Bundesregierung beschließt schnellere Abschiebungen
Das Bundeskabinett hat mehrere Maßnahmen verabschiedet, mit denen die Rückführung abgelehnter Asylbewerber beschleunigt werden soll. CSU-Chef-Horst Seehofer hält das Paket für noch nicht ausreichend.
Flüchtlinge

Bundesregierung beschließt schnellere Abschiebungen

Das Bundeskabinett hat mehrere Maßnahmen verabschiedet, mit denen die Rückführung abgelehnter Asylbewerber beschleunigt werden soll. CSU-Chef-Horst Seehofer hält das Paket für noch nicht ausreichend.

Die Bundesregierung hat Maßnahmen für eine konsequentere Abschiebepraxis auf den Weg gebracht. Das Kabinett beschloss am Mittwoch in Berlin einen Gesetzentwurf, der unter anderem vorsieht, die Abschiebehaft für sogenannte Gefährder auszuweiten. Wer falsche Angaben über seine Identität oder Staatsangehörigkeit macht, muss mit härteren Sanktionen rechnen. Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll von vier auf zehn Tage verlängert werden.

Zu dem Paket gehören auch mehrere Ausreisezentren, in denen sich Ausreisepflichtige kurz vor ihrer Abschiebung aufhalten müssen. Zudem soll ein neues „Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr“ (ZUR) von Bund und Ländern Sammelabschiebungen erleichtern. Standort soll Potsdam sein. Mit dem Kabinettsentscheid sollen die vor zwei Wochen gefassten Beschlüsse von Bund und Ländern umgesetzt werden.

Handykontrolle bei Flüchtlingen

Beschlossen wurde auch, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) künftig in bestimmten Fällen die Daten von Handys von Asylbewerbern durchsuchen darf, um deren Identität zu klären. Dies soll beispielsweise dann möglich sein, wenn Migranten keine gültigen Ausweispapiere vorweisen können. Zuletzt waren immer wieder Fälle bekannt geworden, in denen Flüchtlinge eine Vielzahl von falschen Namen angegeben hatten, um so etwa beim Bezug von Sozialleistungen zu betrügen. Auch der Berlin-Attentäter Anis Amri hatte eine Vielzahl von Alias-Namen benutzt.

Noch idealer wären die Verfahren direkt an den EU-Außengrenzen, dann bräuchten wir keine Binnengrenzkontrollen mehr. Dann hätten wir viele Schwierigkeiten weniger.

Horst Seehofer

Seehofer will Asyl-Verfahren an den Außengrenzen

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer erklärte, die beschlossene Verschärfung des Asylrechts allein löse nicht die gegenwärtigen Probleme bei der Zuwanderung. „Ich bin froh, das ist das, was wir beschlossen haben. Aber das reicht natürlich nicht.“ Die CSU würde sich nach wie vor wünschen, dass bereits an den Grenzen über die Asylanträge entschieden werde, „in kürzerer Zeit und rechtsstaatlich einwandfrei“, betonte Seehofer. Das sei nicht nur sinnvoller, er glaube auch, dass so die ganz große Mehrheit der Bevölkerung denke. „Dann haben sie all die Probleme nicht, die entstehen, wenn jemand über Monate oder gar Jahre im Land war.“ Letztlich sei aber ein Gesamtkonzept nötig, um auch Fluchtursachen besser zu bekämpfen. „Dann hätten wir ein Megathema der Zukunft auch aus Sicht der Bevölkerung im Griff und den Kontrollverlust überwunden.“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière kritisierte rot-grün regierte Bundesländer für ihren Umgang mit ausreisepflichtigen Migranten. Schleswig-Holstein, Bremen, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen hatten zuletzt offen Zweifel an Abschiebungen etwa nach Afghanistan geäußert. Schleswig-Holstein hat sogar als erstes Bundesland einen Abschiebe-Stopp verhängt.

Rot-Grün blockiert Rückführungen

„Schwarze-Peter-Spiele bringen uns nicht weiter“, sagte de Maizière den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es sei der falsche Weg, wenn gerade einige rot-grün geführte Länder immer reflexartig auf andere zeigten, wenn es Probleme gebe. Sie seien die ersten, „die sich aus der Verantwortung stehlen“.

Wir brauchen beim Thema Rückführung eine gemeinsame Anstrengung, bei der jeder seinen Beitrag leistet.

Thomas de Maizière, Bundesinnenminister

Das gelte zum einen für die pauschale Aussetzung von Abschiebungen nach Afghanistan, zum anderen auch für die Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten, die „längst überfällig“ sei. Die Blockadehaltung mehrerer rot-grün geführter Bundesländer sei hier „rein parteipolitisch“ motiviert. „Wir brauchen beim Thema Rückführung eine gemeinsame Anstrengung, bei der jeder seinen Beitrag leistet.“

NRW erteilt die meisten Duldungen

Zahlen aus dem vergangenen Jahr belegen, dass Länder, in denen SPD und Grüne die Regierung bilden, nur wenige abgelehnte Asylbewerber abschieben. Stattdessen sprechen sie besonders viele Duldungen aus, die es ausreisepflichtigen Migranten erlauben, im Land zu bleiben. Besonders hoch ist die Zahl der Duldungen im rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen. Die Antwort des nordrhein-westfälischen Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten André Kuper von Mitte Januar lautet: 62.906 als ausreisepflichtig eingestufte Ausländer leben immer noch im Land, obwohl ihr Asylantrag abgelehnt wurde. 46.433 davon sind Geduldete. Und von diesen sind wiederum 10.715 Menschen lediglich deshalb hier geduldet, weil sie keine Reisedokumente oder sonstige Ausweispapiere haben. Die Duldung gibt es also auf dem Silbertablett: Wer seinen Pass wegwirft oder versteckt, kann bleiben. „Es reicht nicht, wenn die Ministerpräsidentin neuerdings mehr über Abschiebungen spricht – sie muss sie auch umsetzen“, so Kuper.

Wie die Rheinische Post berichtet, stammt entgegen den Behauptungen der Landesregierung nur ein kleiner Teil der Geduldeten aus Maghreb-Staaten, die sich häufig gegen eine Rücknahme ihrer Bürger sperren. Ihr Anteil mache gerade einmal fünf Prozent aus. Die meisten in NRW Geduldeten kämen aus sicheren Herkunftsländern wie Serbien, Albanien, Kosovo, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. Insgesamt machten die Staaten des Westbalkans mit mehr als 22.000 Duldungen fast die Hälfte aller Duldungsfälle in NRW aus.

150.000 Geduldete leben in Deutschland

Aktuell leben in Deutschland rund 150.000 geduldete Menschen, die eigentlich ausreisepflichtig sind. Nicht jeder abgelehnte Asylbewerber kann aber abgeschoben werden, etwa weil gesundheitliche Gründe dagegen sprechen, Papiere fehlen oder die Herkunftsländer die Rücknahme verweigern.

Im vergangenen Jahr haben rund 55.000 abgelehnte Asylbewerber Deutschland freiwillig verlassen. Abgeschoben wurden rund 25.000. Bayern hat 3300 Menschen abgeschoben. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kündigte an, der Freistaat werde sich auch weiterhin an Abschiebungen nach Afghanistan beteiligen. „Die Einschätzung des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amtes, die die aktuellen Erkenntnisse und Erfahrungen der in Afghanistan eingesetzten Einsatzkräfte auswerten, lassen Rückführungen in gesicherte afghanische Provinzen zu“, sagte er.