Angespannte Lage wegen Auftragsmorden: Russlands Wladimir Putin (l). (Bild: imago Images/Mikhail Klimentyev/Russian Presidential Press and Information Office/Itar-Tasss)
Attentat

Russlands Mörder

Der mutmaßliche staatliche Auftragsmord an einem Georgier in Berlin belastet das deutsch-russische Verhältnis kurz vor einem geplanten Zusammentreffen von Kanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin.

Am 23. August war ein 40 Jahre alter Georgier in einem kleinen Park in Berlin-Moabit von hinten erschossen worden. Sein Mörder hatte sich ihm am helllichten Tag auf einem Fahrrad genähert und auf Rücken und Kopf gezielt. Der mutmaßliche Täter, ein 49 Jahre alter Mann mit russischem Pass, wurde kurz nach der Tat gefasst. Seit seiner Festnahme schweigt er.

Russische Attentate

Was schon lange vermutet wurde, scheint sich nun auch hier zu verdichten: Wie schon bei mehreren Attentaten in den vergangenen Jahren in England – darunter sogar mit chemischen Kampfstoffen und radioaktiven Substanzen – scheint auch hier das russische Regime zumindest beteiligt zu sein. Was dafür spricht: Der mutmaßliche Auftragsmord hat eine diplomatische Krise zwischen Deutschland und Russland ausgelöst.

Wenn die Ermittlungen ergeben, dass Russland diesen Mord verantwortet, befinden wir uns in einer neuen Lage.

Armin Schuster, CDU

Die Bundesanwaltschaft ermittelt und spricht von einer staatsschutzspezifischen Tat von besonderer Bedeutung. Die Ermittler verfolgen den Anfangsverdacht, dass staatliche Stellen in Russland oder der Teilrepublik Tschetschenien dahinterstecken. Das Opfer Zelimkhan K. soll im sogenannten zweiten Tschetschenienkrieg offenbar in einer islamistischen Gruppe gegen Russland gekämpft haben. Laut Bundesanwaltschaft wurde der 40-Jährige von russischen Behörden als Terrorist eingestuft und verfolgt. Bis 2018 wurde er auch beim deutschen Terrorismusabwehrzentrum von Polizei- und Verfassungsschutzbehörden als Gefährder geführt.

Hintergrund der Übernahme der Ermittlungen ist laut Generalbundesanwalt vor allem ein echter russischer Ausweis des Täters auf einen falschen Namen. Zudem wurde demnach schon vor der Tat in Berlin nach dem Mann in Russland gefahndet. Kurz vor dem Mord im Tiergarten wurde der entsprechende Fahndungsaufruf aber gelöscht. Der Täter soll bereits 2013 einen russischen Geschäftsmann getötet haben, berichtete die Tagesschau. Er habe als Arbeitgeber eine Firma in Russland angegeben, die dieselbe Telefaxnummer benutze wie russische Firmen, die zum russischen Verteidigungsministerium gehörten.

Ausweisung von zwei Diplomaten

Die Bundesregierung reagierte prompt und wies zwei russische Diplomaten aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Russland wegen fehlender Unterstützung bei der Aufklärung des Mordes deutlich kritisiert.

Der CDU-Innenexperte Armin Schuster sagte der Bild-Zeitung: „Wenn die Ermittlungen ergeben, dass Russland diesen Mord verantwortet, befinden wir uns in einer neuen Lage. Das wäre ein Rückfall in die Zeit des Kalten Krieges.“ Für diesen Fall forderte er Konsequenzen: „Dann müssen die Spionageabwehr und die Auslandsaufklärung gegen Russland deutlich ausgeweitet werden.“ Dies bedeute den Einsatz von mehr Technik und Personal, „aber auch alle Befugnisse offensiv anzuwenden“.

Von nichts gewusst

Der Kreml hat wie üblich nach Bekanntwerden der Übernahme der Ermittlungen durch den Bundesanwalt jedwede mögliche Verwicklungen in den Mordfall als absurd zurückgewiesen. Russland kündigte an, ebenfalls Schritte einzuleiten. Welche dies sind, ließ Außenminister Sergej Lawrow offen. „Wir sind besonnene Menschen und werden erst einmal prüfen, was uns überhaupt zur Last gelegt wird“, sagte der Chefdiplomat nach Angaben der Agentur Interfax in Sotschi.

Auftragsmorde des russischen Staates in der Europäischen Union sind ganz und gar inakzeptabel.

Alexander Graf Lambsdorff, FDP

Der FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff forderte die Bundesregierung auf, für Klarheit zu sorgen. Die Regierung müsse „ihre Erkenntnisse, die zur Ausweisung der Diplomaten geführt haben, jetzt ungeachtet russischer Kritik umgehend offenlegen“, sagte der Fraktionsvize den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die mögliche Verstrickung Russlands verurteilte Lambsdorff scharf. „Auftragsmorde des russischen Staates in der Europäischen Union – ob in Großbritannien oder Deutschland – sind ganz und gar inakzeptabel“, sagte er in Anspielung auf den Giftanschlag auf den russischen Ex-Doppelspion Sergej Skripal und seine Tochter Julia im März 2018 im englischen Salisbury, den beide überlebten.

(dpa)