Im Bau: Der Brennerbasistunnel. (Bild: www.bbt-se.com)
Brenner

Nordzulauf unter die Erde

2028 soll der Brennerbasistunnel in Betrieb gehen. In Bayern wird allerdings noch über die Zulaufstrecken zu dem Schienenprojekt gestritten. Nun hat die Bahn das umfangreiche Planungsverfahren auf fünf Trassenvarianten eingegrenzt.

Die Österreichische Bundesbahn ÖBB und die Deutsche Bahn (DB) planen gemeinsam im Raum Kufstein-Rosenheim den Nordzulauf zum Brennerbasistunnel (BBT). Seit vergangenem Jahr wurden zusätzlich 110 Planungsvorschläge von Anwohnern geprüft.

Die bestehende zweigleisige Strecke wird auf lange Sicht gesehen das Güterverkehrswachstum nicht mehr aufnehmen können.

Die Bahn

Nun haben die Deutsche Bahn und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer fünf bevorzugte Grobtrassen für den Brenner-Nordzulauf vorgestellt. Der Ausbau der Bestandsstrecke, wie von Bürgern der Region erhofft, spielt dabei keine Rolle mehr. Dies sei intensiv geprüft worden. „Und die klare Antwort: Nein, das ist es nicht“, sagte der Projektleiter der Bahn, Torsten Gruber am Montag in Rosenheim.

Ausbau hat dreifachen Nutzen

Scheuer ging schon bei seinem letzten Besuch in der Region im Januar davon aus, dass ein „kompletter Neubau“ nötig ist. „Die bestehende zweigleisige Strecke wird auf lange Sicht gesehen das Güterverkehrswachstum nicht mehr aufnehmen können“, schreibt jetzt auch die Bahn. „Dennoch bleibt die Forderung, dass insbesondere der Lärmschutz auf der Bestandsstrecke noch deutlicher verbessert werden muss als bisher geplant“, erklärte die Rosenheimer CSU-Bundestagsabgeordnete und verkehrspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Daniela Ludwig.

„Für eine künftige Trassierung der Neubaustrecke gilt, die Menschen vor Lärm zu schützen, die Eingriffe in die Umwelt so gering wie möglich zu halten und den Personen- und Güterverkehr auf der Schiene zukunftsfähig zu machen“, sagte Ludwig weiter. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat bereits die größtmögliche Flexibilität für einen effektiven Lärmschutz zugesagt. So sollen weite Teile der Neubaustrecke im Tunnel verlegt werden.

„Der Ausbau der Brennerbahn bringt einen dreifachen Nutzen. Mehr Nahverkehr für die Menschen vor Ort, schnellere Fernverkehrszüge nach Italien und mehr Güter auf der Schiene statt auf der Straße“, erklärte nun DB-Projektleiter Torsten Gruber. Das bedeute auch umweltfreundlichere Verkehre und Klimaschutz.

Bundesverkehrsminister Scheuer ergänzte, es müsse den Anliegen in der Region Rechnung getragen werden. Es gehe aber auch darum, Güterverkehr auf die Schiene zu bringen und internationale Verpflichtungen zu erfüllen. Andernorts freuten sich die Bürger über moderne Neubaustrecken. Auch sein bayerischer Kollege Hans Reichhart sowie Bayerns Bahnchef Klaus-Dieter Josel waren bei der Vorstellung dabei.

Fünf Grobtrassen

Die Bahn legte nach einer ersten Korridoreinteilung im letzten Jahr nun fünf konkretere Vorschläge für Grobtrassen vor. Zwei mögliche Strecken sehen die Bahnplaner östlich von Rosenheim, eine davon südlich von Rosenheim weitgehend im Tunnel. Beide Varianten knüpfen bei Niederaudorf an die bestehende Strecke im Inntal an. Im Norden verbinden sich beide Trassen bei Großkarolinenfeld beziehungsweise bei Aubenhausen.

Trassenvorschläge ohne Tunnellösungen sind nicht geeignet für eine mögliche Neubaustrecke.

Daniela Ludwig

Westlich von Rosenheim bei Kolbermoor gibt es drei Varianten. Tunnellösungen sind aber dort wegen der Bodenbeschaffenheit schwierig. Im Süden, wo das Inntal sehr eng wird, sehen dagegen mehrere Varianten Tunnel vor. Hier gibt es jeweils mehrere Möglichkeiten für Verknüpfungen mit der bestehenden Strecke. „Für mich ist klar: Trassenvorschläge ohne Tunnellösungen, egal, ob östlich oder westlich vom Inn, sind nicht geeignet für eine mögliche Neubaustrecke, um Züge möglichst nicht zu sehen und nicht zu hören. Sie lösen das Problem nicht und sind den Menschen in der Region nicht zuzumuten“, erklärte Ludwig. Eine „weitestgehende Untertunnelung“ müsse deshalb das Ziel sein.

