Unterzeichnung der Vereinbarung „Integration durch Ausbildung und Arbeit“ (v.l.): Staatsminister Ludwig Spaenle, Staatsministerin Emilia Müller, der Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit in der Regionaldirektion Bayern, Markus Schmitz, Ministerpräsident Horst Seehofer, der Präsident des Bayerischen Handwerkstags (BHT), Georg Schlagbauer, Staatsministerin Ilse Aigner, der Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), Alfred Gaffal, und der Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHT), Eberhard Sasse. Bild: Bayerische Staatskanzlei
Integrationspakt

Schlüssel zur Zukunft

Um Flüchtlingen echte Perspektiven auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu eröffnen, unterzeichnete Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit und den Spitzenverbänden der bayerischen Wirtschaft einen Integrationspakt. Finanzminister Markus Söder machte klar, dass keine neuen Schulden für die Asylausgaben gemacht werden, es aber nicht so weitergehen dürfe.

„Diese Vereinbarung ist ein Kernstück des bayerischen Sonderprogramms ´Zusammenhalt fördern, Integration stärken´, das der Ministerrat am 9. Oktober 2015 beschlossen hat“, so der Ministerpräsident. „Arbeit ist die Grundlage eines selbstbestimmten Lebens und Motor für Integration. Unser erklärtes Ziel ist es, bis Ende 2019 rund 60.000 dauerhaft Bleibeberechtigte am Arbeitsmarkt zu integrieren. Gemeinsam mit der Wirtschaft in Bayern und der Arbeitsagentur übernehmen wir hier die Vorreiterrolle in Deutschland.“ Für die bayerische Wirtschaft unterzeichneten die Vereinbarung „Integration durch Ausbildung und Arbeit“ der Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), Alfred Gaffal, der Präsident des Bayerischen Handwerkstags (BHT), Georg Schlagbauer, sowie der Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHT), Eberhard Sasse. Die Bundesagentur für Arbeit war durch den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Regionaldirektion Bayern, Markus Schmitz, vertreten.

Wir wollen, dass Bayern das Land der gelingenden Integration bleibt. Und der Schlüssel zur Zukunft und für ein gutes Miteinander heißt: Integration und Teilhabe durch Ausbildung und Arbeit.

Horst Seehofer

„Ich danke der bayerischen Wirtschaft und der Bundesagentur für Arbeit für den heutigen Schulterschluss. Mit ihm machen wir deutlich: Wir stellen uns den enormen Herausforderungen, die mit dem Flüchtlingszustrom verbunden sind“, betonte Ministerpräsident Seehofer. „Wir wollen, dass Bayern das Land der gelingenden Integration bleibt. Und der Schlüssel zur Zukunft und für ein gutes Miteinander heißt: Integration und Teilhabe durch Ausbildung und Arbeit.“ Die Vereinbarung „Integration durch Ausbildung und Arbeit“ sehe wichtige Maßnahmen zur besseren Integration von anerkannten Asylbewerbern und Geduldeten mit guter Bleibeperspektive in Ausbildung und Arbeit vor. Hierzu zählten etwa die Sprachförderung, die Kompetenzfeststellung und Anerkennung von Qualifikationen, die Berufsorientierung sowie passgenaue Maßnahmen zur Integration durch Ausbildung für Auszubildende bis 21 und Erwachsene über 21 Jahre. Zugleich stellte Seehofer klar: „Ich kann der bayerischen Bevölkerung sagen, dass dies an den Arbeitsplatzchancen der hier lebenden Bevölkerung überhaupt nichts verändert.“ Die gleichen Anstrengungen unternehme man für die hiesige Bevölkerung.

Müller: Oft fehlt den Flüchtlingen die Qualifikation

„Die Integration der anerkannten Asylbewerber und derjenigen mit guter Bleibeperspektive ist eine essentielle Aufgabe der kommenden Jahre. Integration heißt dabei vor allem Integration in Arbeit. Denn nur so können die Menschen, die bei uns bleiben, ihren eigenen Lebensunterhalt sichern“, so Bayerns Arbeits- und Integrationsministerin Emilia Müller.

Wir werden sie aber nicht besser stellen, denn unsere Maßnahmen für alle anderen bleiben ungekürzt. Damit erhalten wir die Solidarität in der Bevölkerung.

