Das Europa der Grünen besteht vor allem aus Verboten und Vorschriften. (Foto: Imago/Tim Wagner)
Grüne

Alte Verbote in neuer Verpackung

Das Europawahlprogramm der Grünen setzt auf einen radikalen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft – mit Zwang und staatlicher Steuerung. Ihren Wunsch, die Menschen umzuerziehen, hüllt die Partei inzwischen in harmlos klingende Floskeln.

Sie meinen es wirklich ernst: Die Grünen wollen den Landwirten die reine Viehzucht verbieten. Weil die Rindviecher angeblich dem Klima schaden, sollen „große Tierbestände“ verschwinden. Alle Förderung soll „daran gekoppelt werden, dass die Anzahl der Tiere pro Fläche begrenzt wird“. Europaweit. So steht es im vorläufigen Programm der Grünen für die Europawahl in Kapitel 1 über den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Dort heißt es weiter: „Ein Betrieb sollte also nur so viele Tiere haben, wie er mit dem Ertrag seiner Flächen grundsätzlich ernähren kann.“ Was das Ende der reinen Viehwirtschaft wäre und vieler Milchwirtschaft-Betriebe.

Die Grünen wollen die große „europäische Agrarwende“, streng nach grün verstandenen ökologischen Kriterien. Was dann zur ebenfalls europäischen „Ernährungswende“ führt. Und die wird stark vegetarisch sein. Die Grünen wollen „pflanzliche Ernährung fördern“. Damit die Menschen auch begreifen warum, „sollte eine pflanzliche Ernährung u.a. durch Aufklärungsarbeit und gezielte Angebote gefördert werden“. Da ist er wieder der grüne „Veggie Day“ – nicht per Dekret, sondern über drastische Begrenzung der Viehzucht und über Umerziehung.

Aus Verboten wird die „Wende“

Das Beispiel ist typisch für das sechs Kapitel und 4.755 Zeilen lange grüne Europawahlprogramm. Nach wie vor setzen die Grünen auf Verbotspolitik und verfolgen absurde Utopien. Unter der ziemlich sinnfreien Überschrift „Europas Versprechen erneuern“ stehen die altbekannten Verbote und Utopien alle wieder da. Nur harmloser verpackt: als Agrarwende, Ernährungswende, Energiewende, Verkehrswende. Oder als neue Finanz-, Wirtschafts- oder Sozialpolitik. Und immer für das Klima. Aber eben gegen die Menschen, deren Leben die Grünen umbauen wollen.

Landwirte sollten das grüne Wahlprogramm besonders genau lesen. Denn zur Agrarwende und zur „ganzheitlichen Strategie für eine Ernährungswende“ gehört für die Grünen eine „neue Gemeinsame Agrarpolitik“ der EU. Mit knapp 60 Milliarden Euro im Jahr hat die EU zuletzt die europäische Landwirtschaft subventioniert. Die Grünen meinen, das Geld fördere „Umweltzerstörung, Industrialisierung, Höfesterben und Exportorientierung“ der Landwirtschaft und sei damit „falsch ausgegeben“. Und richtig gelesen: Die Grünen wollen Agrarexporte stark beschränken. Wieder europaweit. Die deutschen Grünen wollen Europas Bauern ans Geld. Und an die Existenz.

Gefährliche Energiepolitik

Aber die Bauern bleiben nicht die einzigen Opfer, denn ihren Klimaschutzzielen ordnen die Grünen alles unter – zur Not auch die Sicherheit der Menschen. Das zeigen die grünen Pläne für die Energiewende. Weil die Verbrennung von Kohle „die klimaschädlichste Form der Stromerzeugung“ sei, fordern die Grünen in ganz Europa den „vollständigen Kohleausstieg“. Deshalb „müssen wir jetzt beginnen, Kohlekraftwerke abzuschalten“. Sie sehen zwar, dass die Nachbarländer gerade die Laufzeiten für alte störanfällige Atomkraftwerke verlängern. Und natürlich wollen die Grünen auch diese „Schrottmeiler“ mit ihren „unbeherrschbaren Risiken“ sofort abschalten.

