Zehn Prozent der Arbeitnehmer zahlen in Deutschland den Spitzensteuersatz – sogar Facharbeiter sind betroffen. (Foto: Imago/Karina Hessland)
Steuern

CSU fordert spürbare Steuersenkung

Fast 55 Milliarden Euro können Bund, Länder und Kommunen in den kommenden Jahren zusätzlich einnehmen. Angesichts dieser Entwicklung verlangt die CSU deutliche Steuersenkungen. Auch der Soli soll endlich abgeschafft werden.

Der Staat nimmt den Steuerzahlern immer mehr Geld weg: Bund, Länder und Kommunen können bis zum Jahr 2021 mit 54,1 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen rechnen als noch im November 2016 vorhergesagt. Das gaben die Steuerschätzer mit ihrer Mai-Prognose bekannt. Allein 2017 wird das Steuer-Aufkommen voraussichtlich 7,9 Milliarden Euro höher sein als zuletzt angenommen. 2016 flossen 648,3 Milliarden Euro in die Kassen.

Rekordeinnahmen und sprudelnde Steuerquellen: Was Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) freut, bedeutet umgekehrt, dass den Menschen und Firmen das Geld fehlt. Das bremst Insvestitionen und Konsum. Daher fordern CSU, FDP, der DGB sowie viele Politiker aus der CDU spürbare Entlastungen der Bürger.

Zeit, den Bürgern etwas zurückzugeben

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) will eine starke und dauerhafte Entlastung der Bürger. „Wir haben Rekordsteuereinnahmen in Deutschland. Außerdem führen die Niedrigzinsen zu einer schleichenden Enteignung der Sparer. Daher ist es gerecht, den Bürgern etwas zurückzugeben“, sagte Söder der Bild-Zeitung. Er betonte: „Wir brauchen nach der Bundestagswahl eine echte Steuerreform mit der schrittweisen Abschaffung des Soli, dem endgültigen Abbau der kalten Progression, eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen sowie eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer.“

Die Steuersenkung werde ein wichtiger Punkt im Wahlkampf, betonte der bayerische Finanzminister: „Das ist das Gegenmodell zu rot-rot-grünen Steuerplänen: Da geht es nur um Erhöhungen von Steuern aller Art.“ Bereits beim CSU-Basisdialog in Bamberg hatte Söder betont, die Steuerpolitik sei der deutlichste Unterschied zwischen einem bürgerlichen und einem sozialistischen Politikansatz.

Erster Schritt: Soli sofort halbieren

Der Finanz- und Wirtschaftspolitiker der CSU im Bundestag, Hans Michelbach, nannte die Rekordsteuereinnahmen einen „Auftrag an die Politik, die Steuern und Abgaben weiter zu senken“. Es sei „offensichtlich, dass erhebliche Spielräume für Steuersenkungen bestehen“, betonte der Landesvorsitzende der CSU-Mittelstandsunion (MU). „Wir müssen diese nutzen und eine Steuersenkungsoffensive durch eine Halbierung des Soli starten.“ Schwerpunkte der umfassenden Einkommen- und Unternehmenssteuerreform, die Michelbach für die nächste Legislaturperiode fordert, sind:

  • die vollständige Abschaffung des Soli,
  • die vollständige und dauerhafte der kalten Progression,
  • die Anhebung der Grenze des Spitzensteuersatzes
  • die Verschärfung des Bürokratieabbaus

Vor allem der fleißige Mittelstand verdiene eine „Wachstumsdividende“, so Michelbach. Er verlangte, dass „die Überforderung durch Steuern verringert und den Menschen mehr wirtschaftliche Freiheit gewährt“ werden müsse. „Es ist Zeit, denjenigen, die für den Wohlstand täglich hart arbeiten und die für diese Rekordsteuereinnahmen sorgen, etwas zurückzugeben. Nur dann kann Deutschland seine herausragende wirtschaftliche Stärke halten und Motor für Innovationen bleiben“, betonte Michelbach.