Emilia Müller

Die Ministerin machte aber auch deutlich, dass eine schnelle Integration in Arbeit oftmals an fehlenden Qualifikationen scheitere: „Für alle gilt: Das Erlernen der deutschen Sprache ist das A und O.“ Bei der Arbeitsmarktintegration gehe der Freistaat nach Alter gestuft vor. „Jugendliche wollen wir daher vorrangig in qualifizierte Ausbildung bringen. Wir werden die Beratungsstellen für alle, die bereits eine Ausbildung oder Qualifizierung vorweisen können, ausbauen und Jobbegleiter bei der Vermittlung und Integration in Arbeit einsetzen“, sagte Müller. Insgesamt soll 20.000 Flüchtlingen bis 2016 ein Praktikum, eine Ausbildung oder eine Arbeitsstelle angeboten werden.

Haushalt ohne Neuverschuldung wird nicht aufgegeben

In der Sitzung des Ministerrats hat Finanzminister Markus Söder unterdessen sein Konzept für die Finanzierung der notwendigen Mehrausgaben im Bereich Zuwanderung und Integration vorgestellt. Wichtigste Botschaft des Finanzierungskonzepts: Der Haushalt ohne Neuverschuldung wird auch in 2016 nicht aufgegeben. „Die Finanzierung der Mehrausgaben erfolgt vollständig aus eigener Kraft“, betonte der Finanzminister. „Die vorausschauende Haushaltspolitik der vergangenen Jahre versetzt uns – anders als andere Länder – in die Lage, die Mehrausgaben ohne die Aufnahme neuer Kredite zu schultern.“ Grund hierfür sind unter anderem die Haushaltsreserven, die der Freistaat in den vergangenen Jahren anlegen konnte und nun für die Bewältigung der anstehenden Herausforderungen nutzt. Und weiter:

Künftige Generationen werden also durch den Asylbewerberzustrom nicht mit neuen Schulden belastet.

Markus Söder, Finanzminister

Das Konzept sieht vor, dass 2016 insgesamt 1,25 Milliarden Euro aus der Rücklage entnommen werden sollen, diese schrumpft nach derzeitigem Stand dann auf gut 1,6 Milliarden Euro. Der Gesamthaushalt wächst nach Angaben Söders um 7,6 Prozent auf rund 55 Milliarden Euro. Die Ausgaben für die Asyl- und Flüchtlingspolitik steigen 2016 auf 3,25 Milliarden Euro – voraussichtlich. Söder warnte deshalb auch nach der Kabinettssitzung, dass selbst der finanzstarke Freistaat derlei Mehrausgaben nicht dauerhaft schultern könne, wenn es keine Leistungskürzungen für die heimische Bevölkerung geben solle.

Wir schaffen das für das Jahr 2016 und haben auch noch Luft für Weiteres. Aber uns muss klar sein, dass das alles endlich ist.

Markus Söder

„Es geht nicht jedes Jahr so“, so der Minister weiter. Deshalb müsse es nun dringend zu einer Begrenzung der Flüchtlingszahlen kommen.

Bereits der am 4. August 2015 beschlossene Regierungsentwurf zum Nachtragshaushalt 2016 enthielt gegenüber dem Stammhaushalt zusätzliche Ausgaben für Asyl von rund 922 Millionen Euro. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat allerdings seine Zugangsprognose für 2015 am 19. August von 450.000 auf 800.000 Flüchtlinge erhöht. „Die bisherigen Ansätze müssen angesichts dieses unerwartet starken Anstiegs drastisch erhöht werden“, erklärte daher Söder. Insgesamt wurden für Zuwanderung und Integration noch einmal Mehrbedarfe von rund 1,79 Milliarden Euro festgestellt.  Allein für das am 9. Oktober 2015 im Ministerrat beschlossene Sonderprogramm „Zusammenhalt fördern, Integration stärken“, zu dem auch der Integrationspakt gehört, ist für 2016 ein Volumen von rund 489 Millionen Euro eingeplant. Der Regierungsentwurf des Nachtragshaushalts 2016 wird am 15. Oktober 2015 in erster Lesung im Bayerischen Landtag behandelt. Die zwischenzeitlich gegenüber dem Regierungsentwurf festgestellten Mehrbedarfe werden anschließend in Form sogenannter „Nachschublisten“ in die Haushaltsberatungen des Bayerischen Landtags eingeführt.

