Die Chinesen kommen: Busladungen von Touristen aus dem Reich der Mitte landen in Vietnam. (Bild: von Rohland)
Chinesen in Vietnam

Rücksichtslos und aggressiv

Die Regierung macht es ihnen vor: das Wort Rücksicht ist für viele Chinesen ein Fremdwort. Während das Reich der Mitte im südchinesischen Meer illegal künstliche Inseln aufschüttet, um seine Gebietsansprüche zu untermauern, frönt das Volk seiner Reiselust. Insbesondere im benachbarten Vietnam benehmen sich viele Chinesen schwer daneben.

120 Millionen Chinesen reisten offiziellen Angaben zufolge im vergangenen Jahr ins Ausland. Trotz des Streits mit Vietnam um Inselgruppen im südchinesischen Meer stellt China auch dort den größten Teil der jährlich gut fünf Millionen Touristen; auf Rang zwei folgen die Russen. Und offensichtlich ist es meist nicht die Crème de la Crème, die da per Pauschalreise aus dem Reich der Mitte die internationalen Flughäfen Vietnams ansteuert. Schließlich ist das kommunistische Land vergleichsweise billig.

Das Image der Chinesen ist in der untersten Schublade angelangt.

Lothar Hübner, Mitglied der deutsch-vietnamesischen Gesellschaft in Nha Trang

Trotzdem feilschen die Chinesen um jeden Cent: „Die Händler beschweren sich über diese Touristen, sie treten bei Preisverhandlungen derart aggressiv auf, dass das Image der Chinesen in der untersten Schublade angelangt ist“, weiß Lothar Hübner, Mitglied der deutsch-vietnamesischen Gesellschaft in Nha Trang, der seit rund zehn Jahren in einem Vorort von Vietnams Touristenhochburg lebt. In den sozialen Netzwerken kursieren demnach sogar Bilder chinesischer Besucher, die einer Händlerin Bananen aus dem Korb klauen, weil sie ihnen zu teuer sind.

Der Normalpreis für den Urlaub eines Chinesen in dem Land liegt laut Hübner alles in allem bei rund 400 Dollar. „Es werden aber auch Reisen schon für 200 Dollar angeboten, dann wird hier gnadenlos abgezockt“, verweist der 67-Jährige ehemalige Hamburger Juwelier auf die Berichte der vietnamesischen Lokalpresse. Seit Mai dieses Jahres beklagen die Blätter immer wieder das respektlose Verhalten chinesischer Reiseunternehmen in den Touristenstädten Nha Trang, Hoi An und Da Nang.

Zahl der chinesischen Touristen hat sich verfünffacht

In Nha Trang hat sich demnach die Zahl der Touristen aus dem Reich der Mitte in nur einem Jahr verfünffacht. Doch die örtlichen Veranstalter haben meist nichts davon. So beherrschten im Mai dieses Jahres plötzlich Busse des chinesischen Unternehmens „Silent Beach“ das Stadtbild. Wie sich herausstellte, hatte die Firma die Busse mit gefälschten Papieren und tatkräftiger Hilfe eines ehemaligen Offiziellen der vietnamesischen Tourismusbehörde auf die Straße gebracht. Der Mann und seine Familie, die für die Firma arbeiteten, hatten kräftig die Hand aufgehalten. Sie bekamen ein saftiges Bußgeld aufgebrummt, die gut zwei Dutzend Busse verschwanden wieder aus der Stadt.

China macht sich breit

Die Chinesen hält das nicht davon ab, an anderer Stelle ihr Unwesen zu treiben. „Sie missbrauchen die hiesige Gastfreundschaft und entwickeln ein eigenes System in der Region“, zitiert Hübner die Zeitungsberichte. Chinesische Reiseleiter werden demnach ohne erforderliche Arbeitsgenehmigungen beschäftigt. Und die Guides nehmen sich dann auch noch die Frechheit heraus, an bedeutenden Sehenswürdigkeiten die Geschichte Vietnams im Sinne Chinas zu verbiegen und zu verfälschen, da Vietnam 1000 Jahre lang von den Chinesen besetzt gehalten wurde. „Die Liste des respektlosen Verhaltens und der strafbaren Geschäftspraktiken der chinesischen Reiseveranstalter ist noch viel länger, aber ich glaube, jeder hat verstanden, dass China keinen Respekt vor anderen Ländern hat“, sagt Hübner.

