Linksruck als Ausweg aus dem Tief? Andrea Nahles, SPD-Parteivorsitzende. (Bild: Imago/Reiner Zensen)
Hartz IV

Vorwärts Genossen, wir müssen zurück!

Kommentar Die SPD verabschiedet sich von Hartz IV, das sie vor wenigen Jahren selbst eingeführt hatte. Stattdessen will sie Wohltaten verteilen, deren Finanzierung mehr als fraglich ist. Aus der Union kommt harte Kritik an den roten Sozialstaatsplänen.

Nach jahrelangen Debatten will die SPD das von ihrem Kanzler Gerhard Schröder eingeführte Hartz-IV-System abwickeln. Durch Hartz IV war 2005 die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt worden, um die Abgabenlast von Bürgern und Unternehmern zu drücken und den Arbeitsmarkt flexibler zu machen.

Abschied vom Erfolg

An die Stelle von Hartz IV – einem der wenigen echten Erfolge von SPD-Bundesregierungen – soll ein Bürgergeld-Modell treten, mit weniger Sanktionen bei Auflagenverstößen. Fördern und Fordern, dieses entscheidende Prinzip wird aufgegeben, auch wenn nicht alle Mitwirkungspflichten entfallen sollen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer stellte zurecht die Frage, warum jemand, der „jeden Tag arbeitet, mit seinen Steuergeldern jemand solidarisch unterstützen soll, von dem wir dann nicht einmal mehr verlangen, dass er zum Beispiel die Meldepflichten, die er hat, oder die Pflicht, die er hat, auch an Maßnahmen teilzunehmen, wahrnimmt“.

Wer lange eingezahlt hat, soll nach dem Willen der SPD obendrein bis zu drei Jahre Arbeitslosengeld bekommen, statt heute nach 12 oder 24 Monaten in die Sozialhilfe zu fallen. Das würde letztlich aber nur die Arbeitslosigkeit wieder verfestigen und eine Frühverrentungswelle auslösen. CSU-Chef Markus Söder hat deshalb den Plänen der SPD zu weitreichenden Sozialreformen eine klare Absage erteilt. Man werde diese Wege „so nicht mitgehen“, sagte der bayerische Ministerpräsident. Hartz IV sei ein „Erfolgsmodell“.

Das Programm von Frau Nahles würde Deutschland zum Sanierungsfall machen.

Markus Blume, CSU

Zudem will die SPD das „Recht auf Arbeit“ stärken. Arbeitslose sollen schon nach drei Monaten ein Recht auf Weiterbildung bekommen – darüber kann man sicher reden. Außerdem wollen die Sozialdemokraten aber ein Recht auf Arbeit von zu Hause („Homeoffice“) durchsetzen, was jedoch in vielen Branchen gar nicht realisierbar ist. Welcher Lastwagenfahrer, welcher Polizist, welcher Arzt oder welcher Handwerker könnte von zuhause aus arbeiten? Die SPD will zudem den Mindestlohn auf zwölf Euro erhöhen und tarifgebundene Unternehmen steuerlich besserstellen – eine Anbiederung an die Gewerkschaften und ein Eingriff in die Tarifautonomie.

Bei der SPD-Klausur zu Beginn dieser Woche ging es auch um das Konzept einer Grundrente von Arbeitsminister Hubertus Heil für Geringverdiener, die 35 Jahre lang Beiträge gezahlt haben. Die Union pocht hier auf Bedürftigkeitsprüfungen, ansonsten fürchtet sie hohe Kosten von rund fünf Milliarden Euro im Jahr. Und sie warnt vor Ungerechtigkeiten: Denn warum sollte etwa jemand mit niedriger Rente, aber Mieteinnahmen aus Grundbesitz, eine Aufstockung erhalten?