Das Problem: Die Franzosen, Belgier oder Tschechen werden sich darauf kaum einlassen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat eben erst seinen Landsleuten erklärt, dass die französischen AKWs länger laufen müssen. Klüger – und sicherer – wäre es also, Kohle- und Gaskraftwerke zunächst weiter zu nutzen, um stattdessen die viel gefährlicheren „Schrottmeiler“ abschalten zu können. Aber zu dieser Risikoabwägung sind die Grünen nicht fähig.

Wolkiges zur Wirtschaft

Für den Klimaschutz soll alles anders werden: Politik, Wirtschaft, Finanzsystem – und die Gesellschaft. Vor allem die Gesellschaft. Die Menschen müssen sich ändern. Und die Grünen wollen sie ändern. Denn: „Unser Lebensstil, unsere Art zu konsumieren, unser Wirtschaftssystem zerstören die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen im Süden unseres Planeten.“ Europa soll „seine Wirtschaft ökologisch und sozial umgestalten“.

Die nach grünen Vorstellungen gelenkte Wirtschaft funktioniert simpel: mit „Genossenschaften und sozialen Unternehmen“ statt „profitorientierten Unternehmen“, durch „eine Strategie der EU zur Förderung der Gemeinwohlökonomie“ und die „Förderung ressourcenschonender und CO2-armer Innovationen“. Transport und Produktion werden „mit den wahren Umweltkosten belegt“. Was nichts anderes bedeutet als höhere Steuern und Abgaben und das Ende der individuellen Mobilität.

Grüne Fantasie-Ökonomie

Industrieproduktion kommt im grünen Wahlprogramm nicht vor. Ebenso wenig wie Wachstum. Damit das die Bürger nicht beunruhigt, wollen die Grünen Wachstum anders rechnen: „Der Wachstumsmaßstab Bruttoinlandsprodukt (BIP) muss durch ein grünes BIP ersetzt werden.“ Sorgen um ihre Arbeitsplätze sollen sich die Wähler dennoch nicht machen: „Insgesamt können wir mit einer ressourcenschonenden Arbeitsweise bis zu 2,8 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen.“ Grüne Klima-Wirtschaft mit Fantasiezahlen.

Auch kein Scherz: Für grüne Mobilität sollen die Menschen mehr zu Fuß gehen. Die Grünen möchten in Europa eine „Mobilität, die klimaneutral, kostengünstig und für alle nutzbar ist und Umwelt und Gesundheit schützt“. Das bedeutet dann unter anderem: „mehr Fuß- und Radverkehr“. Drei Mal ist im Mobilitätsabschnitt des Programms vom Fußverkehr die Rede, einmal sogar von „öffentlichem Fußverkehr“ – grüne Verkehrswende eben.

Zwang ist für die Grünen das Mittel der Wahl. Auch in der Europapolitik. Für das „nachnationale Europa“ wollen sie vor allem: mehr Regierung aus Brüssel mit mehr Zwang – und Strafen. So soll etwa eine parlamentarische „Kopenhagen-Kommission“ alle Mitgliedsländer „regelmäßig auf die Einhaltung demokratischer Grundsätze hin“ überprüfen und Geldstrafen vorschlagen.

Klimaschutz statt Außenhandel

Das Europaparlament und ein „mittelfristig“ zur zweiten Kammer abgewerteter EU-Rat sollen zusammen die europäische „Legislative“ bilden. Nationales Veto soll es nicht mehr geben. Schon im aktuellen Europäischen Rat wollen die Grünen alles per Mehrheitsbeschluss entscheiden lassen: Außen- und Sicherheitspolitik, Steuerpolitik – und für den Klimaschutz „in allen Bereichen der Energiepolitik“. Damit der Rat dann den Polen den Kohleausstieg befehlen und per Dekret französische Kernkraftwerke abschalten kann.

