Engpass: Blick vom Patscherkofel in das Inntal mit Innsbruck und der Nordkette. (Bild: imago images/Michael Kristen)
Verkehr

Ins Allgäu anstatt nach Kitzbühel

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kritisiert die Verkehrssperren in Österreich und hält Urlaub in Bayern für eine Alternative. Um den Konflikt beizulegen, ist eine Korridormaut für den Brenner im Gespräch, die die Zahl der Lkws verringern soll.

Im Verkehrsstreit mit Österreich hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das Vorgehen der Nachbarn mit den regionalen Fahrverboten angeprangert und bayerische Ferienziele als Alternative hervorgehoben. „Ich finde das Verfahren der Tiroler und der Salzburger keinen guten Stil. Es bringt Freundschaften durcheinander und führt zu langfristigen Verwerfungen zwischen Regionen“, sagte Söder der Deutschen Presse-Agentur.

Die Blockabfertigung wird zu einem echten Sicherheitsrisiko und verstößt gegen Europarecht.

Markus Söder

„Wenn die österreichischen Freunde sagen: ‚Wir wollen keine bayerischen Autofahrer und Touristen bei uns‘, dann muss man das schweren Herzens respektieren. Zum Glück kann man im Allgäu, in Garmisch oder in Berchtesgaden genauso Skisport betreiben wie in Kitzbühel“, so Söder weiter. „Wenn man den klimasensibleren Wintersport bevorzugt, ist Bayern ohnehin die bessere Alternative.“

Klage gegen die Nachbarn

Söder verwies auch auf eine mögliche Klage gegen Österreich, die derzeit wegen der Fahrverbote und der Lkw-Blockabfertigungen überprüft wird. „Ich glaube, das ist ein ehrlicher Weg. Österreich hat ihn bei der Maut auch gewählt.“ Wien hatte unterstützt von den Niederlanden gegen die deutschen Maut-Pläne geklagt. Der Europäische Gerichtshof erklärte daraufhin kürzlich die Maut für rechtswidrig.

Das ist ein europäisches Thema und kann nicht nur durch Tirol entschieden werden.

Markus Söder

Der bayerische Ministerpräsident verlangte zugleich, Tirol müsse sich bei der Lkw-Blockabfertigung bewegen, die regelmäßig zu kilometerlangen Lastwagenstaus auf deutscher Seite führt. „Die Blockabfertigung wird zu einem echten Sicherheitsrisiko und verstößt gegen Europarecht“, sagte Söder. Das ganze Inntal brauche eine Entlastung. „Wir brauchen klügere Lösungen für eine der wichtigsten Transitstrecken in ganz Europa. Das ist ein europäisches Thema und kann nicht nur durch Tirol entschieden werden.“

Bahnausbau forcieren

Vor allem aber müsse der Ausbau der Schiene vorankommen. Anders sei die Transitfrage nicht in den Griff zu bekommen, betonte Söder. „Wir müssen die Verkehrssteuerung für den Alpen-Transit verbessern. Dazu braucht es einen massiven Ausbau des Konzeptes der rollenden Landstraße, also der Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Vor allem aber brauchen wir einen schnelleren Bau der Brennerzulaufstrecken. Der Bund sollte rasch Beschleunigungsgesetze für Bahnstrecken auf den Weg bringen. Nach jetzigen Planungen braucht es bis 2050. Das ist doch absurd.“

Die Bahntrasse auf deutscher Seite soll die Kapazitäten zum Brenner-Basistunnel erhöhen, an dem Österreich und Italien bauen und der ab 2028 mehr Güter auf die Schiene bringen soll. Auf deutscher Seite steht aber noch nicht einmal fest, ob eine neue Bahntrasse gebaut wird und wo sie verlaufen soll.

Zu viele Lkw durch Tirol

Tirol möchte insbesondere den Lkw-Verkehr über die viel befahrene Inntalautobahn und den Brenner gedrosselt sehen, etwa über eine Maut. Von einigen Maßnahmen sind aber auch Urlauber betroffen. So sind noch bis September Ausweichrouten im Raum Innsbruck an Wochenenden für den Urlaubsverkehr gesperrt. Dadurch soll die Bevölkerung wieder mehr Lebensqualität bekommen.

Ich werde nicht über unsere Fahrverbote diskutieren.

Günther Platter, Landeshauptmann Tirol

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sagte der Süddeutschen Zeitung, er werde an den Fahrverboten und der Blockabfertigung festhalten. Auch eine Zusage für die von Tirol geforderte höhere Lkw-Maut, die sogenannte Korridormaut, könne ihn in dieser Frage nicht umstimmen. Erst wenn diese auch umgesetzt sei und der Transitverkehr merklich zurückgehe, wäre er für eine Rücknahme der Straßensperren bereit. Platter machte klar: „Ich werde nicht über unsere Fahrverbote diskutieren.“ Da werde er keinen Millimeter nachgeben. Für Beschwichtigungstermine, die der Tiroler Bevölkerung keine Entlastung brächten, stehe er nicht zur Verfügung.

Platter fordert seit langem die Korridormaut, um die Lkw-Fahrten über die gesamte Brennerstrecke von München bis Verona teurer zu machen. Die Brennerroute gilt als billigste und auch deshalb meistbefahrene Nord-Süd-Verbindung für Lkw in den Alpen. 2018 waren es laut Tirol mehr als 2,4 Millionen Lkw – das sei mehr als über alle schweizerischen und französischen Alpenpässe zusammen. Höhere Kosten gelten als Stellschraube für eine Eindämmung des Verkehrs. Die deutsche Seite will ein Ende der Lastwagen-Blockabfertigungen und der Ausweichfahrverbote Tirols.

Bewegung im Streit

Der Verkehr über den Brenner muss besser geregelt werden – darüber sind sich alle einig. Vorschläge und Forderungen lagen bisher weit auseinander. Kurz vor einem Treffen deutscher und österreichischer Politiker am Donnerstag in Berlin schien es etwas Bewegung zu geben: Bayerns Ministerpräsident Söder zeigte sich offen für die Prüfung der von Tirol geforderten Korridormaut, die für Lkw eine höhere Maut bedeuten würde: „Die Lenkungswirkung einer Korridormaut sollten wir überprüfen.“ Und Platter brachte in der Augsburger Allgemeinen eine Anhebung der billigen Lkw-Dieselpreise in Österreich ins Gespräch. In der ARD wurden solche Pläne aber aus Wien dementiert.

Nach Berechnungen des Bundesverbands Güterverkehr, Logistik und Entsorgung, die dem Münchner Merkur vorliegen, müsste die deutsche LKW-Maut allerdings vervierfacht werden, um auf den österreichischen Durchschnitt von 73 Cent pro Kilometer zu kommen. Die Spediteure warnen davor, dass die Preissteigerung direkt an die Verbraucher weitergegeben wird.

EU kritisiert Österreich

Die Blockabfertigungen, mit denen Tirol an bestimmten Tagen die Einreise von Lkws beschränkt, bringen seit 2017 regelmäßig lange Staus auf bayerischer Seite – ein Dauerärgernis. Kürzlich bekam Deutschland hier Rückendeckung von der EU-Kommission. EU-Kommissarin Violeta Bulc missbilligte die Maßnahme und auch die Häufigkeit ihrer Anwendung.

(dpa/BK)