Muss sich überaus unangenehme Fragen gefallen lassen: NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Auch im Innenausschuss des Bundestags wies er die Verantwortung für die Fehlleistungen der Polizei während der Übergriffe auf Frauen in Köln allein der dortigen Polizeiführung zu und duckte sich vor seiner politischen Verantwortung weg. (Foto: Imago/Christian Ditsch)
NRW-Innenminister Jäger

Die Schlinge zieht sich zu

Nach den sexuellen Übergriffen von Nordafrikanern und Arabern auf Frauen in Köln fordern CDU-Bundestagsabgeordnete eine Untersuchungsausschuss im Landtag in Düsseldorf. Im Raum steht der Verdacht, dass NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) im Landtag die Unwahrheit sagte, als er behauptete, es gebe keine Anweisung an die Polizei, die Nationalität von Straftätern zu verschweigen.

Auch nach der Vernehmung des NRW-Innenministers Ralf Jäger (SPD) im Innenausschuss des Bundestages sind viele Fragen offen – auch die nach einem Rücktritt des Ministers. Die CDU-Innenexperten Thomas Strobl und Armin Schuster forderten, die sexuellen Angriffe durch orientalisch-muslimische Migranten auf Frauen in der Silvesternacht in Köln müssten ein Nachspiel im nordrhein-westfälischen Landtag haben. Die Tatverdächtigen sind zum größten Teil Moslems aus Marokko, Algerien, Syrien, Afghanistan, dem Iran und dem Irak, darunter überwiegend Asylbewerber.

In Nordrhein-Westfalen gibt es eine politisch beeinflusste Kultur der Verharmlosung und Tabuisierung von Straftaten durch Ausländer.

Armin Schuster, CDU-Bundestagsabgeordneter

Armin Schuster sagte: „Ich glaube, dass ein Untersuchungsausschuss in Nordrhein-Westfalen das geeignete Mittel wäre.“ Der rot-grünen Landesregierung unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) warf Schuster vor, in dem Land gebe es eine „politisch beeinflusste Kultur der Verharmlosung und Tabuisierung von Straftaten durch Ausländer“. Seinen Vorwurf begründete Schuster damit, dass Jäger bisher „nichts Substanzielles“ zu einer Bundesübersicht über die Kriminalität von Ausländern beigetragen habe. CDU-Parteivize Thomas Strobl sagte, der Bundespolizei sei kein Vorwurf wegen des Einsatzes in der Silvesternacht zu machen. Aber Verfehlungen der nordrhein-westfälischen Landespolizei müssten im Landtag in Düsseldorf untersucht werden.

Im Innenausschuss des Bundestages hatte NRW-Innenminister Jäger über die Angriffe auf Frauen in der Silvesternacht berichtet. Erneut leugnete er seine eigene Verantwortung für die Vorkommnisse und Fehlplanungen und schob sie komplett auf die Einsatzführung der Polizei, die keine weiteren Kräfte angefordert habe. Jäger widersprach erneut der Darstellung, dass in Nordrhein-Westfalen Kriminalität von Ausländern verharmlost würde. „Ich würde es als fatal erachten, wenn die Herkunft von Straftätern verschleiert würde“, sagte Jäger.

Ist Jäger ahnungslos oder lügt er?

Bereits am Montag hatten Jäger und Kraft in Düsseldorf betont, es gebe keine derartigen Erlasse oder sonstigen Anweisungen. Im Gegenteil, sagte Jäger nach der Sitzung des Innenausschusses: Er habe per Erlass geregelt, dass die Polizei alle Taten von oder gegen Zuwanderer als solche kennzeichnet. Doch der Verdacht steht im Raum, dass Jäger gegenüber Parlament und Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt hat. Wie der WDR berichtet, existiert eine im Internet auf den Seiten der NRW-Landesregierung offen einsehbare Anweisung des Innenministeriums, die von 2008 stammt und die 2011, als Jäger bereits Minister war, ausdrücklich bestätigt wurde.

