Mehrere hundert Menschen beteiligten sich am 70. Jahrestags des Staatsgründung Israels am Marsch des Lebens in Berlin unter dem Motto: "Von der Shoa zu neuem Leben. Nein zu Antisemitismus, Rassismus und Israelhass!" (Bild: Imago/Christian Mang)
Berlin

„Judenhass hat auch ein hässliches islamistisches Gesicht“

Erneut zeigt ein antisemitischer Vorfall in Berlin, dass vor allem die rot-rot-grün regierte Hauptstadt ein Problem mit muslimischem Judenhass hat. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung will, dass diese Übergriffe besser erfasst werden.

Erneut hat es einen offenbar antisemitisch motivierten Angriff in Berlin gegeben, den die Polizei bestätigte. Ein nichtjüdischer Israeli wollte seinem jüdischen Freund nicht glauben, dass es gefährlich ist, mit der traditionellen jüdischen Kopfbedeckung Kippa durch die Hauptstadt zu gehen. „Sowas passiert in Deutschland nicht, nicht mal in Berlin“, habe er erwidert, sagte er der Deutschen Welle. Also habe er mit einem Freund ein Experiment gewagt. Beide seien im Stadtteil Prenzlauer Berg mit Kippa unterwegs gewesen.

Ich wollte (…), dass die Deutschen sehen, (…) wie schrecklich es ist, in diesen Tagen als Jude durch Berlins Straße zu laufen.

Opfer des antisemitischen Angriffs

„Keine fünf Minuten“ später beleidigten drei Männer ihn und seinen Begleiter heftig, berichtet der Israeli. Als die Beschimpfungen nicht endeten, habe der Freund ihnen gesagt, sie sollten damit aufhören. „Dann wurden sie sauer, einer von ihnen rannte auf mich zu.“ Er schlug mit einem Gürtel auf den 21-jährigen Israeli ein. Das Opfer filmte den Angriff. „Ich wollte einen Beweis für die Polizei haben und dass die Deutschen sehen, ja im Grunde, dass die Welt sieht, wie schrecklich es ist, in diesen Tagen als Jude durch Berlins Straße zu laufen.“ Auf arabisch rief der Angreifer: „Tu das Handy weg. Du bist ein jüdischer Bastard“, dann mehrfach: „Jahudi“ (arabisch für Jude). Es kam zum Handgemenge, bis der Angreifer von einem Begleiter weggeschoben wurde. Das Opfer wollte den Täter festhalten. Daraufhin habe der Schläger versucht, den Verfolger mit einer Flasche zu attackieren. Eine Zeugin ging dazwischen. Der 21-Jährige wurde leicht verletzt. Der mutmaßliche Täter hat sich inzwischen gestellt: Er ist ein Flüchtling aus Syrien.

Keine Einzelfälle

Der Angriff fällt in eine Zeit, in der sich Berichte über antisemitische Vorfälle häufen, insbesondere in Berlin und insbesondere durch Muslime. So wurde in der Hauptstadt unlängst der Fall einer Zweitklässlerin bekannt, die an einer Grundschule von muslimischen Mitschülern wegen ihrer jüdischen Religionszugehörigkeit beschimpft wurde. Ein Mitschüler soll gedroht haben, sie umzubringen, weil sie nicht an Allah glaube. Der Vater des jüdischen Mädchens sagte zudem, dass einige Jungs aus muslimischen Elternhäusern auch andere Mitschüler bedrängten, egal ob sie Juden, Christen oder selbst Muslime (in der falschen Moschee) waren. Auch kursierte in einer WhatsApp-Gruppe der Grundschüler ein IS-Enthauptungsvideo.

Vor allem der muslimische Antisemitismus ist stärker, als es in der (Kriminal-)Statistik zum Ausdruck kommt

Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung

Der designierte Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte in der Welt, von seinen jüdischen Freunden höre er, dass nicht mehr der rechtsextreme Antisemitismus das große Problem sei: „Vor allem der muslimische Antisemitismus ist stärker, als es in der (Kriminal-)Statistik zum Ausdruck kommt.“ Klein weiter: „Judenhass hat auch ein hässliches islamistisches Gesicht und kann auch einen muslimischen Hintergrund haben.“ Antisemitismus sei in vielen islamischen Ländern verbreitet. „Der wird oft nach Deutschland mitgebracht. Das können wir nicht akzeptieren“ , sagte Klein. Berlin sei als Hauptstadt aber stärker im Fokus, weshalb mehr Fälle bekannt würden.

Ein Großstadt-Problem?

Eine nicht repräsentative Befragung von Lehrern der Berliner Bildungsverwaltung Mitte 2017 ergab, dass viele von ihnen von ihren Schülern fast täglich das Schimpfwort „Du Jude“ hören. Ein radikaler Islam werde laut den Lehrern zunehmend zum Pro­blem – nicht nur für Juden, sondern auch für Nichtgläubige, für Mädchen und für Homosexuelle. Bereits im April 2017 hatte ein 14-jähriger jüdischer Schüler eine Berliner Gemeinschaftsschule wegen muslimischen Angriffen verlassen.

Noch immer gibt es zu viele Moscheen in Deutschland, in denen Hass auf Juden und auf Israel gepredigt wird.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte im ZDF sowie in der Welt, er habe das Gefühl, dass antisemitische Vorfälle zunähmen, auch durch die neuen Flüchtlinge aus dem arabischen Raum und besonders in großstädtischen Milieus. „Hier hat offensichtlich Berlin eine leider führende Rolle.“ Es gebe mehrere antisemitische Strömungen. Der rechtsextreme Antisemitismus sei „leider nichts Neues“ und immer noch für die meisten Straftaten in dem Bereich verantwortlich. Hinzu komme ein „immer lauter werdender Antisemitismus von Teilen der politischen Linken“. Schließlich der Judenhass von Migranten, vor allem aus muslimischen Ländern, den sie „nicht an der Grenze zu Deutschland ablegen“ würden. „Er macht uns in der Tat im Moment am meisten Sorge“, sagte Schuster. Noch immer werde in „zu vielen Moscheen in Deutschland“ Hass auf Juden und Israel gepredigt.

Die Recherche- und Informationsstelle gegen Antisemitismus hat 2017 in Berlin 947 antisemitische Vorfälle erfasst, 60 Prozent mehr als 2016. Trotzdem sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) nach dem Angriff: „Antisemitismus gehört nicht zum Berlin, in dem wir leben wollen.“ Zum Alltag aber gehört er offenbar doch.