Bundesinnenminister de Maiziere brachte das „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ in den Bundestag ein. (Foto: Imago/IPON)
Bundestag

Konsequent abschieben

Die wahre Identität von Asylbewerbern sicher feststellen, Abschiebungen konsequent durchsetzen und die Bürger besser vor terrorverdächtigen Gefährdern schützen: Das sind die Ziele des „Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“, über das der Bundestag debattierte. Das Bundesverwaltungsgericht erlaubt, islamistische Gefährder wesentlich rascher abzuschieben.

„Ich finde es nicht zu viel verlangt, dass man Namen und Herkunft korrekt angibt, wenn man bei uns Schutz erhalten will. In einem Rechtsstaat können wir es nicht hinnehmen, dass Asylbewerber wahllos verschiedene Identitäten angeben“, betonte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei der Einbringung des „Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“. Die Bevölkerung habe zu Recht kein Verständnis dafür, wenn rechtsstaatliche Entscheidungen wie Ablehnung und Ausreiseverfügung nicht konsequent durchgesetzt würden. Das neue Gesetz hat, wie de Maizière erläuterte, drei Kernfunktionen.

Abschiebung und Integration sind zwei Seiten derselben Medaille.

Bundesinnenminister Thomas der Maizière (CDU)

Die drei Aufgaben

  1. Das Gesetz soll sicherstellen, dass die Identität der Asylsuchenden festgestellt wird. „Es ist nicht hinzunehmen, dass Asylbewerber ihre Identität verschleiern“, so der Innenminister. Dazu sollen, wenn keine gültigen Ausweispapiere vorliegen, auch Mobiltelefone und Tablets ausgelesen werden. Die bevorzugten Kontakte und Telefonnummern geben Hinweise auf das tatsächliche Herkunftsland. Abschiebungen sollen besser durchgesetzt werden. De Maizière bezeichnete diese Maßnahme als „fair“ gegenüber denjenigen, die ihre Identität nicht verschleiern wollen – und verglich sie mit der Öffnung des Koffers an einem Grenzübergang.
  2. In Deutschland leben derzeit 200.000 ausreisepflichtige abgelehnte Asylbewerber. 2016 wurden 25.000 davon abgeschoben, 55.000 reisten freiwillig aus. Mit dem neuen Gesetz werden die Hilfen für freiwillig Ausreisende erhöht („Starthilfe plus“) und andererseits die Länder in die Lage versetzt, Abschiebungen konsequenter durchzuführen. Abschiebehaft kann leichter angeordnet werden und ihre bisherige Beschränkung auf drei Monate entfällt. „Abschiebungen und Integration sind zwei Seiten derselben Medaille“, so der Innenminister. Wer kein Bleiberecht habe, müsse Deutschland verlassen, sonst funktioniere die Integration derer, die ein Bleiberecht haben, nicht. Außerdem, erklärte der Unionsfraktionsvize Steffen Harbarth, soll künftig auch Sozialbetrug, beispielsweise durch Verwendung von Mehrfachidentitäten, als neuer Abschiebegrund gelten – neben Straftaten gegen Leben, körperliche Unversehrtheit und das Eigentum, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden. In jedem Fall gilt eine verschärfte Residenzpflicht: „Ausreisepflichtige, die über ihre Identität getäuscht haben, dürfen sich künftig nur im Bezirk des jeweiligen Ausländeramtes aufhalten“, so de Maizière.
  3. Terrorverdächtige Gefährder werden besser überwacht und konsequent in Abschiebehaft genommen. Wer nicht in Haft genommen werden kann, darf künftig mit elektronischer Fußfessel überwacht werden. „Wir haben 150 Personen von der Preisklasse Anis Amri in Deutschland“, sagte der innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), mit Hinweis auf den Berlin-Attentäter. „Dies sind Gefährder, sie müssten ausreisen, aber sie werden bisher nicht ausgewiesen, weil sie renitent sind, ihre Identität verschleiern, untertauchen und so weiter. Für die machen wir dieses Gesetz.“ De Maizière meinte, mit der Fußfessel werde den Gefährdern klargemacht, dass der Staat sie im Blick habe. „Allen terrorverdächtigen Gefährdern sage ich: Wir haben unsere Offenheit gerade deshalb, weil wir einen starken Staat haben, der die Sicherheit zu schützen weiß. Die Offenheit gilt aber nicht für diejenigen, die die Bürger und den Staat angreifen.“

SPD blockierte Gesetz bis zum Berlin-Anschlag

Das nun eingebrachte Gesetz wurde am 9. Februar bei einem Treffen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Merkel im Prinzip beschlossen – vor allem als Reaktion auf das Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016. Das Kabinett verabschiedete den Entwurf Ende Februar. Das Gesetz hätte man allerdings schon viel früher haben können, kritisierte Mayer. Die wesentlichen Vorschriften seien bereits in einem Gesetzentwurf des Bundesinnenministers enthalten gewesen, den dieser am 8. August 2016 vorgelegt hatte, als Reaktion auf die Terroranschläge von Würzburg und Ansbach. Es sei im Oktober in den Bundestag eingebracht worden.

