Zu große Nähe? Der Vorstand der Volkswagen AG, Matthias Müller (l.), neben Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil. (Bild: Imago/photothek/Michael Gottschalk)
Niedersachsen

Komplize statt Kontrolleur

Kommentar Es ist nicht skandalös, wenn ein Ministerpräsident sich um einen der größten Arbeitgeber des Landes sorgt. Aber wenn er nicht in der Lage ist, ohne Hilfe eine Regierungserklärung zu schreiben, dann ist das ein Offenbarungseid.

Seit Jahrzehnten ist das Land Niedersachsen eng mit dem Autohersteller VW verwoben. Das Land hält 20 Prozent der Stimmrechte bei VW, stellt Aufsichtsräte und hat damit ein gewichtiges Mitspracherecht. Und das rot-grün regierte Land hat damit auch eine gehörige Portion Mitverantwortung für die Abgas-Tricks des Konzerns, der bis jetzt als größter Sünder in dieser Angelegenheit gilt.

Kumpanei von Staat und Industrie.

Jürgen Trittin, Grüne

Das war der SPD und auch den Grünen natürlich bewusst, als sie versuchten, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt als Sündenbock für die Tricksereien der Autokonzerne hinzustellen. So forderte der Grüne Jürgen Trittin Dobrindts Rücktritt, wegen der angeblichen „Kumpanei von Staat und Industrie“. „Die Kontrolle der Autoindustrie muss grundsätzlich neu strukturiert werden“, forderte auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz: „Die Behörde von Minister Dobrindt soll Kontrolleur der Unternehmen sein, in Wirklichkeit ist sie aber zum Komplizen geworden.“ Gemeint war das Kraftfahrtbundesamt, obwohl noch gar nicht sicher war, ob das Amt tatsächlich Prüfberichte bei Abgastests geschönt hatte.

Und schon wieder ein Eigentor

Diese Forderungen werden jetzt zum Eigentor. Denn der VW-Konzern wurde ausgerechnet von diesen beiden Parteien im Aufsichtsrat „kontrolliert“. Theoretisch. Rot-Grün stellt seit 2013 die Regierung in Niedersachsen. Neben Weil hätten auch die Grünen kontrollieren müssen, die doch angeblich schon so lange von Abgas-Tricksereien wussten. Wieso haben sie dann den VW-Konzern, einen der größten Dieselfahrzeug-Produzenten, nicht näher unter die Lupe genommen?

Wer ist hier der Kontrolleur?

Ist es nun „völlig normal“ (Außenminister Sigmar Gabriel, SPD) oder doch skandalös, wenn ein Ministerpräsident seine Regierungserklärung einem Autokonzern, den er als Aufsichtsrat kontrollieren soll, zur Kontrolle vorlegt? Möglicherweise auch noch einem alten SPD-Spezl, wie es die Bild nahe legte? Natürlich ist das zumindest dubios, ganz egal, ob, was und wie viel dann letztlich an der Rede geändert wurde. Weder als Ministerpräsident noch als Aufsichtsrat hatte Weil die Aufgabe, die Ansichten des Konzerns im Landtag zu verbreiten, egal ob beschönigt oder nicht. Ja, er musste Rücksicht nehmen auf einen der größten Arbeitgeber des Landes, das tut auch der Freistaat Bayern mit BMW und Audi. Viele Arbeitsplätze sind durch die meist völlig überzogenen US-Schadenersatzklagen gefährdet. Aber konnte Weil mit seiner Einsicht als VW-Aufsichtsrat und seiner großen Presse- und Rechtsabteilung wirklich keine eigene Regierungserklärung verfassen, die darauf Rücksicht nahm?

„Umgeschrieben und weichgespült“

Der SPD-Ministerpräsident hat VW in seiner Rede durchaus kritisiert. Aber er hat auch in einer Passage den Namen VW aus dem Vorwurf bezüglich eines Gesetzesbruches herausgestrichen. „Das war kein Faktencheck, wir haben die Rede umgeschrieben und weichgespült“, zitiert die Bild-Zeitung einen beteiligten VW-Mitarbeiter. Egal, ob das die Wahrheit ist oder nicht, es riecht trotzdem stark nach ungesunder Kumpanei. „Da darf auch nicht nur der Schatten eines Verdachtes sein“, sagte Weil vor Kurzem. Er meinte damit die zur CDU gewechselte Abgeordnete Elke Twesten und angebliche CDU-Lockangebote. Doch dieser Satz gilt auch für ihn und seine von VW erlaubte Rede.

Die Kritik an dem Niedersachsen Weil ist auch kein „plumpes Ablenkungsmanöver“ von der angeblich „gekauften“ Grünen-Abgeordneten und deren angeblich „persönlichen Karriereerwägungen“, wie es SPD-Linksaußen Ralf Stegner herumkrakeelte. Denn alle Landeslisten der CDU zu Bundes- und Landtagswahl sind längst geschlossen, was also hätte die CDU Twestens Karriere zu bieten? „Solche Intrigen fördern Politikverdrossenheit und schaden der Demokratie“, rüffelte der ewig verdrossen blickende Stegner ohne auch nur den Hauch eines Beweises für seine Unterstellungen. Auch Schulz (SPD) und Trittin (Grüne) witterten „Verrat“ und „Stimmenkauf“. Doch dieses Geschrei ist verlogen und das eigentliche „plumpe Ablenkungsmanöver“, das Demokratie und Politik schadet. Ablenken von der von einem Konzern korrigierten Regierungserklärung.