Wer kein Asylrecht bekommt und nicht freiwillig ausreist, muss konsequent abgeschoben werden. Kanzlerin Merkel fordert dafür eine „nationale Kraftanstrengung“. (Foto: Imago/Christian Ohde)
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Bund und Länder für schnellere Abschiebungen

Abgelehnte Asylbewerber sollen künftig schneller und konsequenter aus Deutschland abgeschoben werden. Bundeskanzlerin Merkel hat sich mit den Ministerpräsidenten der Länder auf eine wesentlich intensivere Zusammenarbeit bei den Abschiebungen verständigt.

Abgelehnte Asylbewerber sollen künftig schneller und konsequenter aus Deutschland abgeschoben werden. „Für die nächsten Monate ist das Wichtigste Rückführung, Rückführung und nochmals Rückführung“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kürzlich im Vorstand der Unionsfraktion im Bundestag. Jetzt verständigte sich Merkel im Kanzleramt mit den Ministerpräsidenten der Länder auf eine wesentlich intensivere Zusammenarbeit bei der Abschiebung – insgesamt 15 Punkte wurden beschlossen. Lediglich der Thüringer Ministerpräsident Ramelow (Linkspartei) klinkte sich demonstrativ aus.

Geplant sind nun mehrere Ausreisezentren, in denen sich Ausreisepflichtige kurz vor ihrer Abschiebung aufhalten müssen. Zudem soll ein neues „Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr“ (ZUR) von Bund und Ländern Sammelabschiebungen erleichtern, Standort soll Potsdam sein. Außerdem soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Handys der Asylbewerber einsehen dürfen, wenn diese nicht ausreichend an der Klärung ihrer Identität mitarbeiten.

Straftaten führen zu rascher Abschiebung

Merkel wie auch die Ministerpräsidenten betonten, dass das Vortäuschen einer Identität oder Straftaten eine schnelle Abschiebung zur Folge haben müssten. Die Abschiebehaft für Gefährder soll ausgeweitet, ihre Überwachung erleichtert werden. Die zulässige Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll von vier auf zehn Tage verlängert werden. Andererseits sollen auch Anreize für eine freiwillige Rückkehr geschaffen werden. Die Bundespolizei soll mittelfristig mehr Kompetenzen bekommen. Dazu soll es aber zunächst eine Arbeitsgruppe geben.

Die Abschiebepraxis von rot-grün-geführten Bundesländern lässt häufig noch zu wünschen übrig. Wenn sich bestimmte Länder weiterhin weigern, geltendes Recht zu vollziehen, soll die Beteiligung des Bundes an den Flüchtlingskosten gegenüber diesen Ländern gekürzt werden.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt

Die Kanzlerin betonte, abgelehnte Bewerber sollten möglichst schon aus Erstaufnahmeeinrichtungen rückgeführt werden. Mit einer konsequenteren Abschiebungspraxis solle auch erreicht werden, dass mehr abgelehnte Asylbewerber freiwillig Deutschland verlassen. Dafür sind vom Bund für dieses Jahr 40 Millionen Euro eingeplant. Weitere 50 Millionen sind für die Wiedereingliederung von Rückkehrern in ihrer Heimat vorgesehen.

Abschiebung möglichst direkt aus der Erstaufnahme

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Erwin Sellering (SPD), unterstrich, Ziel sei, dass diejenigen, die keine Bleibeperspektive haben, nach wenigen Wochen – möglichst noch aus der Erstaufnahmeeinrichtung – in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Wenn ausreisepflichtige Ausländer merkten, dass es Deutschland ernst meine mit der Rückführung, dann werde auch die Zahl der freiwilligen Rückkehrer steigen, sagte Sellering, der derzeit den Vorsitz in der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) hat.

Für das vom Bund vorgeschlagene Zentrum für Rückführungen wollen die Länder nach den Worten des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) Personal entsenden. „Wir sind uns einig, dass ein Rückführzentrum, eine Bündelung aller Behörden, die es zum Teil schon gibt, unter Bundesverantwortung in Potsdam eingerichtet werden soll.“ Bouffier wies auch darauf hin, dass zur Feststellung der Identität künftig im Zweifel auch die Handys der Asylbewerber ausgelesen werden sollen. Der hessische Regierungschef machte deutlich, nur der Bund könne mit den Herkunftsstaaten Verhandlungen über die Aufnahme ihrer Staatsbürger führen. Notwendigkeiten wie das Ausstellen von Passersatzpapieren könnten zentral erledigt werden. Dies seien im übrigen schwierige Prozesse.

