Demonstriert geradezu trotzigen Optimismus: Niedersachsens CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann (r.) beim Wahlkampfauftritt mit Kanzlerin Merkel in Hildesheim. (Foto: Imago/Hanning Scheffen)
Niedersachsen

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Auch bei der Niedersachsen-Wahl am 15. Oktober könnte es zu einem Sechs-Parteien-Parlament kommen. Die SPD hat Rot-Rot-Grün bislang nicht ausgeschlossen: Nur ein Linksbündnis würde Ministerpräsident Weil die Macht sichern, argwöhnt die Landes-CDU.

Während andernorts die Parteien ihre Plakatständer einsammeln, werden sie in Niedersachsen nur neu beklebt: Das Land zwischen Harz und Nordsee wählt am 15. Oktober einen neuen Landtag. Der Termin war von Januar 2018 vorgezogen worden, weil sich die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten der CDU angeschlossen und die rot-grüne Regierung damit ihre hauchdünne Mehrheit verloren hatte.

Gleichstand

Laut einer aktuellen Umfrage von Infratest-dimap im Auftrag des NDR liegen Schwarz-Gelb und Rot-Grün in Niedersachsen genau gleichauf. Die CDU kommt jetzt auf 35 Prozent, die SPD holte mit 34 Prozent bis auf einen Punkt auf. Bemerkenswert: Während der Niedersachsen-CDU damit in etwa dasselbe Ergebnis wie bei der Bundestagswahl droht, liegt die Landes-SPD fast 7 Punkte über dem Wert vom letzten Sonntag. Das könnte am Amtsbonus des SPD-Ministerpräsidenten Stephan Weil liegen, den bei einer Direktwahl 48 Prozent der Niedersachsen unterstützen würden, CDU-Herausforderer Bernd Althusmann nur 25 Prozent. Die Kritik an Weil im Zusammenhang mit dem VW-Skandal scheint wie weggeblasen.

Das Rennen bleibt offen.

Bernd Althusmann, CDU-Spitzenkandidat

Die Grünen kommen laut der neuen Umfrage auf 9, die FDP auf 8 Prozent. Macht für Schwarz-Gelb ebenso wie für Rot-Grün 43 Prozent. Es könnte also darauf ankommen, welche der anderen Parteien in den Landtag einziehen: Die AfD wird auf 6 Prozent taxiert, die Linke auf 5. Bemerkenswert, dass diese Protestparteien deutlich weniger Stimmen haben als bei der Bundestagswahl, als die AfD in Niedersachsen 9,1 und die Linke 6,9 Prozent holte.

CDU fordert Aussage zu Rot-Rot-Grün

In einem solchen Sechsparteien-Landtag ist eine Regierungsbildung schwierig. Die SPD könnte versucht sein, ihre Macht mit einem Linksbündnis zu retten. Ministerpräsident Weil verweigert sich bislang einer klaren Aussage, ob Rot-Rot-Grün für ihn in Frage kommt. Bei der Saarland-Wahl im März durfte die SPD die Erfahrung machen, dass in Westdeutschland Rot-Rot-Grün ein Stimmenkiller ist.

Die CDU in Niedersachsen habe eine konsequente Haltung zur Inneren Sicherheit, zur Flüchtlingspolitik und zur Bildung, sagte CDU-Spitzenkandidat Althusmann. Man werde „das Ganze nochmal zuspitzen insbesondere auf die Frage an Herrn Weil, ob er ein rot-rot-grünes Bündnis ausschließen kann, was er sich bisher nicht traut“. Ein solches Linksbündnis sei die „denkbar schlechteste Variante für das Land“. An der CDU vorbei werde in Niedersachsen keine Koalition gebildet werden können, meint Althusmann: „Das Rennen bleibt offen.“ Inhaltlich will die CDU thematisieren, was schlecht läuft in Niedersachsen: Unterrichtsausfall in den Schulen, zu wenig Polizisten, schleppender Breitbandausbau.

