Der schlaue Handschuh ist beim Autobauer BMW im Einsatz. (Bild: www.guenterschmied.com)
Start-up

Ein Handschuh mit Köpfchen

Der schlaue Handschuh des Münchner Start-ups ProGlove spart Zeit und entlastet Mitarbeiter. Das interessiert immer mehr Unternehmen, darunter Großkonzerne wie BMW. Dort ist die Erfindung bereits in mehreren Werken im Einsatz. Für ihre Erfindung sind die Tüftler jetzt mit dem Red Dot Design Award ausgezeichnet worden.

„Mark“ kann piepen, blinken und vibrieren – er ist eine Kombination aus einem grauen Arbeitshandschuh und einem orangefarbenen, rechteckigen Scanner. Mit diesem intelligenten Handschuh will das Münchner Start-up „ProGlove“ Arbeitsabläufe im Logistik- und Produktionsbereich effizienter gestalten, Prozesse vereinfachen und Mitarbeiter entlasten: So dokumentiert und prüft der Miniscanner auf dem Handschuh jeden Arbeitsschritt.

Ein rotes Licht blinkt auf oder ein schriller Piep ertönt, sobald der Mitarbeiter bei der Montage zum falschen Bauteil greift oder Waren nicht richtig einsortiert. Zudem hat er beide Hände frei, da der übliche Griff zum Scanner wegfällt. Das entlastet Menschen, die beispielsweise mit schweren Einbauteilen oder Gepäckstücken arbeiten. Und es spart Zeit. 2.000 bis 4.000 Minuten pro Arbeitstag, abhängig von der Anzahl der Scans und Arbeitsschritte in Produktion oder Logistik.

Idee am Fließband

Die Idee dazu kam dem heute 33-jährigen Paul Günther während seines BWL-Studiums. Damals begleitete er regelmäßig Besuchergruppen durch die Produktion im BMW-Werk in München. 1.000 Fahrzeuge pro Tag gehen dort vom Band, jedes wird rund 1.200 Mal gescannt. Vom Studium kannte er andere Tüftler, unter ihnen Thomas Kirchner, Jonas Girardet und Alexander Grots. Zusammen mit den damaligen Innovationsberatern bastelten sie an einem ersten Modell.

Ich habe die Mitarbeiter mit den Pistolenscanner am Band beobachtete und mir wurde deutlich, wie viel Zeit durch das Scannen verloren geht.

Paul Günther, Gründer von ProGlove

Die Idee wurde Realität, als die vier jungen Tüftler 2014 den Wettbewerb „Make it Wearable“ von Intel gewannen. Mit dem Preisgeld von 235.000 Euro konnte das Team die Entwicklung von Prototypen voranbringen und ihr Unternehmen „ProGlove“ gründen. „Die größte Herausforderung war dabei herauszufinden, was der Kunde wirklich braucht. Es geht nicht darum möglichst viel Technik reinzupacken, sondern die Schnittstelle zu den Menschen gut zu gestalten“, sagt Günther.

Da es in Sachen „Wearables Technologies“, also tragbarer Technik, in der Industrie bisher erst wenige Erfahrungswerte gibt, machten die Jungunternehmer viele Experimente und Tests – sowohl im Werk von BMW und Festo, als auch in ihren Büroräumen im Münchener Kreativquartier am Ostbahnhof.

In der Industrie sind die Anforderungen sehr hoch, der Handschuh ist ein Arbeitsgerät das extrem robust sein muss.

Paul Günther, Gründer von ProGlove

Der intelligente Handschuh im Einsatz

Beim Automobilhersteller BMW ist „Mark“ inzwischen seit 2015 in mehreren Werken im Einsatz. Ende vergangen Jahres nutzten rund 230 Mitarbeiter den intelligenten Handschuh, beispielsweise in der Cockpitfertigung im Stammwerk München oder bei der Zusammenstellung von Teilen im Werk Dingolfing. Knapp 90 weitere Kunden hat das Team seit der offiziellen Markteinführung im Herbst 2016 gewonnen, darunter Audi, Skoda, Penny und John Deere. Beim Großteil der Kunden ist das 1.200 Euro teure System testweise im Einsatz.

Produziert wird in Deutschland. Den Handschuh strickt ein Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, für die Technik ist TQ-Systems mit Sitz am Ammersee verantwortlich. Das Kleidungsstück im Ausland herstellen zu lassen, kam für die Unternehmer nicht in Frage. „Für uns sind die kurzen Wege entscheidend, um auf Änderungen schnell reagieren zu können“, sagt Günther. Mal muss die Halterung modifiziert oder die Kamera des Scanners besser gegen Kratzer geschützt werden.

Insgesamt hat ProGlove im vergangen Jahr knapp 1.000 Handschuhe hergestellt, 33 Mitarbeiter beschäftigen sie inzwischen. Deutsche Investoren scheuten anfangs Geld in das Start-up zu stecken, Unterstützung kam in erster Linie von den US-Firmen Intel und Gettylab. Inzwischen kam die Bayern Kapital hinzu, eine erste Finanzierungsrunde über zwei Millionen Euro läuft seit Mitte 2016.

Weitere Ideen auf Lager

Neben „Mark“ haben die Tüftler von ProGlove noch einen weiteren schlauen Handschuh im Angebot: „Katharina“. Sie war die erste Erfindung von Paul Günther und Co. Bei „Katharina“ stecken die Funktionen in einem Armreifen. Mit Display, Sensorik und WLAN-Verbindung sind ihre Funktionen komplexer als die von „Mark“.

„Wir waren anfangs begeistert, was technologisch alles möglich ist, doch am Ende haben wir uns auf das konzentriert, was die Industrie derzeit wirklich braucht und das war fürs Erste die Entwicklung des Handschuh-Scanners“, sagt Günther. Jetzt sei es an der Zeit, bei den technischen Finessen einen Schritt weiter zu gehen. Neue Ideen hat er bereits. Mal sehen, welcher Name auf „Katharina“ und „Mark“ noch folgt…

Red Dot Design Award 2017 für „Mark“

Der schlaue Handschuh ist für sein Design in diesem Jahr mit dem Red Dot Design Award ausgezeichnet worden. Die Auszeichnung hat sich international als eines der begehrtesten Qualitätssiegel für gute Gestaltung etabliert. Der Designwettbewerb wird vom Design Zentrum Nordrhein Westfalen e. V. ausgeschrieben. Die jährlich wechselnde Jury aus rund 40 anerkannten Experten stammt aus der ganzen Welt.