Bilder des Krieges, Krieg der Bilder: Die russische Luftwaffe bombardiert hier angeblich ein Trainingscamp der IS-Terrormiliz in Syrien. (Foto: imago/ITAR-TASS)
Syrien

Russische Botschaft unter Feuer

Auf dem Gelände der russischen Botschaft in Damaskus sind zwei Granaten eingeschlagen – abgefeuert mutmaßlich von einer islamistischen Gruppe. Israel wehrt sich unterdessen gegen syrischen Beschuss von den Golanhöhen. Die USA unterstützen Kurden-Truppen, während Amnesty International den Kurden vorwirft, Araber zu vertreiben. Die deutsche Polizei warnt vor Stellvertreter-Kämpfen in Deutschland.

Auf dem Gelände der russischen Botschaft in Syriens Hauptstadt Damaskus sind zwei Granaten eingeschlagen. Dabei sei niemand verletzt worden, erklärte Botschaftssprecher Eldar Kurbanow. Vor der Botschaft hatten sich prorussische Demonstranten versammelt, die die russischen Luftangriffe in Syrien unterstützen, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete.

Wer die Granaten abgeschossen hat, war zunächst unklar. Rebellen kontrollieren größere Gebiete östlich von Damaskus. Besonders stark ist dort die islamistische Gruppe Dschaisch al-Islam. Russische Kampfflugzeuge bombardieren in Syrien seit rund zwei Wochen Stellungen von Regimegegnern. Damit unterstützen sie das Regime von Präsident Baschar al-Assad.

Israel schießt zurück

Unterdessen hat das israelische Militär zwei Positionen der syrischen Streitkräfte auf den Golanhöhen mit seiner Artillerie beschossen. Der Angriff sei als Antwort auf den Beschuss israelischen Gebiets mit Mörsergranaten erfolgt, teilte das israelische Militärkommando mit. Die Geschosse waren kurz davor über unbewohntem Gebiet auf der israelischen Seite der Golanhöhen niedergegangen. Verletzt war dabei niemand worden.

Israel hatte die Golanhöhen 1967 erobert und später annektiert. Seit Beginn des Syrienkriegs vor fast fünf Jahren ist es immer wieder zu Konfrontationen auf dem Bergplateau gekommen.

Vertreiben Kurden Araber aus ihrem Gebiet?

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) warf den Kurden im Norden Syriens Vertreibungen und Häuserzerstörungen vor. Ganze Dörfer in dem von der Kurden-Partei PYD kontrollierten Gebiet seien niedergerissen worden, hieß es in einem am Dienstag veröffentlichten AI-Bericht. Tausende seien vertrieben worden. Die Organisation berief sich unter anderem auf Augenzeugenberichte und Satellitenbilder.

Das Vorgehen der von der PYD geführten autonomen Verwaltung erfolgt den Angaben zufolge häufig aus Vergeltung für vermeintliche Sympathien oder Verbindungen der Menschen zu Mitgliedern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) oder anderer bewaffneter Gruppen. Die Verwaltung missbrauche ihre Macht und missachte Völkerrecht in einer Weise, die Kriegsverbrechen gleichkomme, hieß es.

Die Kurden wiesen die Vorwürfe zurück: „Wir haben allen Menschen die Rückkehr in ihre Gebiete gestattet, nachdem diese befreit worden waren.“ Es seien nur einige festgenommen worden, die mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zusammengearbeitet und gegen das Gesetz verstoßen hätten.

Die PYD steht der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK sehr nahe. Verbunden ist sie auch mit den kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG). Die YPG hat mit mehreren moderaten Rebellengruppen ein neues Militärbündnis in Syrien gegen den IS gegründet. Die YPG ist die stärkste Kraft im Norden Syriens und wichtigster Partner des Westens im Kampf gegen den IS.

USA verstärkt Hilfe für Kurden in Nordsyrien

Die Vereinigten Staaten haben zuletzt im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ihre Militärhilfen für die nordsyrischen Kurden verstärkt. Die kurdischen Volksschutzeinheiten hätten vor kurzem eine Lieferung erhalten, hieß es aus kurdischen Kreisen. Keine Angaben gab es zu Art und Umfang der Militärhilfe. Die Volksschutzeinheiten sind die stärkste Kraft im Norden Syriens und wichtigster Partner des Westens im Kampf gegen den IS.

Das Bündnis und die Waffenhilfe sind das Ergebnis eines US-Strategiewechsels in der Syrienpolitik. US-Medien hatten berichtet, Washington wolle im Nordosten Syriens eine Truppe von mehr als 20.000 Kurden und bis zu 5000 Arabern fördern. Das Programm zur Ausbildung moderater Rebellen außerhalb Syriens gaben die USA nach mehreren Fehlschlägen hingegen auf.

Der Nato-Partner Türkei sieht die Allianz der USA mit den Kurden kritisch.

Die YPG gründete zudem mit mehreren moderaten Rebellengruppen ein neues Militärbündnis gegen den IS, das von den USA unterstützt wird. Zu der Allianz Demokratische Kräfte Syriens gehören neben der YPG unter anderem Einheiten der Freien Syrischen Armee (FSA), wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte. Ziel sei es, die nordsyrische IS-Hochburg Al-Rakka zu erobern.