Schulpolitik als Streitfall

Die Schulpolitik ist wohl der größte Streitfall. Erst dieser Tage haben niedersächsische Schulleiter bei ihrer Herbsttagung in Celle die Bildungspolitik der rot-grünen Landesregierung kritisiert. Diese ignoriere seit Jahren die Tatsache, dass es nicht genügend Lehrer in Niedersachsen gebe, sagte Frank Stöber, Vorsitzender des Schulleitungsverbands Niedersachsen. Bereits vor Jahren sei versäumt worden, ausreichend Studienplätze und Anreize zu schaffen, damit es genügend Lehrkräfte-Nachwuchs gebe. Von der künftigen Landesregierung fordert der Verband, Grundschullehrern und -leitern mehr Geld zu zahlen, Quereinsteiger besser zu qualifizieren und bei der Inklusion mehr Unterstützung zu bieten. Trotz voller Kassen werde zu wenig in Bildung investiert.

Wer grün wählt, wählt in Niedersachsen mit 90 Prozent geradezu die Linken.

Bernd Althusmann

SPD und CDU in Niedersachsen pflegen – ähnlich wie im Nachbarland Schleswig-Holstein – eine herzliche Abneigung gegeneinander, eine große Koalition kann sich deshalb niemand so recht vorstellen. Außerdem klafft ein tiefer Graben zwischen den Grünen einerseits und CDU und FDP andererseits. Die niedersächsischen Ökos stehen nämlich sogar für Grünen-Verhältnisse sehr weit links.

Erst jüngst attackierte der CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann die Grünen für ihren Linksruck scharf. Grundsätzlich müssten alle demokratischen Parteien im Gespräch bleiben. Aber: „Wer grün wählt, wählt in Niedersachsen mit 90 Prozent geradezu die Linken“, so Althusmann. Gleichzeitig warf er der Partei mit Blick auf Angriffe des grünen Landes-Agrarministers Christian Meyer AfD-ähnliche Rhetorik vor. Meyer hatte auf dem Parteitag der Grünen im August gesagt, man lasse sich das Land nicht von „schwarz-gelben Hetzern“ wegnehmen. „Diese Gauland-Rhetorik der Grünen ist es am Ende, die es unmöglich macht, mit ihnen zu koalieren“, sagte Althusmann.

Weil wanzt sich an FDP ran

Grundsätzliche Abneigung gegen die Grünen zeigt auch die Landes-FDP: „Ich sehe mit den Grünen extrem wenige Übereinstimmungen“, sagte FDP-Generalsekretär Gero Hocker. „Die Gräben vor allem in den Bereichen Landwirtschaft, Bildung und Verkehr sind sehr tief.“

Um vom Killerthema Rot-Rot-Grün abzulenken, redet Ministerpräsident Weil über ein Ampelbündnis aus SPD, FDP und Grünen – obwohl die FDP keine Lust darauf hat. Er lobte die Arbeit der FDP und bezeichnete als die „intelligentere Opposition“. Allerdings, gab Weil zu, sei das Verhältnis von FDP und Grünen „schwierig“.

Wir stehen vor einer ganzen Reihe von Hausaufgaben, die uns die Menschen aufgegeben haben, die diesmal nicht die CDU gewählt haben.

Angela Merkel in Hildesheim

Die CDU jedenfalls demonstriert zweieinhalb Wochen vor der Landtagswahl geradezu trotzigen Optimismus nach den schweren Verlusten bei der Bundestagswahl. Zum Auftakt der heißen Phase des Landtagswahlkampfs trat Bundeskanzlerin Angela Merkel in Hildesheim auf. Es sollte ums Mutmachen gehen – aber sie mahnte auch: „Wir stehen vor einer ganzen Reihe von Hausaufgaben, die uns die Menschen aufgegeben haben, die diesmal nicht die CDU gewählt haben.“