Die Volksseele kocht, und selbst vietnamesischen Grenzbeamten fällt es schwer, die Contenance zu bewahren. Sie stören sich vor allem an vielen Reisepässen der Chinesen und weigern sich, diese abzustempeln. Aus gutem Grund: Nach Angaben der Zeitung Tuoi Tre News zeigen die Ausweise die imaginäre Neun-Strich-Demarkationslinie, mit der China 80 Prozent des Südchinesischen Meers für sich beansprucht. Das neue Design wird dem Bericht zufolge seit 2012 in die Pässe gedruckt. Die Inhaber bekommen in Vietnam keinen Einreisestempel mehr, sondern müssen sich mit einem Papier zufriedengeben. Durch die Ausgabe separater Visa werde die Haltung Vietnams unterstrichen, die Neun-Strich-Linie „nicht in irgendeiner Form anzuerkennen“, erläuterte ein Offizieller dem Blatt.

Ein Grenzbeamter am internationalen Flughafen in Ho Chi Minh Stadt hatte den Bogen Ende Juli freilich überspannt. Er verweigerte einer Frau aus Shanghai nicht nur den Stempel in den umstrittenen Pass, sondern kritzelte zudem die höchst unfreundliche Botschaft „Fuck You“ hinein. Der Fall sorgte in China für einen Sturm der Entrüstung, und das chinesische Konsulat in Vietnam forderte eine harte Bestrafung des Beamten, um sicherzustellen, dass so etwas nicht wieder passiert.

Internationale Gerichte haben für China keine Bedeutung

Völlig unbeeindruckt zeigt sich das Reich der Mitte derweil von dem Richterspruch des internationalen Schiedshofes in Den Haag, der im Juli Chinas Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer für null und nichtig erklärt hatte. Vietnam unterstrich daraufhin einmal mehr, dass es auf seine Rechte an den Paracel- und Teilen der Spratly-Inseln besteht.

Die Chinesen pfeifen drauf: Das Land erklärte seinerseits den Richterspruch aus Den Haag für „null und nichtig“ und setzt seine Bauarbeiten im Südchinesischen Meer unbeeindruckt fort. Die New York Times veröffentlichte in diesen Tagen neue Satellitenbilder, die den Konflikt weiter anheizen dürften. Die Aufnahmen zeigen aufgeschüttete Korallenriffe im Südchinesischen Meer. Abgesehen von den Umweltschäden: Auf den künstlich geschaffenen Inseln sind nagelneue Start- und Landebahnen zu sehen, sowie Türme und Flugzeughallen. Die New York Times geht aufgrund der Massivität der Anlagen von einer militärischen Nutzung aus. Die Bilder würden zwar keine Militärflugzeuge zeigen, in den Hallen könnte jedoch „jedes beliebige Militärflugzeug der chinesischen Armee Platz finden“, heißt es. Bestätigt wird das von China freilich nicht. Peking weist bis heute eine Militarisierung des Südchinesischen Meers weit von sich.

Chinesischer Cyberangriff auf Flughäfen

Den Streit um die Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer haben zuletzt auch chinesische Hacker angeheizt: Die sich „1937CN“ nennende Gruppe war Ende Juli in das Computernetzwerk der staatlichen vietnamesischen Fluggesellschaft Vietnam Airlines eingedrungen und erlangte auch die Kontrolle über Anzeigetafeln der Flughäfen in Hanoi und Ho Chin Minh Stadt (Saigon). Die Tafeln zeigten Botschaften, die Vietnam und die Philippinen für ihre Haltung in dem Konflikt schelten. Während die Computersysteme überarbeitet wurden, brach an den Check-In-Schaltern der Airports das Chaos aus. Zahlreiche Flugzeuge hoben bis zu 50 Minuten später ab als geplant. Laut lokalen Medien veröffentlichten die Hacker zudem persönliche Daten von 400.000 Mitgliedern des Vielfliegerprogramms „Golden Lotus“ von Vietnam Airlines.