Staatsministerin für Integration mit Wissenslücken: Die SPD-Vizechefin Aydan Özoguz in Hamburg. (Bild: Imago/Manngold)
Fakten-Check

An der Realität vorbei

Im Interview mit der Abendzeitung greift die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz kräftig daneben. Bestes Beispiel: Nach Meinung der SPD-Politikerin stabilisiert die Zuwanderung unsere Sozialkassen. Zeit für einen Fakten-Check!

Hier ein kurzer Überblick über die wichtigsten Antworten von Özoguz und deren Wahrheitsgehalt:

1. „Bei uns im Norden können sich dagegen die wenigsten vorstellen, CSU zu wählen.“

Falsch, Frau Özoguz! Für eine bundesweite Ausdehnung der CSU haben sich laut einer Infratest Dimap-Umfrage für die ARD im Mai 2016 ganze 45 Prozent der Bundesbürger ausgesprochen, 40 Prozent dagegen. Laut einer Insa-Umfrage im März 2016 für die Bild kam die CSU bundesweit auf 19 Prozent. Sie lag damit nur knapp hinter der SPD mit 20 Prozent. Ähnliche Ergebnisse brachte eine Insa-Studie für das Magazin Cicero im Juli 2016. Dort erhielt die CSU 16 Prozent, die SPD 18 Prozent.

2. „Die Eltern- und Großeltern-Generation haben hier immer CSU gewählt, da ist es für die SPD natürlich schwer.“

Diese oft wiederholte SPD-Aussage unterstellt den Bayern Dummheit und tumbes Herdenverhalten. Als ob die Bürger hierzulande keine eigene Meinung hätten, wen sie wählen sollten. Nein, Frau Özoguz, die Bayern wählen CSU, weil sie die erfolgreiche Politik für den Freistaat schätzen. 69 Prozent der Bayern waren im BR-BayernTrend vom Januar zufrieden mit der Arbeit der Staatsregierung, das ist der bundesweite Spitzenwert.

3. „Wir können auf Jahrzehnte von Migration zurückblicken, ohne dass unser Staatswesen darunter zusammengebrochen wäre. Im Gegenteil: Wirtschaft, Sozialversicherungen und unsere Gesellschaft haben langfristig profitiert, so stabilisiert die Einwanderung zum Beispiel unsere Sozialkassen.“

Das ist nicht ganz richtig, Frau Özoguz. Jahrzehnte der Migration haben zwar nicht den Staat zusammenbrechen lassen, aber die Gesellschaft vor eine Zerreißprobe gestellt. Von Erfolg kann angesichts der Parallelgesellschaften vielerorts kaum gesprochen werden, wie auch Münchens Alt-OB Christian Ude (SPD) jüngst in seinem Buch „Die Alternative“ einräumte. Das zeigten auch der Silvesterabend 2015 in vielen deutschen Städten, allen voran Köln, sowie die Wahlergebnisse der 1,4 Millionen in der Türkei wahlberechtigten Deutschtürken, die mit 63 Prozent für Erdogans Staatsumbau stimmten – für Diktatur, gegen Gewaltenteilung und Demokratie.

Auch die Aussage über langfristigen Profit ist nicht ganz richtig. Die Folgen der Gastarbeiter für die Staatskassen hat eine Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung beleuchtet. Sie kam zwar im Jahr 2012 zu dem Schluss, dass die in Deutschland lebenden Ausländer insgesamt mehr Steuern und Sozialbeiträge gezahlt haben, als sie Transfers aus den laufenden öffentlichen Kassen entnommen haben. Aber für eine vollständige Bilanz müsse man noch allgemeine Staatsausgaben, etwa für Schulen, Verteidigung, Polizei oder Straßenbau, in Rechnung stellen. Tut man das, schlägt laut Studie für jeden lebenden Ausländer ein langfristiges Defizit von 79.100 Euro zu Buche, für jeden lebenden Deutschen 3100 Euro. Und nicht alle Einwanderer halfen gleich viel: „Was uns in den vergangenen Jahren geholfen hat, war die Zuwanderung gut ausgebildeter Menschen aus anderen europäischen Ländern“, erklärte Bildungsökonom Ludger Wößmann 2015 in der Zeit.

