Umstrittener chinesischer Konzern: Trotz Spionage-Warnungen aus den USA darf Huawei am deutschen 5G-Netz mitbauen. (Foto: Picture alliance/AP Photo/Mark Schiefelbein, FILE)
Datensicherheit

Kritik an Huawei-Beteiligung

Aus der Union kommt Kritik an der Entscheidung von Angela Merkel, den chinesischen Konzern Huawei nicht vom Bau des neuen Mobilfunkstandards 5G auszuschließen. Geheimdienste befürchten nicht ohne Grund, dass Huawei für China spioniert.

Deutschland will die Beteiligung des chinesischen Telekommunikationskonzerns Huawei am Aufbau eines 5G-Mobilfunknetzes nicht unterbinden. Das geht aus einem Entwurf des Katalogs für Sicherheitsanforderungen hervor, den die Bundesnetzagentur jetzt vorgelegt hat. Im Vergleich zu einer Eckpunkte-Fassung des Papiers, die im März veröffentlicht wurde, wurdde ein entscheidender Punkt abgeschwächt: So heißt es nicht mehr, dass Lieferanten vertrauenswürdig sein müssen. Vielmehr müssen sie ihre Vertrauenswürdigkeit nur zusichern und eine Erklärung abgeben.

Die neuen Sicherheitsanforderungen sind ein wichtiger erster Schritt, um dieses Ziel zu erreichen.

Horst Seehofer (CSU), Bundesinnenminister

Die USA hatten ein pauschales Verbot des umstrittenen chinesischen Ausrüsters Huawei gefordert, wie sie es auch selbst verhängt haben. Dieses ist nun vom Tisch. Die USA drohen deshalb indirekt mit einer Einschränkung der Geheimdienst-Zusammenarbeit. Komponenten für kritische Infrastruktur sollen laut dem deutschen Entwurf geprüft und zertifiziert werden müssen, einzelne Anbieter werden aber nicht ausgeschlossen. Der Katalog schreibt auch vor, dass in zentralen Bereichen der Infrastruktur die Ausrüstung von mindestens zwei verschiedenen Ausrüstern verwendet werden muss und die Komponenten einer Firma maximal zwei Drittel aller verwendeten Ausrüstung ausmachen dürfen.

Konsequenzen im Fall von Spionage bleiben vage

Zudem sollen Firmen verpflichtet werden, eine Sicherheitserklärung abzugeben. Faktisch soll dies Unternehmen wie Huawei dazu zwingen, schriftlich zuzusichern, dass sie sich an keiner Spionage beteiligen oder Hintertüren in Produkte einbauen. Nicht nur in Sicherheitskreisen wird der Wert einer solchen Erklärung in Frage gestellt. Zuerst hatte das Handelsblatt über den Sicherheits-Katalog berichtet.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verteidigte das Vorgehen: Die Sicherheit der Netze habe hohe Priorität. „Die neuen Sicherheitsanforderungen sind ein wichtiger erster Schritt, um dieses Ziel zu erreichen.“ Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) versuchte Kritiker zu beschwichtigen: „Das künftige 5G-Netz stellt eine zentrale kritische Infrastruktur für Zukunftstechnologien dar.“ Der Katalog solle ermöglichen, dass höchste Sicherheitsstandards für die Technologie zugesichert würden.

Missachtung der Eigenerklärung von Herstellern oder Lieferanten können zu beträchtlichen Sicherheitsverletzungen führen.

Entwurf des Katalogs für 5G-Sicherheitsanforderungen der Bundesnetzagentur

Der Entwurf wurde von der Bonner Regulierungsbehörde erarbeitet, übergeordnete Bundesministerien waren aber mit von der Partie. Nach übereinstimmenden Berichten aus den beteiligten Ressorts hat vor allem eine Intervention des Kanzleramts eine schärfere Fassung der Anforderungen verhindert. Kanzlerin Angela Merkel fürchte ein Zerwürfnis mit China, zitiert das Handelsblatt Regierungskreise. Damit habe sich Merkel über die Warnungen der US-Regierung hinweggesetzt, die Huawei für ein unkontrollierbares Risiko hält.

Merkel verteidigt Huawei-Zulassung in der Unionsfraktion

Die Regierung räumt ein, keine absolute Sicherheit gewährleisten zu können. „Im Zertifizierungsverfahren kann maximal die Vertrauenswürdigkeit eines Herstellers hinterfragt werden“, heißt es dazu im veröffentlichten Entwurf. Und: „Missachtung der Eigenerklärung von Herstellern oder Lieferanten können zu beträchtlichen Sicherheitsverletzungen führen.“ Welche konkreten Konsequenzen es jedoch hat, wenn eine Firma die eigene Erklärung verletzt, bleibt vage.