SPD redet den Standort schlecht

Erst kürzlich habe die OECD bestätigt, dass die deutschen Arbeitseinkommen so stark wie in kaum einem anderen Land belastet werden, erinnert Michelbach. „Das ist nicht akzeptabel. Deshalb muss das Hauptanliegen der nächsten Bundesregierung in einer Steuersenkung liegen. Denn anders als der SPD-Kanzlerkandidat und der Rest der SPD verwenden wir keine leeren Worthülsen und reden den Standort Deutschland nicht künstlich schlecht.“

Mehr als 15 Milliarden sind möglich

Die hohen Steuereinnahmen sind unter anderem Folge der guten Konjunktur, der Rekordbeschäftigung sowie der höheren Löhne und Firmengewinne. Zudem sind in den vergangenen Jahren immer mehr Arbeitnehmer in immer höhere Steuertarife gerutscht. So hat sich die Zahl der Spitzensteuersatz-Zahler von 2004 bis heute mehr als verdoppelt: Von 1,2 auf 2,7 Millionen Steuerpflichtige, wie das Bundesfinanzministerium mitteilte. Unter Berücksichtigung von zusammen veranlagten Ehepaaren betrifft dies über 3,7 Millionen Menschen. Musste man in den 1950er Jahren noch das 17-fache des Durchschnittslohns verdienen, um in den Spitzensteuersatz zu fallen, genügt heute schon das 1,3-fache, um die Spitze der Steuerprogression (42 Prozent) zu erreichen.

Es dürfen am Ende nicht nur zwei Cappuccino-Tassen übrig bleiben, sondern es muss echte Entlastungen für untere und mittlere Einkommen geben.

Carsten Linnemann (CDU), Vorsitzender der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung (MIT)

Angesichts dieser Entwicklungen pochen auch Unionspolitiker wie Carsten Linnemann, Bundesvorsitzender der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung (MIT), auf stärkere Entlastungen der Bürger und Unternehmen als bisher vorgesehen. „Meiner Meinung nach wird es einen weit größeren Spielraum geben als die bislang in Rede stehenden 15 Milliarden Euro“, sagte Linnemann. Die CDU habe auf ihrem Parteitag beschlossen, dass ein Drittel der Steuermehreinnahmen für Steuersenkungen genutzt werden sollen.

Die Politik muss liefern

„Die Politik ist in einer Glaubwürdigkeitsfalle“, sagte der CDU-Politiker weiter. Sie verspreche seit Jahren Entlastungen, packe aber durchgreifende Reformen nicht an. „So günstig wie in diesen Jahren war die Zeit für stärkere Entlastungen und eine echte Steuerstrukturreform noch nie“, sagte Linnemann. „Es dürfen am Ende nicht nur zwei Cappuccino-Tassen übrig bleiben, sondern es muss echte Entlastungen für untere und mittlere Einkommen geben.“

Dazu müsse der Spitzensteuersatz von derzeit 42 Prozent erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60.000 Euro greifen – und nicht wie aktuell ab 54.058 Euro, forderte Linnemann. Das deckt sich mit den Steuerplänen der CSU. Mittlerweile zahlten schon Facharbeiter den gleichen Spitzensteuersatz wie ihr Chef, kritisierte der MIT-Chef. Auch müsse der „Mittelstandsbauch“ in der Einkommensteuer abgeflacht werden. Der ist Folge des steilen Anstiegs der Steuersätze vor allem bei unteren und mittleren Einkommen in den vergangenen Jahren.

Auch der DGB verlangt Entlastungen

Sogar der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte eine Entlastung der Arbeitnehmer. „Wir brauchen eine zielgenaue Entlastung der breiten Masse der Lohnsteuerzahler und ihrer Familien“, sagte DGB-Vorstand Stefan Körzell den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) rief die Parteien auf, sich zu Steuersenkungen nach der Bundestagswahl ernsthaft zu bekennen. „Wann, wenn nicht jetzt, muss die Last der Steuerzahler sinken?“, erklärte BdSt-Präsident Reiner Holznagel.

Der Arbeitskreis Steuerschätzung hatte drei Tage lang im sächsischen Bad Muskau über die neue Einnahmeprognose für die Staatskassen beraten. Die Experten von Bund und Ländern, Bundesbank, Kommunalverbänden, Forschungsinstituten sowie Statistikamt ermittelten drei Tage lang das Steueraufkommen für dieses Jahr und den Zeitraum bis 2021.