In den „Leitlinien für die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schutz nationaler Minderheiten vor Diskriminierungen“ vom 15. Dezember 2008 befiehlt das NRW-Innenministerium wörtlich: „Auf die Zugehörigkeit zu einer Minderheit wird in der internen und externen Berichterstattung nur hingewiesen, wenn sie für das Verständnis eines Sachverhaltes oder für die Herstellung eines sachlichen Bezuges zwingend erforderlich ist.“ Und weiter: „Medienauskünfte enthalten nur dann Hinweise auf eine Beteiligung nationaler Minderheiten, wenn im Einzelfall ein überwiegendes Informationsinteresse oder ein Fahndungsinteresse dazu besteht.“

Auf die Zugehörigkeit zu einer Minderheit wird in der internen und externen Berichterstattung nur hingewiesen, wenn sie für das Verständnis eines Sachverhalts oder für die Herstellung eines sachlichen Bezugs zwingend erforderlich ist.

Runderlass des NRW-Innenministeriums zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei vom 15. November 2011

Ausdrücklich bestätigt wurden die genannten „Leitlinien“ von 2008 in einem Runderlass des Innenministeriums zur „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei Nordrhein-Westfalen“ vom 15. November 2011. Damals war Jäger bereits seit mehr als einem Jahr Innenminister. Dort heißt es in Punkt 4.1.2 („Inhalt der Presseauskünfte“) wörtlich: „Auf die Zugehörigkeit zu einer Minderheit wird in der internen und externen Berichterstattung nur hingewiesen, wenn sie für das Verständnis eines Sachverhalts oder für die Herstellung eines sachlichen Bezugs zwingend erforderlich ist. Die „Leitlinien für die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schutz nationaler Minderheiten vor Diskriminierungen“ (Runderlass des Innenministeriums vom 15.12.2008 (SMBl. NRW. 2051)) sind zu beachten.“

Da stellt sich die Frage: Kennt SPD-Innenminister Jäger seine eigenen Runderlasse nicht – oder hat er bewusst Parlament und Öffentlichkeit belogen? Beides würde ihn für sein Amt disqualifizieren.

Jägers Devise: Wegducken, leugnen, schönreden

Auch im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags hatte sich Jäger fünf Stunden lang um die Übernahme der politischen Verantwortung für das Kölner Silvesterdesaster herumgedrückt (der Bayernkurier berichtete). Angesichts der massiven sexuellen Übergriffe von arabischen und nordafrikanischen Migranten auf Frauen in der Silvesternacht in Köln schob Jäger allein der Polizei die Schuld für den Mangel an Einsatzkräften und das Vertuschen der Identität der Täter zu. Doch die CDU will Jäger den Versuch, sich derart aus der Verantwortung zu drücken, nicht durchgehen lassen.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber legte Jäger den Rücktritt nahe: „So wie er sich nun im Innenausschuss des Landtags gewunden hat, sollte er sich kritisch hinterfragen, ob er noch der richtige Mann für die innere Sicherheit im bevölkerungsreichsten Bundesland ist.“ Jäger habe seinerzeit als Oppositionspolitiker alle paar Wochen diesem oder jenem Minister die Eignung abgesprochen und den Rücktritt gefordert. „Da kann man erwarten, dass er die gleichen Maßstäbe auch an sich selbst anlegt“, sagte Tauber der Rheinischen Post.

Jäger lässt die Polizisten im Regen stehen. Das ist feige und unanständig.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer

Massive Kritik äußerte auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer: „NRW-Innenminister Ralf Jäger lässt die Polizisten im Regen stehen. Das ist feige und unanständig.“ In Köln liege ein „Versagen der Führung“ vor, betont Scheuer. „Der zuständige SPD-Innenminister muss dafür Verantwortung übernehmen. Es ist dringend geboten, dass er sich bei den Opfern entschuldigt.“

Die CDU im Düsseldorfer Landtag verzichtete bislang auf direkte Rücktrittsforderungen, übte aber ebenfalls scharfe Kritik an Jäger – und zunehmend auch an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), die ihrem angeschlagenen Minister das Vertrauen aussprach. CDU-Innenexperte Theo Kruse wertete die Übergriffe in Köln als „Höhepunkt des Staatsversagens in NRW“. Im Land mache sich zunehmend „ein Gefühl der Rechts- und Führungslosigkeit breit“, sagte der CDU-Abgeordnete.

