Die Türkei beschmutzt: Erdogan hat eine Diktatur errichtet. (Bild: Imago/Gustavo Alabiso)
Türkei-Besuch

„Opposition gehört in einer Demokratie dazu“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat beim türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan die Einhaltung von Freiheitsrechten angemahnt. Konkret erinnerte die Kanzlerin den umstrittenen Präsidenten daran, die Meinungsfreiheit und die Gewaltenteilung in seinem Land nicht weiter zu untergraben. Merkel setzte ein Signal und traf auch Vertreter der Opposition.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei ihrem Staatsbesuch in der Türkei im Gespräch mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die Einhaltung von Freiheitsrechten angemahnt. In der entscheidenden Phase der Aufarbeitung des gescheiterten Putschversuchs vom vorigen Juli sei es wichtig, dass die Meinungsfreiheit und die Gewaltenteilung in der Türkei eingehalten werde – „Opposition gehört zu einer Demokratie dazu“, sagte Merkel nach einem zweieinhalbstündigen Gespräch mit Erdogan in Ankara.

Erster Besuch seit Putschversuch

Merkel war zum ersten Mal nach dem Putschversuch im Sommer zu politischen Gesprächen in die Türkei gereist. Bei ihren Treffen mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Binali Yildirim will sie unter anderem Fortschritte für das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei erzielen.

Merkel trifft auch Oppositionspolitiker

Nach den Gesprächen mit den Regierungsvertretern wird sich Merkel auch mit Vertretern türkischer Oppositionsparteien treffen. Teilnehmen sollen Vertreter der größten Oppositionsgruppe, der Mitte-Links-Partei CHP, sowie der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP. Elf Parlamentarier der HDP sitzen derzeit in Untersuchungshaft – Erdogan behauptet, die HDP sei der verlängerte Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. In Wahrheit wollte er sich wohl für die angestrebte Präsidialverfassung eine Mehrheit im Parlament verschaffen.

Wie wichtig die Äußerungen der Kanzlerin in diesem Zusammenhang sind, zeigten auch die Äußerungen anderer deutscher Politiker im Vorfeld des Besuches. Bundesinnenminister Thomas de Maizière äußerte sich besorgt. „Die Entwicklung der demokratischen Verhältnisse, der Umgang mit der Justiz gibt Anlass zur Sorge“, sagte der CDU-Politiker der Passauer Neuen Presse.

Erdogans verheerende Bilanz

Die Bilanz von Erdogans Regierung ist in den vergangenen Monaten verheerend: Seit dem gescheiterten Putsch im Juli 2016 sind in der Türkei Zehntausende Menschen entlassen oder verhaftet worden. Justiz, Polizei und Medien wurden mit den Verhaftungswellen zum Schweigen oder auf Linie gebracht. Dabei ist es der AKP mittlerweile völlig egal, ob die vorgeworfenen Gründe für die Verhaftungen auch nur ansatzweise plausibel sind. So wurde jetzt der bekannte Journalist Ahmet Sik von der einzig verbliebenen Oppositionszeitung Cumhuriyet unter dem Vorwurf verhaftet, der Gülen-Bewegung nahe zu stehen, so berichtet es die Zeit. Dabei war es Sik, der 2011 mehr als ein Jahr inhaftiert wurde, weil er ein Buch über die Unterwanderung der Polizei durch die dubiose Gülen-Sekte geschrieben hatte. Damals war Gülen noch ein enger Verbündeter von Erdogan auf dem Weg in die Diktatur.

Amnesty International in Istanbul berichtete zudem, inzwischen seien beinahe 400 Nichtregierungsorganisationen dauerhaft geschlossen worden, fast ein Drittel der weltweit inhaftierten Journalisten befänden sich nun in der Türkei in Haft.

Verhältnis zu Europa ist angespannt

Das zwischen Deutschland und der gesamten EU und der Türkei ist seit langem angespannt – manche sagen: eisig. In mehreren Fällen warf Erdogan deutschen Politikern unter anderem vor, nach dem Putschversuch, für den er den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen verantwortlich macht, zu wenig Solidarität gezeigt zu haben. Erdogan bemängelt außerdem, dass die Bundesregierung nicht gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Gülen-Bewegung in Deutschland vorgehe. Im Streit um die Visafreiheit für Türken bei EU-Reisen hat er mit der Aufkündigung des Flüchtlingspaktes mit der EU gedroht, zu dessen Architekten Merkel zählt.

Aus Europa gibt es dagegen Stimmen, die davor warnen, sich von Ankara erpressen zu lassen. Die Türkei sei mittlerweile eine Diktatur. Zudem wird in Deutschland wegen Spionage durch türkische Geheimdienstleute und Imame ermittelt.