Schwer zu finden? Beweise gegen Kämpfer und Unterstützer des Islamischen Staates gibt es oft nur im Internet. (Bild: imago iamages / Reporetrs/Merlin Meuris)
Inland

Die Rückkehr der Islamisten

Angesichts der türkischen Ankündigung, mutmaßliche deutsche Anhänger der Terrormiliz IS nach Deutschland abzuschieben, hat Bundesinnenminister Horst Seehofer sorgfältige Prüfungen angemahnt. Beweise zu finden, ist aber nicht einfach.

Die türkische Ankündigung, mutmaßliche Anhänger der Terrormiliz IS mit deutscher Staatsbürgerschaft nach Deutschland abzuschieben, hat in der der Bundesregierung für Unruhe gesorgt. Auch wenn offenbar Frauen und Kinder darunter sind, hat Bundesinnenminister Horst Seehofer die volle Wachsamkeit der deutschen Behörden zugesagt. Auch viele Frauen hatten sich an den brutalen Verbrechen des IS beteiligt und die Kinder könnten islamistisch indoktriniert sein.

Gefahr für Deutschland

Die Türkei schiebt in dieser Woche mindestens sieben mutmaßliche Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit zwei Kindern nach Deutschland ab. Insgesamt kommen in dieser Woche laut Auswärtigem Amt fünf Frauen, drei Männer und zwei Kinder an. Es ist das erste Mal, dass militante Islamisten auf diesem Weg nach Deutschland zurückkehren. Bisher hatte die Bundesregierung nur bei der Rückholung einiger weniger IS-Kinder assistiert. Dutzende Anhänger der Terrormiliz kamen in den vergangenen Jahren auf eigene Faust zurück – viele von ihnen landeten schon vor Gericht. Auch wenn die Beweiserhebung nicht immer einfach war und ist.

Wir werden alles tun, um zu verhindern, dass Rückkehrer mit Verbindungen zum IS zu einer Gefahr in Deutschland werden.

Horst Seehofer

„Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, dass jeder Einzelfall von den deutschen Behörden sorgfältig geprüft wird“, erklärte der CSU-Politiker am Montagabend. „Wir werden alles tun, um zu verhindern, dass Rückkehrer mit Verbindungen zum IS zu einer Gefahr in Deutschland werden.“ Mehrere andere europäische Staaten haben es bisher abgelehnt, IS-Anhänger zurückzuholen. Neben den Deutschen sind aber 15 weitere ausländische IS-Mitglieder betroffen, darunter Franzosen, Iren, Dänen und Amerikaner.

Vor Gericht verantworten

Dass einige der in Syrien inhaftierten deutschen IS-Anhänger eines Tages zurückkehren würden, wusste die Bundesregierung. Die Abschiebungen aus der Türkei kommen für die hiesigen Sicherheitsbehörden nun dennoch etwas plötzlich. Außenminister Heiko Maas (SPD) forderte die Türkei auf, zügig weitere Informationen zur geplanten Abschiebung mutmaßlicher IS-Anhänger nach Deutschland zu liefern. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, es befänden sich – außer den Menschen, deren Abschiebung für diese Woche avisiert wurde – noch „weniger als 20 Personen“ in türkischer Abschiebehaft, bei denen noch geprüft werden müsse, ob sie tatsächlich Deutsche seien.

Wenn betroffene Personen einen „Bezug zu IS-Kampfhandlungen“ hätten, wolle man dafür sorgen, dass sie sich in Deutschland vor der deutschen Gerichtsbarkeit verantworten müssen, sagte der SPD-Politiker am Montag am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel. Es brauche aber „ausreichend gerichtsfeste Beweise“, um jemanden in Haft zu nehmen oder vor Gericht zu stellen. Auch Frauen, die nicht selbst für die Terrormiliz gekämpft haben, müssen in Deutschland aber mit Strafverfolgung rechnen. Sie könnten wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung belangt werden. Bereits seit Jahren machten die Türkei, aber auch der Irak und die Kurden deutlich, dass sie diese Menschen nicht sicher unterbringen und Strafverfahren nicht durchführen könnten.

