Dänemark und Schweden machen die Schotten dicht
Der Druck auf die Bundeskanzlerin und auf Deutschland steigt: Weil Schweden seine Grenzkontrollen verschärft hatte, musste Dänemark folgen. Sonst hätte sich dort der anhaltende Migrantenstrom gestaut. Jetzt endet die Völkerwanderung über die Balkanroute allerdings im Norden der Bundesrepublik. Zeitgleich reisen jeden Tag über 3.000 neue Flüchtlinge im Süden Deutschlands ein. Berlin muss handeln.
Grenzkontrollen

Dänemark und Schweden machen die Schotten dicht

Der Druck auf die Bundeskanzlerin und auf Deutschland steigt: Weil Schweden seine Grenzkontrollen verschärft hatte, musste Dänemark folgen. Sonst hätte sich dort der anhaltende Migrantenstrom gestaut. Jetzt endet die Völkerwanderung über die Balkanroute allerdings im Norden der Bundesrepublik. Zeitgleich reisen jeden Tag über 3.000 neue Flüchtlinge im Süden Deutschlands ein. Berlin muss handeln.

Mit ihrem „Nein“ zu jeder Obergrenze für Migranten gerät Bundeskanzlerin Angela Merkel unter immer stärkeren Druck. Nicht nur durch vernünftig-selbstverständliche Forderungen aus Bayern, sondern durch pragmatisch-politische Handlung in Skandinavien: Weil es gar nicht anders geht, hat jetzt Dänemark an der deutschen Grenze wieder Passkontrollen eingeführt – zunächst nur stichprobenweise und nur für zehn Tage. Aber die Maßnahme kann auch verlängert werden.

Dänische Notwehrmaßnahme

Die befristete Rückkehr zu Grenzkontrollen, die das Schengener Abkommen ausdrücklich erlaubt, ist für Dänemark eine reine Notwehrmaßnahme. Kopenhagen hatte sie überdies angekündigt. Wenn das Nachbarland Schweden wie geplant seine Grenzkontrollen verschärfte, dann würde Dänemark mit ähnlichen Kontrollen an der Grenze zu Deutschland folgen müssen, hatte Dänemarks Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen in seiner Ansprache zum Jahreswechsel gewarnt.

Wir wollen nicht wieder Flüchtlinge und Migranten auf unseren Autobahnen sehen. Wir werden für Ruhe und Ordnung sorgen.

Dänemarks Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen

So ist es nun gekommen. Die Schweden haben am Montag (4. Januar) an ihren Grenzen strikte Passkontrollen verhängt: Alle Bahnfahrer werden kontrolliert, Autos stichprobenweise. Wer keine gültigen Reisedokumente vorweisen kann, wird zurückgewiesen – nach Dänemark. Fährenbenutzer ohne Papiere dürfen gar nicht erst an Bord. Fast 190.000 Migranten haben im zuende gegangenen Jahr 2015 Schweden erreicht. Für 2016 sahen die Schweden eine ähnliche Zahl auf sich zukommen – und mussten die Notbremse ziehen. Schweden will praktisch keine Migranten mehr aufnehmen. Es kann nicht mehr.

Wenn die schwedische Grenze geschlossen bleibt, werden sich die Schwedenmigranten auf der dänischen Seite der Grenze stauen.

Schwedens neue Politik schafft für das kleine Dänemark (5,6 Millionen Einwohner) eine große Gefahr: Wenn die schwedische Grenze geschlossen bleibt, werden sich die Schweden-Migranten auf der dänischen Seite der Grenze stauen. Die dänische Regierung musste reagieren. Die Wiedereinführung strikter schwedischer Passkontrollen könnte dazu führen, dass eine große Zahl von illegalen Migranten in und um Kopenhagen blieben, erläuterte denn auch nur Stunden nach der schwedischen Entscheidung Rasmussen auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz: „Wir wollen nicht wieder Flüchtlinge und Migranten auf unseren Autobahnen sehen. Wir werden für Ruhe und Ordnung sorgen.“

Problem für Deutschland

Kopenhagens Notwehrmaßnahme erhöht jetzt den Druck auf Deutschland. Migranten, die nicht nach Dänemark und Schweden weiterreisen können, stranden sozusagen in Deutschland. Vor Ansammlung von Flüchtlingen auf der deutschen Seite der Grenze warnt schon die Gewerkschaft der Polizei.

Merkel kommt jetzt in Zugzwang. Es wird nicht reichen, gebetsmühlenhaft zu betonen, dass eine Obergrenze für Flüchtlinge nicht mit dem individuellen Asylrecht vereinbar wäre.

