Still ruht der Tegernsee, auch in unruhigen Zeiten. (Bild: avd)
Negativzinsen

Wird Vorstoß am Tegernsee zum Präzedenzfall?

Die Millionäre stehen Schlange, um Geld auf ihren Konten zu bunkern: Früher war das der Traum einer jeden Bank, jetzt ist es ein einziger Alptraum. Die Europäische Zentralbank hat mit ihrer desaströsen Zinspolitik die erste Genossenschaftsbank in die Knie gezwungen: Am Tegernsee werden demnächst Privatkunden Strafzinsen aufgebrummt. Ein Präzedenzfall?

Dass am Tegernsee nicht die allerärmsten Bürger Bayerns wohnen, hat sich wohl spätestens seit dem Steuerskandal um Ex-FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß herumgesprochen, der in Bad Wiessee lebt, sowie seit den Berichten über die Hausbauten einiger Spieler des FC Bayern. Die Millionäre hatten den Geldhäusern rund um den See lange Zeit große Freude bereitet. Schließlich ließ sich mit dem vielen Geld prächtig arbeiten, als dafür noch ordentliche Zinsen bezahlt wurden. Mittlerweile aber ist jeder Euro auf der Habenseite zur Last geworden.

Die erste Bank schlägt aus der Art

Die Europäische Zentralbank (EZB) berechnet Banken, die ihr Geld über Nacht bei ihr parken, bekanntlich einen Negativzins von -0,4 Prozent. Die Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee ist nun die erste ihrer Art, die ab September den Strafzins an betuchte Kunde weitergibt. Wer mehr als 100.000 Euro auf dem Konto hat, muss bluten.

Irgendwo müssen wir das Geld anlegen, wir können es ja nicht in den luftleeren Raum schieben.

Josef Paul, Raiffeisenbank Gmund

Gmunds Raiffeisenbank-Vorstand Josef Paul warb im Interview mit dem Münchner Merkur um Verständnis für den drastischen Schritt: „Irgendwo müssen wir das Geld anlegen, wir können es ja nicht in den luftleeren Raum schieben“, klagte er. Pauls Angaben nach war sein Geldhaus bis zum 1. August der Negativzins noch erspart geblieben. Wie andere Raiffeisenbanken auch, legen die Tegernseer das Geld über Nacht bei der genossenschaftlichen Zentralbank (DZ Bank) an. Doch jetzt habe die Zentrale gesagt, „liebe Genossen, wir müssen euch mit ins Boot holen, für eure Übernacht-Anlagen müssen wir Minuszinsen erheben“, so Vorstand Paul. Betroffen sind seinen Angaben nach rund 140 Kunden. Einer von ihnen hat bereits zwei Millionen Euro zu einer anderen Bank umgebucht.

Keine andere Lösung in Sicht

Alternativ hätte die Raiffeisenbank in Gmund freilich wie andere Geldhäuser auch an der Gebührenschraube für die verschiedenen Kontenmodelle drehen können, um so sie die Parkgebühren bei der der Zentralbank aufzufangen. Für Paul kam das nicht infrage: „Negativzinsen sind einfach, nachvollziehbar und transparent. Hier ist ganz klar das Verursacherprinzip ersichtlich.“

Vorbild Tegernsee?

Ob der Fall vom Tegernsee Schule machen wird, bleibt abzuwarten. Bis jetzt hat deutschlandweit erst ein weiteres Geldhaus ähnlich gehandelt: Die Skatbank im thüringischen Altenburg hatte 2014 einen Negativzins für Einlagen von mehr als einer halben Millionen Euro eingeführt. Der große Schrei der Empörung blieb damals wie heute aus: „Der extreme geldpolitische Kurs der EZB verursacht bei allen Banken erhebliche Kosten“, sagte nun ein Sprecher des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), dem die 273 bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken angehören. Bei der Suche nach Auswegen könne dazu in letzter Konsequenz auch gehören, „einen Auslagenersatz für Einlagen ins Auge zu fassen“, ergänzte der Sprecher, dem aber keine andere Bank bekannt ist, die solche Pläne schmiedet.

Der extreme geldpolitische Kurs der EZB verursacht bei allen Banken erhebliche Kosten.

Genossenschaftsverband Bayern

Auch ein Sprecher des Sparkassenverbands DSGV erklärte in einer Stellungnahme, dass bisher kein Haus von Privatkunden eine Verwahrgebühr verlangt. Anders die Geschäftskunden: Bayerns Sparkassenpräsident Ulrich Netzer hatte bereits im Mai der Deutschen Presse-Agentur gesagt, dass Geschäftskunden zum Teil ein „Verwahrentgelt“ für Anlagensummen im Millionenbereich zahlen. „Wir können das Geld nicht auf Dauer im eigenen Tresor halten“, so Netzer. Der Negativzins der EZB müsse bei hohen Summen aus wirtschaftlichen Gründen zumindest teilweise an die Kunden weitergeben werden, erklärte er. Für Privatkunden seien Strafzinsen aber bislang kein Thema, versicherte der bayerische Sparkassenpräsident im Mai.

Die 273 Volks- und Raiffeisenbanken in Bayern

arbeiten unter dem Dach des Genossenschaftsverbandes Bayern (GVB). Sie bieten im Freistaat in 2782 Geschäftsstellen und mit 4000 Bankautomaten das dichteste Servicenetz aller Bankengruppen. 52 Prozent der Bayern sind Kunde einer der Genossenschaftsbanken, die insgesamt rund 267 Millionen Mitglieder haben und 34.300 „heimatnahe und krisensichere Arbeitsplätze“ bieten, heißt es.