Drama im Mittelmeer
Brüssel - Nach den Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer muss Europa handeln. Aber das Problem ist schwer lösbar: Der Migrationsdruck aus Afrika nimmt dramatisch zu. In Libyen warten schon eine Million Flüchtlinge auf Überfahrt nach Europa.
Flüchtlingskrise

Drama im Mittelmeer

Brüssel - Nach den Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer muss Europa handeln. Aber das Problem ist schwer lösbar: Der Migrationsdruck aus Afrika nimmt dramatisch zu. In Libyen warten schon eine Million Flüchtlinge auf Überfahrt nach Europa.

Die maritime Rettungsoperation Triton der EU-Grenzschutz­agentur Frontex wird massiv ausgebaut. Der Kampf gegen Schlepper und Schleuser soll intensiviert werden. Es wird sogar darüber nachgedacht, unter Einsatz militärischer Mittel Flüchtlingsboote festzusetzen und zu zerstören. Außerdem soll das EU-Asyl-System überprüft werden.

Das sind Teile eines Zehn-Punkte-Aktionsplans zur Migration, mit dem EU-Kommission und Mitgliedstaaten den tödlichen Flüchtlingsdramen auf dem Mittelmeer begegnen wollen. Der Kommissionsplan war auch Grundlage eines EU-Sondergipfels in Brüssel, auf dem am vergangenen Donnerstag über Konsequenzen aus den jüngsten Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer beraten wurde. Zuvor waren bei zwei Schiffsuntergängen möglicherweise weit über 1100 Flüchtlinge ertrunken. Ende Mai will die EU-Kommission eine große Europäische Migrationsagenda vorlegen.

Bevölkerungsexplosion in Afrika: Der Migrationsdruck steigt dramatisch

Im Jahr 2014 haben mindestens 186000 Flüchtlinge über das Mittelmeer Europa erreicht (The Economist). Seit Jahresanfang hat die UN-Flüchtlingsagentur UNHCR schon über 31500 Migranten im Mittelmeer gezählt. Derzeit kommen die meisten Flüchtlinge auf dem Weg nach Italien aus Gambia, Senegal und Somalia. Italienische Regierungsstellen sprechen von bis zu einer Million zumeist schwarzafrikanischer Flüchtlinge, die derzeit allein in Libyen auf eine Gelegenheit zur Überfahrt warten. Die Zahl scheint groß, ist tatsächlich aber nur ein kleiner Anfang, denn der Migrationsdruck in Afrika steigt dramatisch: Bis zum Jahr 2050 wird die Bevölkerung Afrikas nach UN-Zahlen von derzeit 1,1 Milliarden auf knapp 2,4 Milliarden Menschen wachsen – mehr als zehn Mal soviel wie 1950 (228 Millionen). Afrikas Wirtschaftsentwicklung hält damit nicht Schritt.

Einfache Lösungen gibt es nicht. Je mehr die EU einsetze, um die Menschen auf dem Mittelmeer zu retten, erläutert Bundesinnenminister Thomas de Maizière, „desto größer ist der Anreiz für die Schlepper, noch mehr Menschen auf die Boote zu schicken“. Und dann gibt es noch mehr Tote. Auf die Hilfe der Herkunftsländer können die Europäer nicht zählen: Afrikaner in Europa und Amerika überweisen jedes Jahr bis zu sechs Milliarden Dollar in die Heimat zurück. In Fluchtdrehscheiben wie Agadez in Niger ist das Geschäft mit den Flüchtlingen wichtigster Teil der lokalen und regionalen Wirtschaft.

Griechenland und Italien fordern eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Länder. Das fordern seit langem auch deutsche Politiker. Im vergangenen Jahr hat Deutschland mit Abstand die meisten Asylbewerber (174000) aufgenommen. Problem: Um die Flüchtlinge verteilen zu können, müssen sie zuvor registriert werden – was Italien aber unterlässt. Sicher ist nur eines: Die große Fluchtwelle 2015 hat gerade erst begonnen.