Erschreckendes Amtsverständnis des Innenministers

Der CDU-Fraktionsvorsitzende und Oppositionsführer Armin Laschet warf Innenminister Jäger ein „erschreckendes Amtsverständnis“ vor. Im Deutschlandfunk sagte Laschet: „Ein Innenminister, der sagt, für die Polizei vor Ort, für alles, was schiefläuft, bin ich nie verantwortlich, denn die sind immer selbst nur operativ tätig, der ist in der Tat eine Gefahr für die innere Sicherheit. Da muss sich die Ministerpräsidentin Kraft überlegen, kann sie mit dem die innere Sicherheit gewährleisten. Wir haben schon lange daran unsere Zweifel.“ Der Oppositionsführer erinnerte daran, dass Jäger als Oppositionspolitiker mindestens sechs- oder siebenmal den Rücktritt der damaligen CDU-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter gefordert habe – so bei jedem einzelnen Gefängnisausbruch. Dieselben strengen Maßstäbe solle Jäger nun auch an sich selbst anlegen, sagte Laschet.

Besonders hart ging Laschet mit Jägers Vergleich ins Gericht, auch ein Gesundheitsminister trete ja nicht zurück, wenn eine Blinddarmoperation misslinge. „Das zeigt für mich erschreckend sein Amtsverständnis, dass er gar nicht weiß, was Innenminister bedeutet: Der Innenminister ist der Dienstherr aller Polizeibeamten, der oberste Dienstherr. Das ist nicht wie ein Gesundheitsminister im Verhältnis zu einem Arzt. Insofern muss er seine Polizei so organisieren, dass es zu solchen Missständen, die er ja drastisch beschrieben hat, nicht kommt“, so Laschet.

Rot-Grün ist eine Gefahr für innere Sicherheit.

Armin Laschet, CDU-Chef in NRW

Der CDU-Fraktionschef betonte, die ganze rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen sei eine „Gefahr für die innere Sicherheit“. Als Beispiele nannte Laschet: „Wir haben die meisten Einbruchsdiebstähle in ganz Deutschland. Wir haben eine Wohlfühlzone für Salafisten. Wir haben jetzt diesen Fall in Recklinghausen, wo ein potenzieller IS-Sympathisant einfach abtaucht und dann in Paris Gewalttaten ausübt. Wir hatten die rechte Hooligan-Demonstration in Köln vor einem Jahr, wo alles schiefgelaufen ist.“ Laschet betonte: „Das sind Anlässe genug, dass man sagt, ihr müsst den Kurs ändern, und zu einer Kursänderung wird auch ein neuer Innenminister gehören.“ Laschet kritisierte Ministerpräsidentin Kraft dafür, dass sie „das alles so toll findet und Herrn Jäger so toll findet“.

In diesen Tagen liegt das Versagen nicht bei der Kölner Polizei, sondern bei einem Innenminister, der alles wusste und die Dinge hat laufen lassen.

Armin Laschet

An konkreten Fehlleistungen Jägers nannte Laschet die Zuweisung von zu wenig Polizeikräften im Vorfeld sowie die Unterdrückung von Fakten am 1. bis 3. Januar: „Zunächst hat die Kölner Polizei mehr Einsatzkräfte eingefordert, als sie vom Düsseldorfer Innenministerium bekommen hat. Das war vor dem Silvestertag. Die Kölner Polizei hatte ein Lagebild und hat gesagt, wir brauchen mehr Einsatzkräfte. Man hat ihr weniger bewilligt.“ Das sei noch nicht alles, betonte Laschet: „Der Fehler ging ja dann noch weiter! Die Polizei hat aus Köln dem Innenminister noch in der Silvesternacht die gesamten Ereignisse geschildert und was da abgelaufen ist in Köln. Dann hat sie der Presse am Neujahrsmorgen gesagt, es war alles friedlich und wunderbar, und weder am Neujahrstag, noch am 2. Januar, noch am 3. Januar hat Herr Jäger, der mehr wusste, und auch nicht die Ministerpräsidentin die Öffentlichkeit unterrichtet, und erst Medien haben ja dann aufgedeckt, was in Köln wirklich passiert ist. Die Frauen haben sich selbst zu Wort gemeldet. In diesen Tagen liegt das Versagen nicht bei der Kölner Polizei, sondern bei einem Innenminister, der alles wusste und die Dinge hat laufen lassen.“

