Ausgerechnet in Berlin, dem Ort der Wannseekonferenz 1942 zur "Endlösung der Judenfrage": Jetzt macht sich hier neuer Antisemitismus durch Muslime breit. (Bild: Imago/Reiner Zensen)
Muslime

Judenhass in Berliner Schule

Ein 14-jähriger Schüler hat eine Berliner Gemeinschaftsschule verlassen, weil er wegen seines jüdischen Glaubens von arabisch- und türkischstämmigen Mitschülern beleidigt und angegriffen wurde. Die Eltern werfen dem Schulleiter Tatenlosigkeit vor. Der muslimische Judenhass in Deutschland nimmt zu, so der Zentralrat der Juden.

Im Fall eines 14-jährigen jüdischen Jungen, der an einer Berliner Schule von muslimischen Mitschülern mehrfach antisemitisch beleidigt und angegriffen wurde und deshalb die Schule verließ, verlangt der Zentralrat der Juden Aufklärung. „Wenn die Berichte stimmen, ist das ein erschütternder Vorgang“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster dem Berliner Tagesspiegel. „Hier geht es um Antisemitismus übelster Art.“ Schuster forderte die Schulverwaltung auf, das Verhalten der Schulleitung genau zu untersuchen. Der Zentralrats-Chef appellierte an die muslimische Gemeinschaft, „den antisemitischen Tendenzen in ihren Reihen mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten“. Es könne nicht angehen, „dass in einem Teil der Moscheen in Deutschland Judenfeindlichkeit und Israelfeindlichkeit aktiv Vorschub geleistet wird“.

Harte Vorwürfe gegen die Schule

Die Eltern des Betroffenen werfen der Schulleitung vor, zu spät auf die Beleidigungen und Angriffe der türkisch- und arabischstämmigen Mitschüler reagiert zu haben. Die Mutter des Jungen hatte zuerst der englischsprachigen Zeitung The Jewish Chronicle von dem Vorfall berichtet. „Die Schulleitung hat überhaupt nicht reagiert. Wir haben ja nicht einmal einen Termin für ein Gespräch bekommen, obwohl das Mobbing sofort losging, als unser Sohn Anfang Dezember vergangenen Jahres in die Schule kam“, sagte der Vater dem Tagesspiegel. Obwohl die antisemitischen Beleidigungen nicht aufgehört hätten, habe der Schulleiter die Auseinandersetzung mit den Tätern aufgeschoben. Außerdem seien an der Schule auch andere rassistische oder homophobe Beleidigungen an der Tagesordnung gewesen.

Wir haben ja nicht einmal einen Termin für ein Gespräch bekommen, obwohl das Mobbing sofort losging.

Vater des jüdischen Schülers

In einem offenen Brief hat sich die Leitung der Berliner Gemeinschaftsschule nun entsetzt über den antisemitischen Vorfall an ihrer Schule gezeigt. Sie teilte auf ihrer Internetseite mit, dass sie gegen die mutmaßlichen Täter Strafanzeige erstattet habe. Außerdem wolle sie schulische Ordnungsmaßnahmen gegen die Jugendlichen einleiten. Der Vater des Schülers sagte jedoch, die Anzeige durch den Schulleiter nach dem tätlichen Übergriff auf seinen Sohn vor etwa drei Wochen sei erst erfolgt, „nachdem wir Druck gemacht hatten“. Laut Tagesspiegel haben an der Schule etwa 75 Prozent der Schüler eine andere Muttersprache als Deutsch, viele kommen aus türkischen oder arabischen Familien.

Unfassbarer Hass: „Juden sind alle Mörder“

Der jüdische Schüler soll bereits vor einigen Monaten von Mitschülern beleidigt worden sein, nachdem er von seiner Religionszugehörigkeit berichtet hatte, wie The Jewish Chronicle schrieb. „Du bist eigentlich ein cooler Typ, aber ich kann nicht mit dir befreundet sein“, soll einer der Mitschüler gesagt haben, sowie: „Juden sind alle Mörder.“

Schulleiter Uwe Runkel bestätigte dem Tagesspiegel lediglich den ersten Teil der Aussage. Vor rund zwei Wochen hatten den Berichten zufolge dann zwei Mitschüler den 14-Jährigen an einer Bushaltestelle in den Schwitzkasten genommen und mit einer Spielzeugpistole Plastikteile auf ihn geschossen. Bittere Ironie: Die Friedenauer Schule hatte sich 2016 dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ angeschlossen.

Leider ist das kein Einzelfall, wir hören immer wieder von solchen Angriffen.

Levi Salomon

„Leider ist das kein Einzelfall, wir hören immer wieder von solchen Angriffen“, sagte Levi Salomon, Sprecher und Koordinator des Vereins Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus, ebenfalls dem Tagesspiegel. Doch viele Betroffene scheuten sich, die Vorfälle öffentlich zu machen. „Wir bieten Beratung an und wissen deshalb, dass der Antisemitismus in Berlin nicht geringer geworden ist – im Gegenteil: Er ist wieder hoffähig, die Hemmungen sind gefallen.“ Es sei dringend an der Zeit, „dass die Bundesregierung einen Antisemitismus-Beauftragten einsetzt“. In der Tat häufen sich in den letzten Jahren wieder antisemitische Vorfälle.

Berlin als Brennpunkt

Der Ortsteil Friedenau im Westteil Berlins ist nicht zum ersten Mal Schauplatz antisemitischer Übergriffe. 2012 wurde der Berliner Rabbiner Daniel Alter dort am Bahnhof vor den Augen seiner siebenjährigen Tochter von mehreren vermutlich arabischstämmigen Jugendlichen brutal zusammengeschlagen. Sie bedrohten sogar noch die kleine Tochter – ganz in der Nähe der Friedenauer Gemeinschaftsschule.

All die Jahre, während sich Beamte und Geldgeber mit Anträgen, Projektbeschreibungen und Dokumentationen ‚gegen rechts‘ beschäftigen, hat sich der Antisemitismus unter arabischen, türkischen und muslimischen Einwohnern schleichend zu einem Alltagsphänomen entwickelt.

Ahmad Mansour, 2012

Damals schrieb der Extremismus-Experte Ahmad Mansour im Tagesspiegel: „Hier hat man sich seit bald 70 Jahren intensiv darum bemüht, Antisemitismus zu bekämpfen. Dass aber in arabischstämmigen, türkischstämmigen, ja generell in muslimischen Gemeinschaften in Deutschland endemischer Judenhass existiert, wird kaum gesehen.“ Das Wort „Jude“ sei unter diesen Jugendlichen zu einem der üblichsten Schimpfworte geworden, Vorurteile und Verschwörungstheorien grassierten. „All die Jahre, während sich Beamte und Geldgeber mit Anträgen, Projektbeschreibungen und Dokumentationen ‚gegen rechts‘ beschäftigen, hat sich der Antisemitismus unter arabischen, türkischen und muslimischen Einwohnern schleichend zu einem Alltagsphänomen entwickelt, das Juden daran hindert, in bestimmten Straßen sicher spazieren gehen zu können. Nicht allein das Wegsehen der Mehrheitsgesellschaft lässt den Antisemitismus dieser Milieus ungehindert blühen, sondern auch ihre erschreckende Naivität.“