Ein Zug der „Rollenden Landstraße“ (RoLa) am Brennerpass. Mit dem Brenner-Basistunnel geht alles wesentlich schneller – aber nur, wenn auch der Zulauf auf deutscher Seite ausgebaut wird. (Foto: Imago/Ralph Peters)
Brenner-Tunnel

Grüne attackieren Brenner-Nordzulauf

Kommentar Die Grünen machen mobil gegen einen leistungsfähigen Ausbau der Bahnstrecke München-Rosenheim-Brenner. Der Angriff auf die Eisenbahnverbindung nach Italien unterstreicht die Rolle der Grünen als verkehrspolitische Totalverweigerer.

Am Brenner-Basistunnel wird eifrig gebaut: Die Fertigstellung ist für 2025, die Einweihung für 2026 vorgesehen. Ein Meilenstein im europäischen Bahnverkehr ebenso wie im Alpentransit allgemein soll dies werden, mit knapp neun Milliarden Euro Kosten und mit 64 Kilometern Gesamtlänge zwischen Innsbruck und Franzensfeste (Fortezza) die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt. Und vor allem eine starke Entlastung für Mensch und Natur im Inntal, weil danach im Endeffekt weniger Lkw die Alpen überqueren. Die Reisezeit zwischen Innsbruck und Bozen soll sich von heute zwei auf etwa eine Stunde halbieren.

Logisch: Wenn die Züge sich nicht mehr auf der von Kaiser Franz Joseph I. persönlich in Auftrag gegebenen und im Jahr 1867 fertiggestellten Strecke über den auf 1371 Metern Höhe gelegenen Brennerpass quälen müssen – mitsamt dem mühsamen mechanischen „Schubsen“ der Lokomotiven von einem Stromnetz ins benachbarte – wird die Eisenbahn wesentlich konkurrenzfähiger gegenüber dem Lkw sein. Einschlägige Umsteige-Angebote wie etwa die bereits seit 2012 bestehende „Rollende Landstraße“ („RoLa“) zwischen Trient (Trento) und Regensburg könnten dann deutlich schneller verkehren. Der Brenner-Basistunnel wird den Güterzügen 624 Höhenmeter (Franzensfeste-Brenner) sparen, sie können dann mit einer statt bisher mit zwei oder drei Lokomotiven betrieben werden.

Massivem Anstieg des Transitverkehrs wirksam begegnen

Denn der Trans-Alpin-Verkehr, vor allem der Güterverkehr, wächst rasch: Die Staatsregierung geht davon aus, dass der Güterverkehr bis 2030 voraussichtlich um 41 Prozent steigen wird. Bayern will den Zuwachs der Lkw-Fahrten auf der Straße stoppen und den Anteil der Waren, die auf dem Schienenweg über die Alpen gebracht werden, jährlich um zehn Prozent steigern. Bayerns Verkehrsministerin Ilse Aigner (CSU) setzt auf „intelligente Lösungen für einen kombinierten Verkehr“. Beispielsweise den stärkeren Einsatz der Umladung von Containern, Sattelaufliegern oder ganzen Lkw („RoLa“) auf die Bahn.

Umso mehr überrascht die jüngste Einlassung der Grünen, die an den Planungen für die nötigen Ausbaumaßnahmen auf deutscher Seite kein gutes Haar lassen – und da geht es nicht nur um Details, ob der Brennerzulauf nun westlich oder östlich um Rosenheim, Kolbermoor und/oder Brannenburg verlaufen soll, sondern die Grünen stellen offenbar gleich die Sinnhaftigkeit des ganzen Projekts in Frage. Dass das erhoffte starke Anwachsen des Bahnverkehrs nicht oder nicht nur auf der bestehenden Inntal-Strecke abgewickelt werden kann, sollte eigentlich klar sein. Ebenso klar ist natürlich, dass um der Anwohner willen die schonendste Strecke mit den modernsten Lärmschutz- und Landschaftsschutzmaßnahmen aus den zwölf vorgelegten Varianten ausgewählt werden muss. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat das unter anderem in der BR-Wahlarena in Bad Aibling erneut versprochen und eine raschere und konkretere Planung der Bahn angemahnt.

Grüne Skepsis sogar gegenüber wachsendem Güterverkehr auf der Schiene

Doch der grüne Bahnexperte Matthias Gastel tritt gleich das ganze Projekt verbal in die Tonne. Die bisher zurückhaltenden, konservativen Schätzungen des Bundesverkehrsministeriums – Auslastung von 85 Prozent auch im Jahr 2026, dem Jahr der Einweihung des Brennerbasistunnels – nimmt er zum Anlass, zu unterstellen, die Erweiterung der Kapazitäten im Nordzulauf sei insgesamt nicht nötig. Es sei „schleierhaft, wie die Bundesregierung den Aus- und Neubaubedarf für den Brennernordzulauf im Inntal begründen will“, kritisiert Gastel in der SZ. Allerdings übersieht er dabei, dass ein Verkehrsträger wie die Eisenbahn erst einmal attraktiv ausgebaut werden muss, um Kapazitäten von der Straße anzulocken – wie etwa in der Schweiz zu beobachten ist. Umgekehrt jedenfalls verwenden die Grünen die Behauptung sehr häufig und gern als Argument gegen neue Straßen, dass neue Verkehrswege neuen Verkehr generieren.

Hier zeigt sich das grundsätzliche Unverständnis der Grünen im Hinblick auf Verkehrsdynamik und Wirtschaft. Schon im Wahlprogramm der Grünen war aufgefallen, dass sie keinerlei Verkehrswege-Neubauten wollen: weder bei der Straße – Auto und Lkw sind seit jeher ein ideologischer Hauptfeind der Grünen – aber überraschenderweise auch nicht bei der Bahn. Die Grünen erweisen sich erneut als selbstzufriedene Partei der satten Besserverdiener und Fortschritts-Skeptiker. Dass sie den Zuwachs an Güterverkehr aber nun schon bei der Bahn ablehnen oder ihm kritisch gegenüberstehen, ist allerdings nochmals eine ganz neue Dimensionen.