Rheinische Post

Die Grenzkontrollen der Dänen verstopften jetzt das einzige Ventil, dass Deutschlands angesichts des massenhaften Zustroms noch gehabt habe: die Grenze zu Dänemark und Schweden, kommentiert die in Düsseldorf erscheinende und als CDU-nah geltende Tageszeitung Rheinische Post (Auflage: 302.822). Das Blatt sieht die Folgen für Berlin: „Merkel kommt jetzt in Zugzwang. Es wird nicht reichen, gebetsmühlenhaft zu betonen, dass eine Obergrenze für Flüchtlinge nicht mit dem individuellen Asylrecht vereinbar wäre. Die Kanzlerin muss alles in Bewegung setzen, die Flüchtlingswelle zumindest zu reduzieren.“

Schlagbäume am Malmöer Ende der Öresundbrücke

Schon geht es aber längst nicht mehr nur um den weiter wachsenden Migrantendruck auf Deutschland. Dänemarks Rückkehr zu Grenzkontrollen zeigt: Berlins Politik der hemmungslos offenen Grenzen und unbegrenzter Migrantenaufnahme bringt auch das Schengener Abkommen über den kontrollfreien Reiseverkehr in Europa in ernste Gefahr: Neben Dänemark haben fünf weitere Länder befristete Kontrollen eingeführt – Norwegen, Schweden, Österreich, Frankreich und eher vage und wenig wirksam sogar Deutschland.

Die anhaltende Völkerwanderung über die Balkanroute bedroht das wirtschaftliche Miteinander in Europa.

Die anhaltende Migrantenkrise bedroht das wirtschaftliche Miteinander in Europa. Schönstes – oder traurigstes –  Beispiel für das, um was es geht, ist die knapp acht Kilometer lange Öresundbrücke. Die Straßen- und Bahnverbindung macht das schwedische Malmö sozusagen zum Vorort von Kopenhagen und ist sozusagen „stolzes Monument für regionale Integration über Grenzen hinweg“ (The Guardian). 15 Jahre lang war  die Öresundbrücke Symbol für wirtschaftliches Zusammenwachsen in Europa, für daraus entstehende wirtschaftliche Dynamik und Prosperität führt. „Skandinavisches Silicon Valley“ hat man die Öresundregion schon geheißen. Plötzlich gilt das nicht mehr. Die anhaltende Völkerwanderung über die Balkanroute bringt alles in Gefahr und hat nun die Schweden gezwungen, am Malmöer Ende der Öresundbrücke wieder die Schlagbäume herunterzulassen.

Folge schwedischer Asylpolitik

Was sich jetzt zwischen Schweden und Dänemark abspielt, wiederholt im Kleinen die Folgen, die Berlins Asylpolitik im vergangenen Jahr für Deutschlands südliche und südöstliche Nachbarländer hatte. Denn noch eher als die Deutschen haben die Schweden uferlose Aufnahmebereitschaft verkündet. Was Folgen hatte: Stockholm machte dadurch seinen kleineren skandinavischen Nachbarn zum unfreiwilligen Transitland. Weit über hunderttausend Migranten zogen durch Dänemark, auf dem Weg ins gelobte Land Schweden. Den Dänen war klar: In dem Moment, in dem Schweden seine Politik änderte, kämen sie in Gefahr. Aber was sollten sie tun? Sie ließen die Schweden-Migranten passieren. Es blieb ihnen nichts übrig.

Dänemark zählte 2015 kaum 20.000 Asylbewerber. Und sehr viel mehr möchte das kleine Land mit eher begrenzter – und längst überstrapazierter –  Integrationsfähigkeit auch nicht aufnehmen.

Bis November ging das gut. In Dänemark wollten die wenigsten Migranten bleiben. Denn anders als die Schweden hatten die Dänen hatten in kluger Voraussicht schon ab 2004 ihre Asyl- und Einwanderungsbestimmungen verschärft. Folge: Dänemark zählte 2015 kaum 20.000 Asylbewerber. Und sehr viel mehr möchte das kleine Land mit eher begrenzter – und längst überstrapazierter –  Integrationsfähigkeit auch nicht aufnehmen.

An den bayerischen Grenzen zählte die Bundespolizei vom 26. Dezember bis zum 4. Januar 33.300 Migranten

Dänemark hat seine Lösung gefunden: Grenzkontrollen. Mit Erfolg. Die Migranten wissen es und begeben sich kaum noch auf den versperrten Weg nach Schweden. Am Montag (4. Januar) mussten an der schwedischen Grenze nur acht Personen gestoppt werden. Aber die Balkanroute ist weiter aktiv − und endet jetzt eben nur noch in Deutschland. Sogar bei stürmischem, gefährlichem Winterwetter setzten derzeit jeden Tag etwa 4.000 Migranten von der Türkei zu den griechischen Ägäis-Inseln über.

Täglich reisen über 3.000 neue Flüchtlinge nach Deutschland ein. Die Zahlen sind einfach noch viel zu hoch.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann

An den bayerischen Grenzen zählte die Bundespolizei in den zehn Tagen vom 26. Dezember bis zum 4. Januar insgesamt 33.300 Migranten. „Täglich reisen über 3000 neue Flüchtlinge nach Deutschland ein“, warnt Innenminister Joachim Herrmann. Auf ein ganzes Jahr umgerechnet würde selbst diese im Vergleich zum Sommer geringe Zahl über eine Million Migranten ergeben. Herrmann: „Die Zahlen sind einfach noch viel zu hoch.“ Problem: Wenn das Wetter in der Ägäis wieder besser wird, werden diese Zahlen sehr schnell wieder dramatisch wachsen. Es muss etwas geschehen – und schnell. Berlin ist am Zug.