Geringe Renten sollen aufgestockt werden – aber das muss im Gleichgewicht mit dem Generationenvertrag geschehen und für die junge Generation langfristig finanzierbar sein. (Symbolbild: Imago/Steinach)
Grundrente

Gegen „Rentenpolitik mit der Gießkanne“

Menschen mit geringem Einkommen erhalten meist nur eine geringe Rente. Doch die Pläne von SPD-Minister Heil für eine einheitliche Grundrente von 900 Euro stoßen bei CDU und CSU auf Widerstand: Zu teuer und zu wenig zielgerichtet, so die Union.

Der Widerstand gegen die Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für eine Grundrente wächst. Die Union kritisiert vor allem, dass die höhere Rente ausgezahlt werden soll, ohne dass der tatsächliche Bedarf geprüft wird. CSU- und CDU-Politiker bezeichneten Heils Pläne als viel zu teuer und nicht zielgerichtet. „Sein Konzept einer Aufstockung von Rentenanwartschaften ohne Bedarfsprüfung ist Rentenpolitik mit der Gießkanne“, sagt der sozial- und rentenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stephan Stracke.

Höhere Renten für alle?

Die Pläne von Arbeitsminister Heil sehen vor, dass Millionen Geringverdiener nach einem langen Arbeitsleben automatisch höhere Renten bekommen sollen. Kleine Renten sollen um bis zu 447 Euro im Monat aufgestockt werden, auf eine einheitliche Höhe von etwa 900 Euro. Zustehen soll die Grundrente all jenen, die mindestens 35 Jahre mit Beitragszahlung, Kindererziehung oder Pflegetätigkeit aufweisen. Das beträfe mehrere Millionen jetzige und künftige Rentner. Heil rechnet mit Kosten in mittlerer einstelliger Milliardenhöhe pro Jahr. Finanziert werden soll das nach Heils Plänen aus Steuermitteln.

Die Grundrente von Herrn Heil gehört in die rentenpolitische Mottenkiste.

Stephan Stracke

„Von ihr würden auch viele teilzeitarbeitende Menschen profitieren, die auf keine finanzielle Unterstützung angewiesen sind“, konkretisiert Stracke. „Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber der Rentenreform 1992 die bestehende Aufstockung von geringen Rentenanwartschaften auf Zeiten bis 1991 beschränkt und damit langfristig auslaufen lassen – und zwar damals mit den Stimmen der Sozialdemokraten. Minister Heil will dieses milliardenschwere Instrument wiederbeleben und aus Steuermitteln finanzieren, ohne selbst eine Aussage zu den Kosten zu machen.“

Auch Merkel kritisiert Minister Heil

Insbesondere moniert Stracke, dass SPD-Minister Heil auf die Bedürftigkeitsprüfung verzichten will, die im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Der CSU-Sozialpolitiker sieht angesichts dieser milliardenschweren Pläne Konflikte mit dem Vizekanzler und SPD-Finanzminister Olaf Scholz, der erst kürzlich vor einem Milliardenloch im Haushalt gewarnt hatte: „An dieser Stelle ist Bundesfinanzminister Scholz gefordert. Er muss sehr zügig erklären, ob er bereit ist, das mittel- und langfristig auf viele Milliarden Euro anwachsende Konzept von Herrn Heil zu finanzieren. Wenn nicht, gehört die Grundrente von Herrn Heil in die rentenpolitische Mottenkiste.“

Es ist für die, die mit ihren Steuern die künftige Grundrente finanzieren, nicht vermittelbar, wenn auf eine Bedürfnisprüfung vollständig verzichtet wird.

Volker Ullrich

Auch der Chef der Christlich-Sozialen Arbeitnehmerschaft (CSA) und Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich kritisiert, in Heils Konzept fehlten wichtige Aspekte: Es greife insgesamt zu kurz, so Ullrich. „Es ist wenig nachvollziehbar und im Übrigen auch für diejenigen, die mit ihren Steuern die künftige Grundrente finanzieren, nicht vermittelbar, wenn auf eine Bedürfnisprüfung vollständig verzichtet wird. Zwar wollen wir den für viele belastenden Gang zu den Sozialämtern vermeiden, deswegen muss der Staat dennoch dafür Sorge tragen, dass andere Einkünfte berücksichtigt werden. Sonst sind am Ende die Streueffekte zu groß, manche sagen dazu auch zu Recht Gießkannenprinzip“, sagt der CSA-Chef.