Die SPD-regierten Länder dürfen sich nicht aus der Verantwortung stehlen und müssen konsequenter abschieben.

Michael Frieser, CSU-Innenpolitiker

„Doch leider konnte unser Koalitionspartner SPD dem Gesetz damals nicht zustimmen“, kritisierte Mayer. Gleichzeitig attackierte Mayer den neuen SPD-Chef und Kanzlerkandidaten Schulz, der ausgerechnet der Union vorgeworfen hatte, die innere Sicherheit kaputtgespart zu haben. Das genaue Gegenteil sei wahr, so Mayer: „Der Garant für die innere Sicherheit ist die CDU/CSU“, schrieb der CSU-Innenpolitiker der SPD ins Stammbuch. Mayer betonte, das neue Gesetz solle es den Ausländerämtern leichter machen, die Ausreise zu beantragen: Viele Behörden hätten bisher davor zurückgeschreckt, weil sie sich nicht sicher waren, ob sie die Abschiebung während der drei Monate Abschiebehaft rechtskräftig durchkriegen könnten.

Der innenpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe, Michael Frieser, erklärte, nicht erst der Fall Amri habe deutlich gemacht, dass insbesondere Handlungsbedarf bei Ausreisepflichtigen bestehe, von denen eine Gefahr für die innere Sicherheit ausgeht. Nun komme es vor allem auf die SPD-regierten Bundesländer an: „Sie dürfen sich nicht aus der Verantwortung stehlen und müssen konsequenter abschieben. Bund und Länder müssen hier an einem Strang ziehen, sonst senden wir das fatale Signal, dass sich der lebensgefährliche Weg über das Mittelmeer zu uns lohnt.“

Rechtsstaatliche Entscheidungen umsetzen

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Harbarth, warnte: „Wenn wir hinnehmen, dass die Regeln des Rechtsstaates unterlaufen werden, werden wir die Zustimmung der Bürger verlieren, die die Zuwanderung der wirklich Schutzbedürftigen bisher unterstützen.“ Das neue Gesetz beuge dem vor. Wie zuvor bereits Mayer kritisierte auch Harbarth die bisherige Verzögerungstaktik der SPD: „Innenpolitik kann nicht nach dem Grundsatz vorgehen: Aus Schaden wird man klug. Sondern sie muss vorausschauend handeln.“

Wenn die rechtsstaatliche Entscheidung einmal steht, dann muss sie umgesetzt werden, auch dann, wenn dies irgendwelchen linken Aktivisten nicht gefällt.

Nina Warken, CDU-Innenpolitikerin

Die CDU-Innenpolitikerin Nina Warken betonte, Deutschland werde seiner Verpflichtung als reiches und christliches Land gegenüber politisch Verfolgten in besonderer Weise gerecht. Nach einem auf den Einzelfall abgestimmten Verfahren werde der Asylgrund der Schutzsuchenden geprüft, gegen eine Ablehnung könne der Betreffende vor Verwaltungsgerichten und sogar mit einer Verfassungsklage rechtlich vorgehen. „Das ist ein Rechtsschutz, der auf der ganzen Welt seines gleichen sucht. Aber wenn die rechtsstaatliche Entscheidung einmal steht, dann muss sie umgesetzt werden, auch dann wenn dies irgendwelchen linken Aktivisten nicht gefällt“, sagte sie unter dem lauten Beifall der Unionsfraktion und vernehmbaren Unmutslauten bei SPD, Grünen und Linkspartei.

Bundesverwaltungsgericht ermuntert Länder zu rascheren Ausweisungen

Unterdessen ermunterte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Länder, gewaltbereite Islamisten rascher abzuschieben. Dazu hätte schon bisher der Paragraph 58a des Aufenthaltsgesetzes benutzt werden können, kritisieren die Richter die bisherige „Zurückhaltung“ – die es fast ausschließlich bei den linken Parteien gibt. Die aus dem Jahr 2004 stammende Vorschrift erlaubt schon bisher Abschiebungen „zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik“. Wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) schriebt, war sie allerdings von den Behörden so gut wie nie angewandt worden, weil „die juristischen Hürden angeblich zu hoch“ seien. Deshalb sei sie auch im Fall des Attentäters Anis Amri zwar erwogen, aber nicht genutzt worden.

Nun äußerte das Bundesgericht laut SZ sein Unverständnis: Die gesetzlichen Hürden seien keineswegs hoch. Im Gegenteil, sie seien so niedrig wie sonst nirgends im Recht der Gefahrenabwehr. Das bedeutet nach Auffassung der Richter: Abschieben sei im Falle von Terrorgefahr das Einfachste. Man müsse auch nicht, wie sonst bei Straftaten, erst abwarten, bis ein Staatsanwalt ein Verfahren eingeleitet hat, so die SZ. Es genüge schon jedes „beachtliche Risiko“ von Radikalisierung und Gewaltbereitschaft.