Habe fertig? Matteo Renzi beim Dreiergipfel mit Angela Merkel und Francois Hollande in Ventotone. (Bild: Imago/Insidephoto/Cesare Purini)
Sorgenkind Italien

Renzi will noch mehr Schulden machen

Die Italiener können sich bei einem der ihren bedanken, der auf dem Chefsessel der Europäischen Zentralbank (EZB) sitzt: Ohne Mario Draghis expansive Geldpolitik samt Nullzinsen wäre „Bella Italia“ vermutlich längst pleite. Jetzt will das Land noch mehr Schulden machen. Die CSU ist dagegen, und das aus gutem Grund.

Das Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Frankreichs Staatschef Francois Hollande und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi Anfang dieser Woche zeigte, wohin der Weg der Europäischen Union nach dem Abschied der Briten führen könnte: In eine noch größere Schuldenfalle, bei deren Zuschnappen viele das Ende der EU befürchten.

Das Wort Sparpolitik hat in Europa nur Schaden angerichtet.

Matteo Renzi

Am Vorabend des kleinen Gipfel-Treffens auf der Insel Ventotene nahe Neapel hatte Renzi schon einmal klargemacht, wie er sich die EU nach dem Brexit vorstellt: „Das Wort Sparpolitik hat in Europa nur Schaden angerichtet“, meinte er und forderte eine deutlich expansivere Fiskalpolitik in der Euro-Zone. Mit anderen Worten: Wachstum mit immer mehr Geld auf Pump, das die Europäische Zentralbank fleißig drucken soll.

Italien lebt weit über seine Verhältnisse

Dabei lebt Rom seit Jahren weit über seinen Verhältnissen. Ende des ersten Quartals 2016 war Italien bereits bei schwindelerregenden 2,23 Billionen Euro Schulden angelangt, im Juni packte die Regierung Renzi nochmal sieben Milliarden Euro oben drauf. Die Verschuldung liegt jetzt bei höchst ungesunden 135,4 Prozent der Wirtschaftsleistung, nur Griechenlands Bilanz ist noch schlechter. Bei der Gesamtverschuldung haben die Italiener zuletzt Deutschland (2,17 Billionen Euro) überholt, dessen Wirtschaftsleistung aber deutlich stärker ist. Und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kommt bekanntlich trotz Flüchtlingskrise ganz ohne neue Schulden aus.

Monumentale Herausforderungen.

IWF, über Italien

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte bereits im Juli vor der tickenden Zeitbombe Italien gewarnt: Das Land stehe vor „monumentalen Herausforderungen“, hieß es. Im Gegensatz zu Deutschland und auch Frankreich, die die Wirtschafts- und Finanzkrise vor acht Jahren demnach relativ zügig meistern, sehen die IWF-Experten für Rom noch lange schwarz. Italien wird auf den guten Willen seiner EU-Partner angewiesen sein und möglicherweise sogar direkte Hilfe in Anspruch nehmen müssen, bis es wieder merklich aufwärtsgeht: Das Vorkrisenniveau von 2007 sieht der IWF für Italien erst 2025 erreicht. „Das Land wird dann zwei verlorene Jahrzehnte hinter sich haben, in denen die Partner der Euro-Zone zwischen 20 und 25 Prozent gewachsen sein werden“, schreiben die IWF-Autoren.

Die „notleidenden“ Banken

Sorgenkinder sind dabei bekanntlich vor allem Italiens Banken. 360 Milliarden Euro sogenannter fauler Kredite stehen in den Büchern. Damit sind im Schnitt rund 18 Prozent aller von Italiens Geldhäusern vergebenen Kredite „notleidend“. Auch in diesem Punkt wird „Bella Italia“ nur von Griechenland übertroffen. Auf 40 Milliarden Euro wurde der Kapitalbedarf italienischer Geldhäuser zuletzt geschätzt. Die Lücke würde Renzi gerne aus einem Fonds bedienen, ohne Aktionäre und Sparer zu schädigen. Anderenfalls droht ein weiterer Imageverlust der Regierung und so ein Scheitern des Referendums im Herbst zur geplanten Verfassungsreform.

Mehr Spielraum

Der Wind bläst Renzi von allen Seiten um die Ohren. Dass seine Reformen ins Stocken geraten sind, lesen Experten auch an dem derzeit gar nicht vorhandenen Wirtschaftswachstum ab. Im ersten Quartal des Jahres war es in Italien noch um zarte 0,3 Prozent nach oben gegangen, die folgenden drei Monate blieben unterm Strich eine Nullnummer. Und weil beim Volk ein Sparhaushalt überhaupt nicht gut ankommt, erbittet der Staatschef nun von der EU mehr „Flexibilität“. Für 2017 ist mit der Kommission ein Haushaltsdefizit von 1,8 Prozent vereinbart, die Zeitung Die Welt berichtet von einem zusätzlichen Spielraum von zehn Milliarden Euro, den Italien jetzt von Brüssel einfordert. Ähnliches wurde dem Land in den vergangenen zwei Jahren bereits gewährt. Das Geld will Renzi dem Bericht zufolge in das Rentensystem, höhere Einkommen für Beamte, mehr Sozialhilfe und in die Finanzierung einer geringeren Körperschaft- und Gewerbesteuer stecken und so auch die Wirtschaft stärken.

Mehr Flexibilität für Italien heißt am Ende nur, dass der deutsche Steuerzahler für die überbordenden italienischen Schulden geradestehen muss.

Markus Ferber, CSU-Europaabgeordneter

Der CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber ist dagegen. Das aus gutem Grund: „Mehr Flexibilität für Italien heißt am Ende nur, dass der deutsche Steuerzahler für die überbordenden italienischen Schulden geradestehen muss. Deswegen dürfen weder Italien noch Frankreich weitere Zugeständnisse beim Stabilitätspakt gemacht werden“, mahnte der CSU-Wirtschaftsexperte in dieser Woche. „Der Sündenfall Spanien und Portugal war schon schlimm genug“, so Ferber, der fordert, endlich Reformen durchzuführen, „anstatt sich erneut auf das Strohfeuer von schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen zu verlassen“.