„Von den nun ausgewählten fünf Grobtrassen enthalten vier Ideen von Bürgern aus der Region“, erklärte die Bahn. So haben die Bahnplaner auch den Vorschlag übernommen, eine Verknüpfungsstelle zwischen bestehender und neuer Strecke näher an die Autobahn zu legen – und weiter entfernt von Wohnbebauungen. Gleiches gilt für einen zusätzlichen Tunnelabschnitt östlich des Inns.

Fertigstellung nicht vor 2038

Die neue Strecke soll die Kapazitäten zum Brenner-Basistunnel, der zwischen Italien und Österreich unter dem Alpenhauptkamm verläuft, erweitern, der ab seiner geplanten Fertigstellung 2028 mehr Güter auf die Schiene bringen und die Brennerroute vom Lastwagenverkehr entlasten soll. Knapp 2,5 Millionen Lkw rollten 2018 über die Brennerroute – wieder rund 250.000 mehr als im Vorjahr. Auch der Personenverkehr soll profitieren.

Eine Neubaustrecke auf deutscher Seite könnte nach Schätzungen frühestens 2038 fertig sein. Bis dahin reiche noch die bestehende Strecke, die dafür modernisiert werden solle, hieß es jetzt bei der Vorstellung. Experten gehen allerdings davon aus, dass mit einem Bau überhaupt erst in zehn Jahren begonnen werden könnte, weil nach der politischen Entscheidung für eine Trasse noch die Klagen der Anwohner abgewartet werden müssen.

„Für unsere Region ist und bleibt das Projekt Brennernordzulauf eine gewaltige Herausforderung. Es ist unerlässlich, es intensiv zu begleiten und die Sorgen und konkreten Betroffenheiten der Bürger immer im Auge zu haben“, mahnte Daniela Ludwig.

Vor der endgültigen Entscheidung

Im nächsten Arbeitsschritt präzisieren die beauftragten Ingenieure bis 2020 die jeweiligen Höhenlagen der Gleise und stellen erste Überlegungen zu den erforderlichen Bauwerken an. Ziel ist, mit noch größerer Detailgenauigkeit die noch in der Auswahl befindlichen Varianten bewerten zu können. „Wir erwarten, dass viele Ängste und Sorgen weichen werden, weil wir in den kommenden Monaten die jetzt noch übrig gebliebenen Trassenverläufe viel konkreter planen und damit auch detaillierter mit der Region besprechen und bewerten können“, betonte DB-Projektleiter Gruber.

Unser oberstes Ziel ist es, mit möglichst langen Tunnelanteilen die Region zu entlasten.

Hans Reichhart

„Unser oberstes Ziel ist es, mit möglichst langen Tunnelanteilen die Region zu entlasten und gleichzeitig einen deutlichen Mehrwert beim Schienenpersonennahverkehr für das Inntal zu bekommen“, versprach Bayerns Verkehrsminister Reichhart. „Bürgerbeteiligung und Transparenz sind mir dabei besonders wichtig.“ Schon die Bewertungskriterien für die Auswahl wurden gemeinsam mit den Bürgern aus der Region entwickelt, darunter die Auswirkungen auf Menschen und Umwelt sowie Technik und Verkehr. Auch Landwirtschaft, Flächenverbrauch sowie Trinkwasser und Tourismus sind wesentliche Aspekte.

Die Einbindung der Öffentlichkeit erfolgt über einen strukturierten Dialog von bisher mehr als 200 Veranstaltungen mit repräsentativen Vertretern aus der Region. Hierfür haben sich seit Herbst 2015 die Gemeindeforen des gemeinsamen Planungsraumes im Inntal südlich von Rosenheim bis nach Österreich sowie des erweiterten Planungsraums rund um Rosenheim konstituiert. Vom 4. Juli bis zum 5. August veranstalten Bahn und ÖBB 16 Informationsausstellungen von Kufstein bis Großkarolinenfeld.

Der Brennerbasistunnel

Durch den auf Kosten von rund zehn Milliarden Euro geschätzten BBT können voraussichtlich täglich bis zu 400 Züge rollen. Mit einer Gesamtlänge von 64 Kilometern wird er die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt sein. Die Fahrt zwischen Innsbruck und Franzensfeste durch den BBT wird nur noch 25 Minuten dauern, bisher waren es 80 Minuten.

Für die EU ist der Brenner-Korridor einer der wichtigsten Routen zwischen Skandinavien und dem Mittelmeer. Das Ziel sind überall vier Gleise: Nach Eröffnung des zweigleisigen BBT bleibt auch die alte zweigleisige Strecke über den Brennerpass in Betrieb – insgesamt stehen also vier Gleise zur Verfügung. Dieses viergleisige System setzt sich auch in Italien fort.