Für die Neuankömmlinge gilt: Hunderttausende Flüchtlinge beziehen derzeit Hartz IV, Tendenz steigend. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) hat 2016 ermittelt: Neun Prozent der Flüchtlinge haben nie eine Schule besucht, sind also Analphabeten, 24 Prozent haben die Schule ohne Abschluss verlassen. Und die Qualität der Abschlüsse? Lege man die Ergebnisse der internationalen Schulstudien Pisa und Timss von 2011 zugrunde, könnten zwei Drittel der Schüler in Syrien „nur sehr eingeschränkt lesen und schreiben“ sowie „nur einfachste Rechenaufgaben lösen“, so Bildungsökonom Wößmann.

Das IW kommt zu dem Schluss, dass der Zuzug von Flüchtlingen zu einem sinkenden Leistungsniveau des deutschen Bildungssystems führen und der Anteil der Niedrigqualifizierten zunehmen wird. Damit sei selbst dann zu rechnen, wenn „ein bedeutender Teil der Flüchtlinge in Deutschland noch Kompetenzen erwerben und Qualifizierungsmaßnahmen durchlaufen“ würde. Die „Flüchtlingsstudie 2014“ des BAMF ergab zudem, dass nur ein Drittel der zwischen 2008 und 2012 gekommenen Flüchtlinge trotz günstiger Voraussetzungen erwerbstätig ist.

4. „Die CSU torpediert die (3+2-Regelung) in Bayern (…) und schadet mit dieser Politik den Interessen Bayerns und Deutschlands.“

Stimmt nicht. Bayern hatte schon im Oktober 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle, gemeinsam mit der Wirtschaft einen Integrationspakt durchgesetzt, bis 2019 rund 60.000 Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung zu integrieren. Erst im August 2016 trat das neue Integrationsgesetz samt 3+2-Regel in Kraft (Keine Abschiebung während der dreijährigen Lehrzeit und zweijähriger Beschäftigung). Hier lief zugegeben nicht alles rund, aber es sollten weder neue Fluchtanreize noch Hindernisse für Abschiebungen ausreisepflichtiger Asylbewerber durch „plötzliche“ Ausbildungsverträge geschaffen werden. Deshalb legt Bayern die Voraussetzungen der 3+2-Regel enger aus als rot-grün regierte Länder: dass eine Abschiebung in absehbarer Zeit tatsächlich nicht möglich ist, keine Straftaten vorliegen und die Identität geklärt ist. Nichts davon ist anrüchig.

5. „Ein Kanzler Martin Schulz würde dafür sorgen, dass wir bei der (…) Integration nicht in alte Fehler zurückfallen, wie wir das in Bayern (…) sehen. Integration heißt, so schnell wie möglich mit den Sprachkursen und der Vermittlung unserer Werte zu beginnen (…).“

Richtig ist: Bayern ist das Land der gelingenden Integration, nicht irgendein SPD-regiertes Land. Das zeigt der INSM-Bildungsmonitor, wonach der Freistaat bei der Integration von Migranten auf Platz 1 lag – obwohl bayerische Großstädte zum Teil einen weit höheren Migrantenanteil haben als etwa Berlin. Und bei der Vermittlung von Werten hat sich die SPD immer quer gestellt, Stichwort Leitkultur. Özoguz hatte kürzlich gar die Existenz einer deutschen Kultur bestritten.

6. Kommunales Wahlrecht für Migranten ohne deutschen Pass.

Diese Idee ist verfassungswidrig! Nach dem unveränderlichen Artikel 20 Grundgesetz ist das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland Träger und Subjekt der Staatsgewalt. Dieser Grundsatz gilt über Artikel 28 auch für Länder und Kommunen. Eine Ausnahme gibt es nur für EU-Bürger, die seit 1992 aktives und passives Wahlrecht auf kommunaler Ebene haben.

7. „Es geht um wirkliche Teilhabe in unserer Gesellschaft und die erreichen wir nur durch die Einbürgerung. Um diese zu erleichtern, nehmen wir den Doppelpass hin.“

Frau Özoguz, das sieht Ihr Parteifreund Christian Ude ganz anders: Seine Erfahrungen mit der türkischen Community haben ihn „vom anfänglichen Befürworter zum Gegner“ des Doppelpasses gemacht. Die doppelte Staatsbürgerschaft nicht infrage zu stellen, das „ist ‚Willkommenskultur‘ für fanatischen, staatlich befeuerten und brandgefährlichen Nationalismus auf deutschen Boden“. Der Doppelpass ist ein echtes Integrationshindernis, weil er die bewusste Entscheidung für unsere Werte erspart.