Die Kanzlerin legt Wert darauf, dass die Positionen des Arbeitsministers und des Finanzministers zusammengeführt werden.

Martina Fietz, stellvertretende Regierungssprecherin

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ klarstellen, sie erwarte eine Klärung zur Finanzierbarkeit der geplanten Grundrente. Finanzminister Scholz habe nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die langen Jahre hoher Steuereinnahmen nicht als selbstverständlich anzusehen seien, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz. Daher lege die Kanzlerin Wert darauf, „dass die Positionen des Arbeitsministers und des Finanzministers zusammengeführt werden“. Voraussetzung für den Bezug der Grundrente solle dem Koalitionsvertrag zufolge eine Bedürftigkeitsprüfung sein. „Das ist die gemeinsame Arbeitsgrundlage der Koalition.“

Milliardenschwere Zusatzausgaben befürchtet

CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will Heils Pläne im Moment nicht abschließend bewerten, verweist aber wie Ullrich und Stracke auf den Koalitionsvertrag. Söder erklärte, eine Frage sei, was eine Aufstockung der kleinen Renten koste und wie sie bezahlt würden. Eine zweite Frage sei die Gerechtigkeit und die Steuerungswirkung einer Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung. Das alles müsse man sich genau anschauen und auch sehen, was die Rentenkommission dazu sage, sagte Söder. Daher plädiere er im Moment für Zurückhaltung. „Für uns gilt der Koalitionsvertrag“, stellte der CSU-Chef aber klar.

Von Heils Grundrente würden auch viele teilzeitarbeitende Menschen profitieren, die auf keine finanzielle Unterstützung angewiesen sind.

Stephan Stracke

CSU-Sozialexperte Stracke fordert stattdessen eine Rückbesinnung auf den Koalitionsvertrag. Das von Heil Ausgearbeitete sei darin keineswegs so beschlossen: „Auch wir wollen die Lebensleistung von Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben, honorieren. Sie sollen ein regelmäßiges Alterseinkommen oberhalb des Grundsicherungsbedarfs erhalten. So haben wir es im Koalitionsvertrag verabredet. Hiervon weicht die Grundrente von Bundesminister Heil deutlich ab.“

Stabiler Generationenvertrag statt sozialistischer Gießkanne

Im Einzelnen kritisiert Stracke, von Heils Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung „würden auch viele teilzeitarbeitende Menschen profitieren, die auf keine finanzielle Unterstützung angewiesen sind“. Solche sozialistischen Umverteilungsmechanismen seien schon einmal gescheitert, erinnert der CSU-Sozialexperte: „Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber der Rentenreform 1992 die bestehende Aufstockung von geringen Rentenanwartschaften auf Zeiten bis 1991 beschränkt und damit langfristig auslaufen lassen, und zwar damals mit den Stimmen der Sozialdemokraten. Minister Heil will dieses milliardenschwere Instrument wiederbeleben und aus Steuermitteln finanzieren, ohne selbst eine Aussage zu den Kosten zu machen.“

Es sich die Frage, ob es nicht besser ist, die Grundrente der Rentenkommission zu übertragen.

Stephan Stracke

Falls sich Heil nicht besinnt, fordert Stracke Konsequenzen: „Wenn der zuständige Minister sich so weit vom Koalitionsvertrag verabschiedet, stellt sich überdies die Frage, ob es nicht besser ist, die Grundrente der Rentenkommission zu übertragen. Die Kommission hat die Aufgabe, Wege zu einer nachhaltigen Sicherung und Fortentwicklung der Alterssicherungssysteme ab dem Jahr 2025 zu finden und damit das Fundament zu schaffen für einen neuen, verlässlichen Generationenvertrag. Die Arbeit der Kommission darf nicht durch Alleingänge von Herrn Heil unterlaufen werden.“