Tausende Flüchtlinge treten die gefährliche Reise über das Mittelmeer an. Bild: Fotolia/kamasigns
Flüchtlingskrise

Bayern fordert mehr Einsatz von Bund und EU

Bayern will den Bund und die Europäische Union stärker in die Pflicht nehmen, um die steigenden Asylbewerberzahlen zu bewältigen – und zu reduzieren. Mit sieben bundespolitischen und neun europapolitischen Forderungen geht die Bayerische Staatsregierung in den bevorstehenden Asyl-Gipfel in Berlin am kommenden Donnerstag.

Vor dem Asyl-Spitzengespräch in Berlin am kommenden Donnerstag hat die Bayerische Staatsregierung vorgeschlagen, „die Rückführung der Asylsuchenden in neu zu schaffende europäische Asylzentren in Nordafrika, in denen ein europäischen Standards entsprechendes Prüfverfahren durchzuführen ist“, zu erwägen und möglich zu machen. Herausforderungen wie der gegenwärtige Asylantenstrom führten auch immer zum Einsatz neuer Instrumente, erläuterte Ministerpräsident Horst Seehofer in München: „Ich bin entschieden dafür, das in der EU weiter zu diskutieren und zu entwickeln.“ Er teile die entsprechenden Auffassungen von CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer, so der Ministerpräsident.

Bayerns Asylkosten: drei Milliarden Euro für zwei Jahre

„Wir brauchen Antworten, wie wir den Flüchtlingsstrom grundlegend reduzieren können“, forderte vor Beginn einer CSU-Präsidiumssitzung in München auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer: „Wer nur das Mehr an Asylbewerbern besser managen will, aber sich verweigert, das Weniger des Zustroms anzugehen, der gefährdet das gesellschaftliche Miteinander in unserem Land.“

Wir brauchen Antworten, wie wir den Flüchtlingsstrom grundlegend reduzieren können

Andreas Scheuer

Die Flüchtlingsherausforderung bringe Bayern an den Rand seiner finanziellen Möglichkeiten hatte zuvor auch Finanzminister Markus Söder gewarnt: In diesem und im nächsten Jahr werden die Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber den Freistaat etwa drei Milliarden Euro kosten.

Wiedereinführung der Visapflicht für die Westbalkan-Staaten

Der Reduzierung des Flüchtlingsstroms gilt denn auch die Forderung der Staatsregierung an die Bundesregierung, Albanien, den Kosovo und Montenegro in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufzunehmen. Außerdem solle sich Berlin auf europäischer Ebene für die Wiedereinführung der Visapflicht für die Staatsangehörigen von Albanien, Serbien, Montenegro, Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina einsetzen. Aus jenen südosteuropäischen Ländern kommen derzeit etwa 40 Prozent der Asylbewerber. Leistungen für Personen, die aus sicheren Herkunftsländern stammen, sollen gekürzt werden. Aufenthaltstitel für abgelehnte Asylbewerber in Berufsausbildung soll es nicht geben, um nicht „asylfremde Zuströme nach Deutschland“ noch zu verstärken.

Mit insgesamt sieben bundespolitischen und neun europapolitischen Forderungen geht die Staatsregierung in den Berliner Asyl-Gipfel von Bund und Ländern. Unter anderem fordert München, das Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge „wesentlich aufzustocken“. Denn derzeit kämpft die Behörde mit einem Rückstau von 220.000 noch nicht abgeschlossenen Asylverfahren, berichtete Innenminister Joachim Herrmann. Des weiteren soll sich die Bundesregierung noch stärker „strukturell finanziell“ an den Kosten der Unterbringung der Asylbewerber beteiligen.

Ich bleibe dabei: der Bund muss künftig Kosten für die Unterbringung von Asylbewerbern, über deren Asylantrag nicht binnen drei Monaten entschieden worden ist, komplett übernehmen.

Horst Seehofer, Bayerischer Ministerpräsident

Auch bei der Unterbringung, Versorgung und Betreuung sogenannter unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (UMF) will Bayern den Bund stärker in die Pflicht nehmen. Der Freistaat fordert darum die bundesweite Verteilung der Kinder-Flüchtlinge noch bevor Anfang 2016 ein entsprechender Gesetzentwurf des Bundesfamilienministeriums in Kraft treten kann. Bayern wünscht außerdem „eine hälftige Beteiligung des Bundes an den Kosten für unbegleitete Minderjährige“. Die können hoch sein: Manche Fälle kosten 40.000 bis 60.000 Euro im Jahr, erinnerte Seehofer. Für 2015 rechnen die Behörden mit 450.000 Asylanträgen.

