„Mark“ kann piepen, blinken und vibrieren – er ist eine Kombination aus einem grauen Arbeitshandschuh und einem orangefarbenen, rechteckigen Scanner. Der intelligente Handschuh soll Arbeitsabläufe im Logistik- und Produktionsbereich effizienter gestalten, Prozesse vereinfachen und Mitarbeiter entlasten. Beim Automobilhersteller BMW ist „Mark“ in mehreren Werken im Einsatz. Knapp 90 weitere Kunden hat der Hersteller „ProGlove“ seit der offiziellen Markteinführung im vergangenen Herbst gewonnen, darunter Audi, Skoda, Penny und John Deere.
Betrieben fehlen Kapazitäten
Während ein Großteil der etablierten Konzerne das Potential der Digitalisierung erkannt hat und voranbringt, hinken viele Mittelständler hinterher. Etwa zehn Prozent der Unternehmen befinden sich noch auf Stufe Null. Das hat eine deutschlandweite Befragung der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) ergeben. Von den restlichen Firmen – unter denen die Befragung durchgeführt wurde – sind circa 80 Prozent auf den Stufen eins und zwei (computerisiert) und 20 Prozent auf den Stufen drei und vier (digitalisiert), wobei nur rund zwei Prozent die höchste Stufe vier erreichen.
Der Grund sei aber nicht die Scheu vor hohen Investitionskosten, sondern fehlende Kapazitäten innerhalb der Betriebe, um sich mit dem Thema Digitalisierung auseinander zu setzen, sagt Alfred Gaffal, vbw-Präsident und Vorsitzender des Zukunftsrats der Bayerischen Wirtschaft. Die Mitglieder des Zukunftsrats wollen deshalb Unternehmern zeigen, welchen konkreten Nutzen der Einsatz digitaler Technik im Betrieb habe. Dazu bieten sie unter anderem die Vermittlung von IT-Spezialisten an sowie Tests, um herauszufinden an welchem Punkt der Digitalisierung der entsprechende Betrieb steht. Auch Schulungen für Mitarbeiter, beispielsweise im Umgang mit Robotern, finanziert die vbw.
Digitalisierte Unternehmen sind erfolgreicher.
Alfred Gaffal, vbw Präsident
Denn mit dem digitalen Reifegrad der Firmen nehmen Mitarbeiterzahl und Umsatz zu. So liegt der Mitarbeiterzuwachs bei digitalisierten Unternehmen im Vergleich zum Durchschnitt um 40 Prozent höher, das Umsatzwachstum sogar 80 Prozent höher, so die aktuelle vbw-Studie. Aus der Befragung ergibt sich auch: Die Firmen aus Industrie und industrienaher Dienstleistung haben 2016 in Deutschland bereits eine Wertschöpfung durch die Digitalisierung von rund 200 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Aber es liegt nicht nur in der Hand des Unternehmers, die Potenziale der Digitalisierung weiter auszuschöpfen – auch der Staat ist gefragt. Der Zukunftsrat hat daher Handlungsempfehlungen ausgearbeitet, zu denen er drei entscheidende Maßnahmen zählt: die Veränderungen in der Arbeitswelt, Bildung und Investitionen in den Standort.
Veränderungen in der Arbeitswelt
Der Zukunftsrat setzt sich für ein flexibleres Arbeitsrecht ein. So dürfe die Arbeit auf und über Plattformen, genannt Crowdworking, nicht überreguliert werden. Er spricht sich zudem gegen eine Robotersteuer aus. Sie hemme die Möglichkeit, innovative Konzepte im Betrieb zu etablieren.
Raus aus der Kreidezeit
Innerhalb der kommenden fünf Jahre soll das digitale Klassenzimmer an allen bayerischen Schulen Realität sein – eingebettet in ein pädagogisches Gesamtkonzept. Das fordert der Zukunftsrat. Die Zahl der elektronischen Tafeln in Bayerns Schulen hat sich zwar vom Jahr 2013 auf aktuell rund 15.300 verdoppelt, doch WLAN gibt es bisher nur an der Hälfte aller Schulen in Bayern.
Welche digitalen Medien machen im Unterricht wirklich Sinn? Der BAYERNKURIER hat die größte Ganztagsschule Niederbayerns besucht. Am St.-Gotthardt-Gymnasium legen die Lehrer Wert auf einen Mix aus Innovation und Tradition.
Know-How in Zentren bündeln
Kompetenzen im Bereich Cyber-Sicherheit, Künstliche Intelligenz, Robotik, digitales Planen und Bauen und 3D-Druck sollen in speziellen Zentren gebündelt werden. Denn es reiche beispielsweise nicht, nur neue Professoren an den Hochschulen einzustellen, sagt Wolfgang Herrmann, Präsident der Technischen Universität München und ebenfalls Vorsitzender des Zukunftsrats. Wichtig sei, jedes neu gegründete Institut mit einem Schulungs- und Weiterbildungszentrum auszustatten. Auch der Ausbau der Infrastruktur, darunter Glasfaser, Mobilfunk und 5G-Technologie müsse noch schneller vorankommen.
Impulsgeber für die Wirtschaft
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft hat den Zukunftsrat als Impulsgeber für die Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandorts Bayern vor drei Jahren ins Leben gerufen. So zeigte die Studie „Big Data im Freistaat Bayern“ bereits, dass neben rechtlichen Rahmenbedingungen, auch bessere Kooperationen zwischen Unternehmen und Wissenschaft wichtig seien. In der aktuellen Studie „Neue Wertschöpfung durch Digitalisierung“ spannen die Initiatoren den Bogen von der Landwirtschaft über die Industrie bis hin zu den Dienstleistungen, präsentieren ökonomische Analysen, technologische Trends sowie Blockchain-Technologien.
Handschuh mit Köpfchen
Ein Beispiel aus der digitalen Welt: Der schlaue Handschuh des Münchner Start-ups ProGlove. Der BAYERNKURIER hat das Unternehmen besucht. Wie die Tüftler den Markt revolutionieren wollen lesen Sie hier: Handschuh mit Köpfchen.