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat Nordrhein-Westfalens attackierte Jäger ebenfalls wegen dessen Kritik an der Kölner Polizeiführung. „Ich halte das für schäbig, was der Innenminister hier versucht“, sagte er im Sender Phoenix. Die Polizeibeamten hätten es verdient, dass sich ihr Dienstherr schützend vor sie stelle. Doch Jäger versuche, die gesamte Verantwortung bei der Polizei abzuladen. „Das ist eigentlich ein Skandal“, so Lindner. „Das ist ein ganz offensichtlicher Versuch, um zu verschleiern, dass er politische Verantwortung für die Polizei trägt.“ Die Ministerpräsidentin schaue dem Treiben des Innenministers tatenlos zu, kritisierte der FDP-Chef auch Hannelore Kraft. Sie scheine mit der Sicherheitslage und der Politik in NRW zufrieden zu sein. „Das bin ich nicht.“

Harte Kritik auch von Kommentatoren

Die Zeitungskommentatoren üben ebenfalls scharfe Kritik an dem SPD-Minister. Sogar die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) aus Essen, üblicherweise der SPD in inniger Liebe verbunden, ärgerte sich sehr über Jägers Auftritt: „Ein Wort der Entschuldigung gegenüber den gedemütigten Frauen aus der Silvesternacht? Fehlanzeige. Demut? Keine Spur. Stattdessen der selbstgerechte Vergleich mit einem Gesundheitsminister, der ja auch nichts für die fehlgeschlagene Blinddarm-OP könne. Nach diesem Maßstab hätte noch nie ein Minister zurücktreten müssen.“ Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) kritisiert, Jäger sei nicht dazu berechtigt, die Schuld allein auf das Polizeipräsidium Köln zu schieben: „Weder der Eindruck der Vertuschung noch das dreiste Verhalten der Täter sind allein auf Kölner Mist gewachsen. Das eine ist das Ergebnis einer Leisetreterei gegenüber Ausländern, die seit Jahrzehnten politisch und medial kultiviert wird, das andere die zügellose Reaktion darauf in einem Milieu, das staatliche Autorität ohnehin nicht anerkennt.“

Die ‚Willkommenskultur‘ scheint nicht nur an Rhein und Ruhr als Kultur des Verschweigens missverstanden zu werden.

Kommentar in der „Welt“

Die Welt kritisiert das jahrelange Verschweigen der Kriminalität von Zuwanderern: „Es mehren sich die Anzeichen für eine – freundlich formuliert – sehr zurückhaltende Öffentlichkeitsarbeit der Polizei, was Kriminalität von Flüchtlingen angeht. Und da war schließlich das über Tage währende Nachrichtenloch von Köln. Die ‚Willkommenskultur‘ scheint nicht nur an Rhein und Ruhr als Kultur des Verschweigens missverstanden zu werden.“ Der Kölner Stadt-Anzeiger fordert: „Wer möchte, dass die Integration gelingt, muss endlich damit beginnen, die Gefahren und Probleme öffentlich zu konkretisieren anstatt Fakten zu verschweigen. Wenn wir nicht genau wissen, womit wir es zu tun haben, wie sollen wir dann Lösungen finden?“ Die Rheinische Post (RP) schließt sich der Kritik an, die Neujahrsnacht von Köln sei nur der traurige Höhepunkt einer ganzen Reihe von gewaltigen Missständen bei der inneren Sicherheit: „Es tobt seit Jahren ein teils blutiger Rockerkrieg, von rechtsfreien Räumen in Duisburger Problemvierteln ist die Rede. Und bei einer Demonstration von gewaltbereiten Hooligans und Rechtsextremen vor dem Kölner Hauptbahnhof geriet die Lage völlig außer Kontrolle, weil zu wenig Polizei am Ort war.“

In der Neujahrsnacht waren zahlreiche Frauen am Kölner Hauptbahnhof von arabisch-moslemischen Orientalen und Nordafrikanern – vor allem von Marokkanern, Algeriern, Afghanen, Syrern, Irakern und Iranern – sexuell belästigt oder bestohlen worden. Seither sind über 650 Strafanzeigen von Betroffenen eingegangen. Der Kölner Polizei wird unter anderem vorgeworfen, nicht angemessen reagiert und die moslemisch-arabische Herkunft von Verdächtigen verschwiegen zu haben. Ähnliche Vorfälle gab es jedoch nicht nur in weiteren deutschen Großstädten, sondern auch in Österreich, der Schweiz, Finnland und Schweden.

WDR/Reuters/DLF/wog