Dieses Vorgehen verteidigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angeblich persönlich in der CDU/CSU-Fraktionssitzung, wie das Handelsblatt schreibt. Statt eines Ausschlusses von Huawei gebe es allgemein verschärfte Sicherheitsstandards. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, beim Ausbau des Mobilfunknetzes sei die Sicherheit ein sehr hohes Gut. Grundsätzlich sei der Ansatz unverändert so, dass kein Unternehmen von vornherein ausgeschlossen werde. „Aber wir stellen einen Katalog erweiterter strenger Sicherheitsanforderungen auf. Dem muss jeder, der beteiligt werden will, Folge leisten – bei ständiger Überprüfung der Sicherheit der Systeme.“

Kritik aus CDU und CSU

Erst in der vergangenen Woche hatte die EU-Kommission mit Blick auf den Aufbau von 5G-Netzen vor Gefahren durch Anbieter außerhalb der EU gewarnt. Damit war vor allem Huawei gemeint. In dem deutschen Entwurf wird Huawei nicht namentlich erwähnt. Huawei-Kritiker hatten gefordert, die Regeln so zu formulieren, dass sie dem chinesischen Konzern den deutschen Markt versperrt hätten.

Es ist nicht die Frage, ob wir dem Konzern Huawei trauen, sondern ob wir der Kommunistischen Partei Chinas trauen, deren Interessen und Anforderungen sich Huawei ganz selbstverständlich unterzuordnen hat.

Norbert Röttgen, CDU-Außenpolitiker

In der Telekommunikationsbranche hat Huawei eine zentrale Position, das Unternehmen ist der weltweit führende Netzwerkausstatter und liefert auch viele Komponenten. Von deutschen Telekommunikationsunternehmen waren darum Bedenken laut geworden, Huawei auszuschließen. Dies könnte den Ausbau des Mobilfunknetzes verlangsamen, warnten sie. Huawei steht bei der 5G-Infrastruktur vor allem mit den europäischen Anbietern Ericsson und Nokia im Wettbewerb.

Innerhalb der CDU regt sich heftige Kritik an dem Entwurf und damit an Merkels Entscheidung. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte in der Bild-Zeitung: „Es ist nicht die Frage, ob wir dem Konzern Huawei trauen, sondern ob wir der Kommunistischen Partei Chinas trauen, deren Interessen und Anforderungen sich Huawei ganz selbstverständlich unterzuordnen hat.“ Schließlich gehe es um die Frage: „Wen lassen wir das digitale Nervensystem unseres Landes bauen?“

Bundestag sollte entscheiden

Das sei eine Frage der nationalen Sicherheit und wäre von Verfassungsrang, betonte Röttgen. Er forderte eine transparente öffentliche Entscheidung: „Das geht nicht einfach per Verwaltungshandeln oder regierungsinterner Papiere. Das muss in den Bundestag und gesetzlich geregelt werden – etwa bei der Novelle der Telekommunikationsgesetze.“

Auch der CSU-Landtagsabgeordnete Alex Dorow äußerte auf Facebook deutliche Kritik: „Für mich ist es nicht mehr fassbar, dass aus offensichtlichen Appeasementgründen hoch sensible Strukturen künftiger Kommunikationstechnik einer völlig intransparenten, im Spionagebereich hoch aggressiven Diktatur zugänglich gemacht werden. Die angeführten Sicherheitsüberprüfungen auf europäischer Ebene sind schlicht weiße Salbe in einem offenen Kommunikationssystem.“

Wir schaffen eine neue Abhängigkeit von China und verpassen es wieder, eine eigene europäische Lösung zu schaffen auf diesem Gebiet.

Elmar Brok, CDU

Elmar Brok, langjähriger CDU-Europaabgeordneter, sagte in Bild: „Ich halte die Öffnung für Huawei für einen riesigen Fehler.“ Denn: „Wir schaffen eine neue Abhängigkeit von China und verpassen es wieder, eine eigene europäische Lösung zu schaffen auf diesem Gebiet.“ Brok kritisierte weiter: „Warum stärken wir mit dem Geld nicht europäische Hersteller, die das ebenfalls können. Das ist nicht anti-chinesisch, sondern pro-europäisch.“

USA drohen mit Einschränkung der Geheimdienst-Zusammenarbeit

Denn deutsche und andere westliche Geheimdienste warnen ausdrücklich vor technischer Abhängigkeit, vor Sabotage und Spionage. Die US-Regierung bekräftigte ihre Haltung und drohte, die Zusammenarbeit der Geheimdienste zu überdenken, sollte Deutschland einen „nicht vertrauenswürdigen“ Anbieter in sein 5G-Netz lassen. „Es kommt nicht nur auf technische Sicherheitsmaßnahmen an“, zitiert das Handelsblatt Robert Strayer, Unterstaatssekretär für virtuelle und internationale Kommunikation im US-Außenministerium.

Wichtig ist vor allem, dass es sich um vertrauenswürdige Anbieter handelt.

Robert Strayer, US-Außenministerium

„Wichtig ist vor allem, dass es sich um vertrauenswürdige Anbieter handelt“, so Strayer. Die Vertrauenswürdigkeit zeige sich vor allem daran, ob der Telekomanbieter seinen Hauptsitz in einem Land habe, in dem es einen Rechtsstaat und eine unabhängige Justiz gebe. „Außerdem kommt es auf das ethische Verhalten des Unternehmens an“, sagte Strayer. Er erinnerte daran, dass gegen Huawei in den USA zahlreiche Klagen liefen – auch von T-Mobile. Nach Handelsblatt-Informationen sind die Netzbetreiber Deutsche Telekom und Vodafone dabei, Komponenten von Huawei aus dem sensibelsten Bereich der Infrastruktur – dem sogenannten Kernnetz – zu entfernen.