Schwierige Beweislage

Bei einem Mann, der bereits am Montag aus der Türkei nach Deutschland abgeschoben werden sollte, gibt es nach Angaben der Bundesregierung keine Beziehung zu der Terrormiliz. Bei zwei der Frauen gebe es Anhaltspunkte, dass sie sich in Syrien aufgehalten hätten. Bei den anderen Deutschen könne dies ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, sollen mindestens zwei der Frauen aus dem Lager Ain Issa in Syrien ausgebrochen sein. Vier der insgesamt fünf Frauen sollen in der vergangenen Woche in der Türkei festgenommen worden sein. Eine von ihnen ist dem Vernehmen nach eine Konvertitin aus Hamburg. Der Mann, mit dem sie einst ins IS-Gebiet ausgereist war, soll schon vor Jahren getötet worden sein. Zwei der Deutschen seien in Syrien gefasst worden, sagte der Sprecher des türkischen Innenministeriums, Ismail Catakli, nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.

Für uns ist klar, wir wollen jeden Gefährder in Haft sehen und nicht auf freiem Fuß.

Armin Schuster, CDU

Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sagte der Deutschen Presse-Agentur, vor der Abschiebung nach Deutschland müsse nicht nur in jedem Fall die Staatsangehörigkeit geklärt werden, sondern auch, „wohin zum Beispiel Doppelstaatler gehen“. Außerdem bräuchten die deutschen Behörden Zeit, um mögliche Ermittlungen und Strafverfahren vorzubereiten. Diesen diplomatischen Ablauf sollte der Bundesaußenminister mit seinen guten Kontakten in die Türkei gewährleisten können, sagte Schuster. Es sei allerdings klar gewesen, dass Deutsche irgendwann zurückkommen wollen, sagte er am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. „Für uns ist klar, wir wollen jeden Gefährder in Haft sehen und nicht auf freiem Fuß.“ Deutschland sei darauf vorbereitet. Der Bundesnachrichtendienst (BND) wisse über mögliche Gefährder Bescheid. „Jeder Rückkehrer wird schon am Flughafen von den Sicherheitsbehörden empfangen und anschließend intensiv befragt“, sagte Schuster. Es sei aber nicht immer einfach nachzuweisen, dass ein Gefährder an IS-Kampfhandlungen teilgenommen habe. Oft gibt es nur im Internet Beweisfotos, die aber aufgrund von Unschärfe oder Maskierung der Täter nicht immer weiterhelfen.

Erdogans Spiel

Der türkische Diktator Recep Erdogan hatte am 9. Oktober eine Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG in begonnen, um von seinen innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken. Auch die Rückführung der ausländischen IS-Anhänger könnte dem gleichen Zweck dienen: Erdogan kann sich als Politiker aufspielen, der dem Westen seinen Willen aufzwingt.

Bei der türkischen Militäraktion wurden nach offiziellen Angaben bisher 287 IS-Anhänger festgenommen, darunter Frauen und Kinder. Nach Angaben Erdogans sitzen derzeit zudem mehr als 1000 Anhänger des IS in türkischen Gefängnissen, darunter 737 ausländische Staatsbürger. Die von der YPG geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) hatten vor Beginn des türkischen Einmarschs die Kontrolle über Tausende IS-Gefangene. Schätzungsweise 10.000 IS-Kämpfer waren in mehreren SDF-Gefangenenlagern im Nordosten Syriens untergebracht, davon etwa 2000 ausländische Kämpfer sowie etwa 8000 syrische und irakische Staatsbürger. Die Kurdenmilizen kontrollierten aber auch mehrere Lager, in denen rund 70.000 Frauen und Kinder untergebracht waren. Tausende von ihnen sollen Angehörige von IS-Mitgliedern sein.

(dpa/BK)