Bayerns Staatsregierung fordert von der Europäischen Zentralbank - hier die Zentrale in Frankfurt am Main - das Ende der Niedrigzinspolitik. (Bild: Imago/G. Alabiso)
Kabinett

Niedrigzinspolitik behindert Reformen

Die anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank bereitet auch der Bayerischen Staatsregierung Sorgen. Je länger die niedrigen Zinsen andauerten, desto mehr würden sie wie ein Bremsklotz für dringend notwendige Reformen wirken, stellte Ministerpräsident Horst Seehofer fest. Gemeinsam mit ifo-Präsident Clemens Fuest sprach der Ministerrat über mögliche Konsequenzen für den Freistaat.

Zusammen mit dem Präsidenten des renommierten ifo-Instituts, Clemens Fuest, hat die Bayerische Staatsregierung in seiner Kabinettssitzung über die anhaltende Niedrigzinspolitik der EZB und die Folgen des „Brexit“ beraten. Dabei betonte Ministerpräsident Horst Seehofer. die Niedrigzinspolitik sei notwendig gewesen, „um in einer akuten Krise den Euroraum zu stabilisieren“.

Bremsklotz für wichtige Reformen

Je länger diese Politik jetzt allerdings andauere, „desto mehr wird sie zum Bremsklotz für dringend notwendige Reformen in den Schuldenstaaten, zum Risiko für die langfristige Stabilität der Eurozone und zur Belastung für die Sparer und für alle, die privat für das Alter vorsorgen“, betonte der Regierungschef. Billiges Geld dürfe kein Ersatz für notwendige Reformen in den Schuldenstaaten sein, formulierte der Ministerrat in einer Pressemitteilung. Die Staatsregierung rief EZB-Präsident Mario Draghi dazu auf, „jetzt den Weg zu einer langfristig gesunden Geld- und Währungspolitik“ einzuschlagen. Das bedeute konkret: „Das Ankaufprogramm der EZB für Staatsanleihen muss zeitnah zurückgefahren werden. Nullzinsen und steigende Inflationsraten in Deutschland sind nicht länger hinzunehmen.“

Reformaufruf an Schuldenstaaten

Die Staatsregierung forderte zudem die hoch verschuldeten Staaten der Eurozone auf, die unausweichlichen Reformen jetzt zügig anzupacken, um eine neue wirtschaftliche Dynamik zu entfachen. „Eine langfristig wettbewerbsfähige Wirtschaft entsteht nicht durch künstlich niedrige Zinsen, sondern durch echte Strukturreformen zugunsten von Wachstum und Beschäftigung. Investiert wird nur dann, wenn der wirtschaftliche Rahmen stimmt und Produkte konkurrenzfähig sind. Wer das verdrängt und weiter allein auf günstige Kredite und Finanzhilfen der EZB setzt, riskiert eine noch größere Krise in der Zukunft.“

Wer weiterhin auf Kredite und Finanzhilfen der EZB setzt, riskiert eine noch größere Krise in der Zukunft.

Horst Seehofer, Bayerischer Ministerpräsident

Keine Vergemeinschaftung der Schulden

Zusätzlich erteilte der Ministerrat Rufen nach einer noch weiteren Dehnung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts eine klare Absage. „Die Lösung für Probleme in der Gegenwart kann nicht sein, den kommenden Generationen immer noch mehr Schulden aufzubürden“, sagte Seehofer. Das sei sozial ungerecht und untergrabe „schleichend die Lebenschancen junger Menschen“. Seehofer brachte es auf den Punkt: Eine Vergemeinschaftung von Schulden machen wir nicht mit.“

Staatsregierung bedauert Brexit

Auch der anstehende Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union war Thema im Ministerrat. Staatskanzleiminister Marcel Huber betonte einmal mehr, dass Bayern den Austritt des Landes aus der EU bedauere. „Wir müssen die Entscheidung der Mehrheit in Großbritannien für den Brexit aber akzeptieren und gemeinsam für alle Bürgerinnen und Bürger in Europa die vernünftigste Lösung für diese Situation finden“, sagte der Minister weiter. Dazu sei es notwendig, jetzt konstruktive Gespräche zu beginnen mit dem Ziel, eine tragfähige Grundlage für die künftige Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zu schaffen.

Bayern fordert „konstruktive Lösung“

„Wir wollen eine konstruktive Lösung für die Zukunft“, betonte Huber. Dieses Ziel müsse im Mittelpunkt der anstehenden Gespräche stehen, so der CSU-Politiker – nicht nur die schwierige Abwicklung der Mitgliedschaft. „Großbritannien ist wichtig als Absatzmarkt für unsere Produkte und auch als Partner für Sicherheit und Stabilität in Europa. Beide Seiten müssen jetzt aufeinander zugehen und ein neues Modell für den Handel und die politische Zusammenarbeit entwickeln“, sagte Huber. Ein Rückfall auf die Handelsregeln der WTO müsse unbedingt verhindert werden. Sollten sich beide Seiten nicht auf Nachfolgeabkommen zur EU-Mitgliedschaft einigen, wäre dies allerdings die logische Konsequenz.