanzlerin. Und wir wollen – und ich an der Spitze will –, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt.“ Ziemiak unterstrich: „Es gibt keine Äußerung von relevanten Politikern, die jetzt einen Wechsel in irgendeiner Form an der Regierungsspitze fordern.“ Die meisten Menschen und auch CDU-Mitglieder wollten Sacharbeit und keine neue Personaldebatten.

Ich denke, die Menschen haben ein feines Gespür, dass die SPD allen alles verspricht, ohne zu sagen, wie sie es finanzieren will.

Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kritisierte im Münchner Merkur, Debatten über einen Koalitionsbruch kämen „immer nur aus der SPD“. „Die Koalition ist jetzt gerade mal ein Jahr im Amt. Nach einer Regierungsbildung, die sich so lange hingezogen hat wie nie zuvor, haben die Bürger Anspruch darauf, dass wir Probleme lösen und ihr Leben konkret besser machen, statt dauernd taktisch zu diskutieren.“ Spahn sagte weiter: „Ich denke, die Menschen haben ein feines Gespür, dass die SPD allen alles verspricht, ohne zu sagen, wie sie es finanzieren will.“

Unverständnis in CDU

Auch bei mehreren CDU-Ministerpräsidenten ruft die linksrhetorische SPD-Offensive Kopfschütteln hervor. Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) kritisierte die Diskussion als überflüssig. „Die Groko soll ihre Arbeit machen, es gibt viel zu tun und wenig zu spekulieren.“ Der saarländische Regierungschef Tobias Hans nannte das Verhalten führender Sozialdemokraten „unverständlich, unverantwortlich und koalitionsschädigend“.

Man hat mehr und mehr den Eindruck, dass sich die SPD auf Bundesebene als Regierungspartner auf die Zeit der Opposition vorbereitet.

Tobias Hans (CDU), Saar-Ministerpräsident

„Man hat mehr und mehr den Eindruck, dass sich die SPD auf Bundesebene als Regierungspartner auf die Zeit der Opposition vorbereitet“, sagte Hans. Die Frage nach einem vorzeitigen Wechsel an der Spitze der Bundesregierung „stellt sich jetzt nicht“, betonte der Ministerpräsident, „und ist auch im Grundgesetz an hohe Hürden geknüpft“. Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther sagte: „Ich kenne in Union und SPD niemanden, der über so ein Szenario ernsthaft nachdenkt. Jetzt gilt: Leistung bringen und keine sinnlosen Debatten führen. Das erhöht die Wahlchancen beträchtlich.“