Der Nato-Partner Türkei sieht die Allianz der USA mit der YPG jedoch kritisch, weil sie die Bildung eines Kurdenstaates an ihrer Südgrenze befürchtet. Sie betrachtet die Volksschutzeinheiten zudem als syrischen Ableger der PKK. Die Kurden kontrollieren mittlerweile einen Großteil der Grenze zur Türkei. Dort haben sie eine selbstverwaltete Zone errichtet. Den IS hatten die Kurden unter anderem aus Kobane vertrieben. Für die Verteidigung der Grenzstadt hatte die YPG zuletzt im Herbst vergangenen Jahres Waffen von den USA erhalten.

EU fordert Ende der russischen Luftschläge

Die Europäische Union fordert unterdessen von Russland ein sofortiges Ende von Luftschlägen gegen die moderate Opposition in Syrien. „Die jüngsten militärischen Angriffe, die nicht auf den Islamischen Staat (IS) und andere Terrorgruppen zielen (…), geben Anlass zu tiefer Besorgnis und müssen sofort eingestellt werden“, heißt es in einer Erklärung der EU-Außenminister.

„Diese militärische Eskalation birgt das Risiko einer Verlängerung des Konflikts“, warnen die EU-Staaten. Zudem behindere sie die politischen Bemühungen zur Lösung des Konflikts. Folge könne eine weitere Zuspitzung der humanitären Krise und eine weitere Radikalisierung von Konfliktparteien sein.

Vormarsch der syrischen Armee.

Russland wies die Vorwürfe erneut zurück. „Alle wissen schon lange sehr gut, dass Russland den Islamischen Staat und andere Terrororganisationen bombardiert und nicht die Opposition“, betonte Vize-Außenminister Alexej Meschkow der Agentur Interfax zufolge. Russland hatte vor fast zwei Wochen in Syrien mit Luftangriffen begonnen und unterstützt damit eine Offensive des Regimes gegen ein Bündnis moderater und radikaler Rebellen.

Die syrische Armee und ihre Verbündeten – darunter Kämpfer der libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah – konnten nördlich der Stadt Hama vormarschieren. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle drangen sie in den Süden des strategisch wichtigen Ortes Kafr Nabudah ein. Russische Jets hätten mindestens 40 Angriffe geflogen. Bereits am Wochenende hatten Regimekräfte in der Region zwei Orte eingenommen.

Frontex: Heuer mehr als 700.000 illegale Einreisen auf EU-Gebiet

Mehr als 710.000 Flüchtlinge haben in den ersten neun Monaten dieses Jahres die Außengrenzen der EU überquert. Das teilte die EU-Grenzschutzagentur Frontex am Dienstag in Warschau mit. Vor allem die griechischen Inseln seien von einem „noch nicht dagewesenen Zustrom“ betroffen. So seien etwa im gesamten Jahr 2014 insgesamt 282.000 Flüchtlinge an den EU-Grenzen gezählt worden.

„Vor allem in Griechenland und Italien wird dringend Unterstützung benötigt, um die Neuankömmlinge zu registrieren und zu identifizieren“, sagte Frontex-Direktor Fabrice Leggeri, der bei der EU bereits mehr als 700 zusätzliche Grenzbeamte angefordert hatte.

Während die Zahl der aus Libyen in Italien ankommenden Flüchtlinge wegen schlechterer Witterungsbedingungen im September um die Hälfte zurückging und auf 12.000 sank, erreichten im September 49.000 Flüchtlinge Griechenland. Die meisten von ihnen stammen nach Frontex-Angaben aus Syrien. In Ungarn seien bis Ende September 204.000 Flüchtlinge an den Grenzen entdeckt worden – 13-mal so viele wie im gesamten Vorjahr.

Gehen Türken und Kurden in Deutschland wieder aufeinander los?

Unterdessen warnt die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) vor Gewalt zwischen Kurden und nationalistischen Türken in der Bundesrepublik. Wegen der Eskalation der Lage in der Türkei und im Bürgerkriegsland Syrien sei mit einem Anstieg von „Stellvertreter-Auseinandersetzungen“ zu rechnen, sagte DPolG-Chef Wendt der „Passauer Neuen Presse“. „In der Vergangenheit haben Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden in der Türkei auch immer zu Konflikten dieser Gruppen in Deutschland geführt.“ Ermittler hätten die Szene schon länger im Blick, in sozialen Netzwerken werde bereits zu unangemeldeten Demonstrationen und Gewalt aufgerufen. Allerdings handele es sich bei vielen Internet-Einträgen auch nur um Propaganda, sagte Wendt. Um auf mögliche Krawalle angemessen reagieren zu können, forderte er mehr Personal für die Polizei.

Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, wies auf drohende Gewalt zwischen Kurden und nationalistischen Türken in der Bundesrepublik hin. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Roger Lewentz (SPD), warnte ebenfalls davor, dass der Konflikt nach Deutschland getragen werden könne.

dpa/wog