Seehofer verteidigt Transitzonen

CSU-Chef Horst Seehofer hat die SPD-Kritik an den von der Union angestrebten Transitzonen für Flüchtlinge als ungerechtfertigt und „ein bisschen realitätsfern“ zurückgewiesen. Die Transitzentren seien eine Maßnahme, die eine EU-Richtlinie ausdrücklich als Möglichkeit vorsehe, sagte der bayerische Ministerpräsident heute vor einer Kabinettssitzung in München. Und die SPD werde ja wohl nicht behaupten wollen, dass die EU „Unsinn“ beschlossen habe. „Die SPD wird Gelegenheit haben, das alles noch der Bevölkerung zu erklären, was sie derzeit vertritt“, sagte Seehofer. Die Union werde jetzt „in aller Ruhe weiter an dem Konzept arbeiten und dann bei der SPD dafür werben, dass sie dem zustimmt“.

Alle ziehen an einem Strang

Auch die anderen Teilnehmer des Integrationspaktes bekräftigten ihre Zustimmung zu der Vereinbarung. Der Geschäftsführer der bayerischen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, Markus Schmitz, kündigte spezielle Sprach- und Förderprogramme für Flüchtlinge an, die er als die größte arbeitsmarktpolitische Herausforderung seit der Wiedervereinigung bezeichnete. Man wolle aus den Flüchtlingen die Fachkräfte von übermorgen machen, sagte er. „Die größten Herausforderungen beim Spracherwerb, der Kompetenzfeststellung, der Qualifizierung und der ganzheitlichen Betreuung dieser Menschen. Die bayerische Arbeitsagentur bringt zusätzliche Mittel in Höhe von 45 Millionen Euro in die gemeinsame Initiative ein. Davon sollen rund 30 Millionen Euro in spezielle Berufsorientierungs- und Bildungsangebote für Jugendliche und Erwachsene mit Fluchthintergrund investiert werden. Zudem fließen 15 Millionen Euro allein in Sprachkurse.

Diese Vereinbarung ist die richtige Antwort auf den großen Flüchtlingszustrom und ein Meilenstein in der Diskussion, ob und wie Integration gelingen kann.

BIHK-Präsident Eberhard Sasse

„Gemeinsam übernehmen wir Verantwortung. Das ist unsere Botschaft in der Flüchtlingsfrage“, sagte der Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK), Eberhard Sasse. „Diese Vereinbarung ist die richtige Antwort auf den großen Flüchtlingszustrom und ein Meilenstein in der Diskussion, ob und wie Integration gelingen kann.“ Die bayerischen IHKs stellen in einem ersten Schritt 3,2 Millionen Euro für vier Leuchtturmprojekte zur Verfügung. Dies sind: Sprachförderung für jugendliche Flüchtlinge, der Aufbau einer Kümmererstruktur, um Betrieben bei der sozialen Betreuung von Flüchtlingen in Ausbildung oder Arbeit zu helfen, die Entwicklung eines Kompetenztests zur raschen Feststellung von beruflichen Qualifikationen sowie die nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt von Flüchtlingen über 25 Jahre mit IHK-Teilqualifikationen.

Hier ist besonders die Wirtschaft gefordert: Wir machen das!

vbw-Präsident Alfred Gaffal, in Anspielung auf Angela Merkels Aussage „Wir schaffen das“

Die Herausforderung durch die Flüchtlingskrise kann nach den Worten von vbw-Präsident Alfred Gaffal nur gemeistert werden, wenn die Beschäftigungschancen von Flüchtlingen realistisch eingeschätzt werden. „Wir stehen vor einer großen Herausforderung. Mittelfristig können gerade die Jugendlichen einen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten und sind in den Arbeitsmarkt integrierbar.“ Dies gelinge aber nur, wenn das Schulsystem noch mehr auf die jugendlichen Flüchtlinge ausgerichtet und parallel begleitende oder ersetzende Systeme geschaffen werden. „Langfristig sind Jugendliche in den Arbeitsmarkt integrierbar und können einen erheblichen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten“, hofft Gaffal. „Hier ist besonders die Wirtschaft gefordert: Wir machen das!“  Beginnend mit dem Jahr 2015 werden die Verbände insgesamt 6,7 Millionen Euro aufwenden. Neben verschiedenen Förderangeboten werden sie eine Online-Praktikumsbörse ins Leben rufen, die sich explizit an Flüchtlinge richtet.