Finanzierung aus der roten Mottenkiste

SPD-Chefin Andrea Nahles zeigte sich trotz Warnungen des Bundesfinanzministers Olaf Scholz (SPD) vor sinkenden Steuereinnahmen überzeugt, dass das gesamte Konzept finanzierbar sei. Wie genau, das blieb bei der SPD offen, wie schon so oft. So wiederholte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im ZDF eine SPD-Uralt-Forderung, für den Erhalt des Sozialstaates müsse man „auch Superreiche zur Verantwortung ziehen“. Und, so Klingbeil weiter: „Die Vermögensteuer ist ein Punkt, über den wir als SPD nachdenken.“ Diese ist jedoch vom Bundesverfassungsgericht 1995 als mehr oder weniger verfassungswidrig und vom ifo-Institut 2017 als bürokratische Wachstumsbremse inklusive Milliardenkosten eingestuft worden.

Wohlstand muss erst einmal erwirtschaftet werden, um dann verteilt werden zu können.

Albert Füracker, CSU

„Die SPD bleibt sich treu: Steuererhöhungs-Partei-Deutschland“, kommentierte denn auch Bayerns Finanzminister Albert Füracker. „Steuererhöhungen, um teure Sozialleistungen zu finanzieren, sind angesichts wachsender konjunktureller Risiken der falsche Weg. Wohlstand muss erst einmal erwirtschaftet werden, um dann verteilt werden zu können“, so Füracker weiter. Eine Reform der Unternehmensbesteuerung sei der bessere Weg. Recht hat er: Denn nicht nur die USA haben die Körperschaftsteuer massiv gesenkt, sondern auch Frankreich und Großbritannien. Deutschland rückt dadurch immer mehr in die Gruppe der Hochsteuerländer und verliert international an Wettbewerbsfähigkeit.

Bayern hat bereits im September 2018 unter anderem eine Steuergutschrift auf Personalkosten im Bereich Forschung und Entwicklung vorgeschlagen. Dadurch könnten Innovationen gefördert werden. Ideen und Erfindungen sind letztlich der einzige „Rohstoff“, den Deutschland noch zu bieten hat.

Union mit scharfer Kritik

„Die SPD plant die Beerdigung der sozialen Marktwirtschaft“, sagte CDU-Vizechef Volker Bouffier der Funke-Mediengruppe. „Mit ihrem Wunsch, wieder Wähler zu gewinnen, hat sie sich für einen strammen Linkskurs entschieden.“ Zweifellos: Die Abkehr von der Agenda 2010 und die weiteren Pläne sind eine Rolle rückwärts in Zeiten von hoher Arbeitslosigkeit und wenig Wirtschaftswachstum.

Die SPD plant die Beerdigung der sozialen Marktwirtschaft.

Volker Bouffier, CDU

Die SPD-Funktionäre sind in Panik, die vielen Wechsel an der Parteispitze haben den Niedergang nicht aufgehalten. In aktuellen Umfragen erreicht die SPD nur noch 15 bis 17 Prozent der Wähler, in Bayern sogar nur noch 6 Prozent. Im Mai stehen die Europawahl und die Bürgerschaftswahl im seit Ewigkeiten rot regierten Bremen an, im September und Oktober Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen.

Die rote Führungsriege macht aber stets den gleichen Fehler: Nicht Hartz IV ist die Ursache für den Niedergang der Genossen, sondern die Annäherung an die elitäre Politik der Grünen. Höhere Steuern, Dieselfahrverbote, höhere Strompreise, all das trifft nicht die Gutverdiener hart, sondern die Arbeiter- und Mittelschicht.

Der frühere Münchner SPD-OB Christian Ude mahnte zudem vor kurzem, insbesondere bei der Migrationspolitik müsse sich seine Partei von der (grünen) Politik der moralisierenden Beobachtungs-, Denk- und Frageverbote lösen. Denn: Fast in allen Bereichen, wie etwa bei Sozialwohnungen und Arbeitsplätzen, treten Migranten in Konkurrenz zur SPD-Stammwählerschaft. Auch die SPD-Idee „Mehr Europa“ in Form von Schulden-Vergemeinschaftung und europäischer Arbeitslosenversicherung würde letztlich nur dem deutschen Steuerzahler schaden. Solange die SPD-Führung das nicht begreift, geht der Absturz weiter.