Dem Klimaschutz wollen die Grünen auch den EU-Außenhandel opfern. Darauf läuft ihre „sozialökologische Regulierung des Welthandels“ hinaus. Für die „grüne Alternative zur bisherigen EU-Handelspolitik“ soll Brüssel alle Handelsabkommen streichen: das CETA-Abkommen mit Kanada und das Jefta-Abkommen mit Japan, weil darin der Pariser Klimavertrag nicht als „wesentlicher Bestandteil verankert“ ist; das Abkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten, weil es nicht den Schutz des brasilianischen Regenwalds fixiert. Darauf, dass sie das TTIP-Handelsabkommen mit den USA gekippt haben, sind die Grünen noch immer stolz.

Feministische Außenpolitik

Surreal liest sich die grüne Außen- und Sicherheitspolitik für die EU. Die EU soll „Vorreiterin einer feministischen Außen- und Sicherheitspolitik“ werden. Die „explizit feministische EU-Außenpolitik“ soll sich unter anderem für eine große UN-Reform einsetzen: Dabei soll etwa Indien einen Platz im UN-Sicherheitsrat erhalten. Was dazu wohl Indiens Nachbar und Todfeind Pakistan sagen wird? Oder der regionale Rivale China? Auch die EU soll einen gemeinsamen Sitz im Sicherheitsrat erhalten. Für den dann Frankreich den seinen aufgeben müsste – was die Grünen verschweigen.

Natürlich treten die Grünen „für eine atomwaffenfreie Welt ein“ und für „eine nukleare Abrüstung im Nahen Osten“. Das richtet sich gegen Israel. Wer Israels Existenz garantieren soll, wenn es keine Atomwaffen mehr hat, das schreiben die Grünen nicht. Eine „europäische Armee“ kommt im grünen Wahlprogramm zur Europawahl nicht vor. Die Grünen wollen lediglich die „verstärkte Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausbauen“.

Absurd: Den EU-Partner Österreich beschimpfen die Grünen als Land, in dem „Grundprinzipien wie Pluralismus, Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Medien und Rechtsstaatlichkeit infrage gestellt werden“.

Kontingente statt Kontrollen

In der Flüchtlingspolitik wollen die Grünen alle Schleusen öffnen. Denn Migration „bereichert Kulturen überall auf der Welt“ und ist wegen des „demografischen Wandels auch eine Notwendigkeit für Staaten wie Deutschland“. Die Grünen fordern die „schnelle und faire Verteilung“ von Migranten in Europa, humanitäre Visa und „großzügige und verlässliche Aufnahmekontingente“.

Die „Einstufung von Staaten zu sicheren Dritt- oder Herkunftsländern“ wollen sie nicht. Ebenso wenig Verträge mit „Autokratien und Militärdiktaturen“ und „Abschottungsabkommen, mit denen Menschen in Drittstaaten zurückgeschickt werden“. Die finanzielle Unterstützung „von repressiven Regimen entlang den Fluchtrouten lehnen wir entschieden ab“. Die Kooperation mit der libyschen Küstenwache „muss ein Ende haben“. Auch das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei – den „Türkei-Deal“ – wollen sie beenden. Die EU-Staaten sollen stattdessen „aus UN-Flüchtlingslagern in Jordanien, dem Libanon oder der Türkei“ Migrantenkontingente aufnehmen.

Die Grünen wollen also alle bisherigen Versuche der EU, die illegale Migration zu stoppen, rückgängig und zunichte machen. Effektiven Grenzschutz lehnen sie regelrecht ab: „Grenzschutz darf nicht bedeuten, dass niemand mehr reinkommt.“ Das alles ist nicht Politik für Europa, sondern gegen Europa und gegen die Europäer. Und die Beschwörung des Klimaschutzes macht daran nichts besser.