Besserer Schutz der EU-Außengrenzen, Intensivierung der Schleierfahndung

Auf europäischer Ebene dringt Bayern auf den besseren Schutz der EU-Außengrenzen. Der Freistaat selber wird überdies die Schleierfahndung an den Landesgrenzen weiter intensivieren. Bayern erinnert nachdrücklich daran, dass das EU-Asylsystem nach Dublin III von allen Mitgliedsstaaten konsequent umgesetzt werden müsse. Die Praxis einiger Mitgliedstaaten, Flüchtlinge bei der Ersteinreise nicht zu registrieren, sei inakzeptabel. Gleichzeitig fordert die Staatsregierung von Berlin, sich in Brüssel für „eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Form von festen Verteilungsquoten einzusetzen“. So dürfe etwa Italien mit dem derzeitigen Flüchtlingsandrang nicht allein gelassen werden, betonte Seehofer: „Ich verstehe die Italiener, und sie haben von Bayern jede Unterstützung.“ Insgesamt halten sich derzeit etwa 76.000 durchreisende Flüchtlinge in Italien auf, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Niemand von ihnen wolle in Italien bleiben, so das Blatt.

Schließlich sollen sich Bund und EU mit den Instrumenten der Außenpolitik und wirtschaftlichen Zusammenarbeit der Fluchtursachen in den Herkunftsländern annehmen – in der Formulierung von Seehofer eine „mehr mittelfristige Aufgabe“. Bayern bittet darum die Bundesregierung, „sich auf europäischer Ebene für eine kohärente und konzentrierte außen- und Entwicklungspolitik der EU“ einzusetzen.

Es reicht nicht, sich nur auf Geld zu konzentrieren, ohne die zu Grunde liegenden Probleme anzugehen

Horst Seehofer

Seehofer warnte mit Blick auf das Gesamtpaket der bayerischen Forderungen: „Das wäre die Finanzierung in ein Fass ohne Boden und würde die Stimmung in der Bevölkerung zum schlechten wenden. Wenn wir nur Geld verteilen und alles andere bleibt wie es ist, dann sitzen wir in einem Vierteljahr wieder mit der Bundeskanzlerin zusammen, um zu sagen: das Geld reicht nicht.“

Grüne ignorieren hartnäckig die Realität

Die Grüne Landtagsfraktionschefin Margarete Bause nannte die Pläne „unverantwortliche Scharfmacherei“. Sie kritisierte insbesondere die Forderung von CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer nach Auffanglagern für Flüchtlinge in Nordafrika. Das sei der Versuch, sich abzuschotten und vor dem Elend der Flüchtlinge die Augen zu verschließen, so Bause. „Es ist erschütternd, wie hartnäckig die Grünen die auf Europa und vor allem Deutschland zurollenden Probleme der Flüchtlingsströme ignorieren“ erwiderte darauf Florian Herrmann, der innenpolitische Sprecher der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag. Herrmann zeigte sich „fassungslos, dass die Grünen den jetzigen Zustand als humaner bezeichnen. Wollen die Grünen wirklich so zynisch sein, dass die Flüchtlinge sozusagen als Aufnahmeprüfung für Europa erst einmal die Mittelmeerüberfahrt überleben müssen? Da sind doch Anlaufstellen in Nordafrika die eindeutig bessere Lösung.“ Die Grünen seien Meister darin, Diskussionen zu tabuisieren, Denkverbote zu verhängen und mit ihrer Ideologie sachliche Lösungen zu verhindern. „Die Menschen erwarten aber, dass der Staat die Herausforderung der steigenden Asylzahlen in den Griff bekommt, das heißt sich auf die schutzwürdigen Flüchtlinge konzentriert und ihnen Schutz bietet“, sagte der CSU-Politiker. Anders als die Grünen das sehen, sei das wirklich Unmenschliche die Vorgehensweise der Schlepperbanden, die den Menschen Geld dafür abknöpfen, um sie vermeintlich nach Europa zu bringen. Herrmann dazu: „In Wahrheit aber überlassen sie sie ihrem Schicksal und bringen sie in Lebensgefahr.“ Asylverfahren nach unseren Standards in Nordafrika würden diesem Geschäftsmodell den Boden entziehen.