Bundesländer mit sehr unterschiedlicher Konsequenz

Bisher zeigen die Bundesländer bei der Abschiebung der ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerber äußerst unterschiedliche Konsequenz. Manche Länder wie Berlin verweigern die Abschiebungen komplett. Auch das rot-grüne Schleswig-Holstein hat jüngst gedroht, sich zu verweigern. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt fordert Sanktionen für solche Bundesländer, die nicht konsequent abschieben. „Denn die Abschiebepraxis von rot-grün-geführten Bundesländern lässt häufig noch zu wünschen übrig“, sagte Hasselfeldt in der Rheinischen Post. Wenn sich bestimmte Länder weiterhin weigerten, geltendes Recht zu vollziehen, solle „die Beteiligung des Bundes an den Flüchtlingskosten gegenüber diesen Ländern gekürzt werden“, betonte Hasselfeldt.

Auch das Mittel der Duldung von Ausreisepflichtigen wird sehr unterschiedlich angewandt – am großzügigsten in Bremen, NRW und Berlin, am restriktivsten in Bayern. Wie die Welt unter Berufung auf das BAMF berichtet, lebten in Bayern zum 31. Dezember 2016 mit 9991 geduldeten Ausländern (0,78 auf 1000 Einwohner) gemessen an der Bevölkerung die wenigsten geduldeten Ausreisepflichtigen. Danach folgt Hessen mit 6512 Geduldeten (1,05 auf 1000). In Bremen mit 3007 Geduldeten (4,48 auf 1000) und in Nordrhein-Westfalen mit 46.433 Geduldeten (2,6 auf 1000) gibt es die relativ meisten Geduldeten. Besonders viele waren es auch im drittgrößten Bundesland Baden-Württemberg, wo 23.212 Geduldete leben (2,13 auf 1000), und in Berlin mit 8885 Geduldeten (2,52 auf 1000).

Kommunen befürchten hohe Kosten durch lasche Abschiebepraxis

Aus Sicht der Kommunen sind raschere Abschiebungen schon aus wirtschaftlichen Gründen nötig: Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes(DStGB), Gerd Landsberg warnt vor Mehrausgaben in Höhe von drei Milliarden Euro im Jahr 2017, wenn Hunderttausende ausreisepflichtige, abgelehnte Asylbewerber nicht in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. „Wenn sich am Verfahren nichts ändert, werden Ende 2017 rund 450.000 ausreisepflichtige Menschen in Deutschland leben“, sagte Landsberg in der Rheinischen Post.

Es ist unerlässlich, dass das BAMF vor Ablauf der Dreijahresfrist individuell prüft, ob der Schutzgrund eines Flüchtlings noch fortbesteht, da das Asylrecht nicht als Ersatz-Einwanderungsrecht gedacht ist.

Ansgar Heveling (CDU), Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag

Sogar die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Eva Högl, unterstützt die Einigung von Bund und Ländern. „Was in dem Papier steht, kann ich mittragen. Zentren zur Unterstützung der Rückkehr sind akzeptabel. Was wir nicht mitmachen, ist irgendeine Form von Lager“, sagte Högl in der Mitteldeutschen Zeitung.

Flüchtlinge nach drei Jahren erneut überprüfen

Einen anderen, ebenso wichtigen Aspekt thematisiert der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Ansgar Heveling (CDU). Er forderte in der Welt, auch bei anerkannten Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen vor Ablauf der dreijährigen Aufenthaltsdauer nochmals zu prüfen, ob der Schutzanspruch weiter fortbesteht. Denn der Flüchtlingsschutz wird stets für drei Jahre gewährt – und nach drei Jahren erhalten die anerkannten Bewerber einen Rechtsanspruch auf die unbefristete Aufenthaltserlaubnis, so Heveling. „Unser Recht erlaubt integrierten Flüchtlingen nach fünf Jahren den unbefristeten Aufenthalt, besonders gut integrierten schon nach drei Jahren“, sagt der CDU-Innenpolitiker.

„Es ist daher unerlässlich, dass das BAMF vor Ablauf der Dreijahresfrist individuell prüft, ob der Schutzgrund eines Flüchtlings noch fortbesteht, da das Asylrecht nicht als Ersatz-Einwanderungsrecht gedacht ist“, sagte Heveling in der Welt. Zudem sei „es wichtig, dass schon bei der Schutzerteilung intensiv geprüft werden muss, wer Flüchtling im Rechtssinne ist und wer den subsidiären Schutz erhält.“ Flüchtling im Rechtssinne ist, wem Schutz nach der Genfer Konvention, darunter auch Asyl, gewährt wurde – denn nur diese haben den Anspruch auf die Entfristung des Aufenthalts schon nach drei Jahren.

(dpa/Spiegel Online/Welt/wog)