Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi. (Bild: EZB)
EuGH-Urteil

Draghi darf Schrottpapiere kaufen

Es stand zu befürchten – alles andere wäre eine faustdicke Überraschung gewesen: Mario Draghi hat den Segen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) notfalls so viele Anleihen kriselnder Eurostaaten aufkaufen zu dürfen, wie er möchte. Das so genannte OMT-Programm („Outright Monetary Transactions“) ist nach Ansicht der höchsten europäischen Richter rechtens. Ifo-Chef Hans-Werner Sinn ist empört.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich bekanntlich bereits ausgiebig mit dem OMT-Programm befasst, gegen das unter anderen Peter Gauweiler (CSU) geklagt hatte. Die obersten deutschen Richter verwiesen das Thema zur Klärung an den EuGH nach Luxemburg. Und der hat dazu eine glasklare Meinung: „Der Gerichtshof stellt fest, dass das OMT-Programm in Anbetracht seiner Ziele und der zu ihrer Erreichung vorgesehenen Mittel zum Bereich der Währungspolitik gehört und damit unter die Befugnisse des Europäischen Systems der Zentralbanken fällt“, teilten die Richter am heutigen Dienstag mit.

Die nahezu 12.000 Kläger sind bekanntlich vom Gegenteil überzeugt. Ihrer Ansicht nach überschreitet die EZB mit dem OMT-Programm ihre Kompetenzen gewaltig und verstößt „gegen das Verbot der monetären Finanzierung von Mitgliedsstaaten des Euro-Währungsgebiets“. Die EZB betreibe Staatsfinanzierung durch die Hintertür, lautet der Vorwurf. Mario Draghi und seine Mitstreiter halten entgegen, dass das OMT-Programm auch mehr als zwei Jahre nach seiner Ankündigung noch gar nicht angelaufen ist. Allein Mario Draghis warme Worte hatten also damals die Märke beruhigt.

Draghis Ziel: Inflation anheizen, den Euro schwächen

Einkaufen gegangen ist der EZB-Chef derweil schon mit einem anderen, dem sogenannten Quantitative Easing-Programm: Mit dem Ziel, Inflation und Konjunktur im Euroraum anzuheizen, erwirbt die EZB seit März dieses Jahres querbeet für monatlich 60 Milliarden Euro Staatsanleihen. Die europäische Gemeinschaftswährung hat sie damit ganz bewusst auf Talfahrt geschickt. Mit OMT verfolgt die Zentralbank ein anderes Ziel: Die Zinsen einzelner Mitgliedsländern sollen mit dem gezielten Ankauf von Staatsanleihen gering gehalten werden. Kriselnden Ländern fällt es dann leichter, zahlungsfähig zu bleiben, und sie sollen vor Zinsspekulanten geschützt werden. Das aber dämpfe den Reformdruck in diesen Ländern, halten die Kritiker dagegen.

Die Richter in Luxemburg sehen es nicht so dramatisch und verweisen auf den Erwerb der Staatsanleihen auf den „Sekundärmärkten“: Durch die „Merkmale des OMT-Programms“ werde ausgeschlossen, „dass das Programm als geeignet angesehen werden könnte, den Mitgliedsstaaten den Anreiz zur Verfolgung einer gesunden Haushaltspolitik zu nehmen“, heißt es.

Hoffnung richtet sich auf Karlsruhe

Der Ball liegt nun wieder im Spielfeld der deutschen Verfassungsrichter in Karlsruhe. Und Hans-Werner Sinn, Chef des Münchner Ifo-Instituts, rät ihnen, sich bei dem demächst anstehenden Urteil nicht beirren zu lassen. Die Auffassung des EuGH, wonach das OMT-Anleiheprogramm rechtmäßig sei, „ist ein bedauerlicher Fehler“, betont Sinn. Die EZB überschreite sehr wohl ihre Kompetenzen und betreibe Wirtschaftspolitik. Sinn: „Das darf nicht sein!“ Die Ankündigung, Staatspapiere notfalls unbegrenzt kaufen zu wollen, wenn ein Staat in Schwierigkeiten gerate und Hilfe aus dem ESM halte, komme einer „kostenlosen Kreditausfall-Versicherung“ gleich. Die ökonomische Argumentation des Gerichts sei „nicht nachvollziehbar und nicht wahrhaftig“, kritisierte der ifo-Präsident in gebotener Schärfe.