Nicht sehen, nichts hören, nichts sagen: Rot-Rot-Grüner Affentanz in Thüringen. Bild: imago/Chai von der Laage; Montage: avd
Thüringen

Proteste gegen rot-rot-grünen Maulkorb

Rot-Rot-Grün in Thüringen offenbart ein merkwürdiges Verständnis von Meinungsfreiheit und Demokratie: Das Landesverwaltungsamt hat Bürgermeistern und Landräten verboten, sich öffentlich zu Themen zu äußern, die nicht unmittelbar mit Kommunalpolitik zu tun haben. Auslöser war anscheinend die Kritik eines Landrats an der Einwanderungspolitik des grünen „Migrationsministers“ Lauinger.

Massive Kritik üben Thüringer Kommunalpolitiker aller Parteien sowie Vertreter der Landes-CDU aller Ebenen an dem rot-rot-grünen Maulkorb-Erlass gegen Bürgermeister und Landräte. Das Landesverwaltungsamt hatte die kommunalen Amtsträger laut deren Berichten unter Androhung von Sanktionen daran „erinnert“, sich öffentlich ausschließlich zu Angelegenheiten ihrer Kommune zu äußern: „Ein Bürgermeister darf sich in amtlicher Eigenschaft grundsätzlich zu Angelegenheiten, die die Gemeinde betreffen, öffentlich äußern. Bei amtlichen Äußerungen kann er sich aber – anders als bei Äußerungen als Privatperson – nicht auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung berufen. Dieses Grundrecht steht einer Gemeinde und ihren Amtsträgern in amtlicher Eigenschaft nicht zu.“ Verstöße dagegen könnten als „Dienstvergehen“ geahndet werden und „disziplinarrechtliche Folgen“ haben, heißt es in dem amtlichen Rundschreiben. Diese Belehrung wurde von vielen Kommunalpolitikern als Drohung verstanden, zumal das Schreiben eigentlich keinen erkennbaren Grund hatte. Zumal dann in der Anordnung die sehr schwammige Formulierung folgte : „Ob eine Äußerung eine Äußerung in amtlicher Eigenschaft (amtliche Äußerung) oder eine Äußerung als Privatperson (private Äußerung) ist, richtet sich danach, wie sich die Äußerung aus Sicht eines mündigen, verständigen Bürgers darstellt.“ Insbesondere Äußerungen eines Bürgermeisters, Landrats und Gemeinschaftsvorsitzenden im Amtsblatt oder auf der Internetseite der Gemeinde seien in aller Regel amtlicher Art, hieß es in dem Schreiben weiter.

Ein Stück aus dem Tollhaus

Für das Amt ist nicht mal ein Vertreter der Rechtsnachfolger der SED namens Linkspartei verantwortlich, sondern ausgerechnet SPD-Innenminister Holger Poppenhäger. Allerdings ist natürlich auch bekannt, dass viele ehemalige SED-Mitglieder heute noch unbehelligt in zahlreichen Behörden von Thüringen und den anderen neuen Bundesländern sitzen. Am Ende könnte es also doch eine DDR-typische Auffassung gewesen sein, die zu diesem Schreiben führte.

Die Kritik kam prompt, heftig und parteiübergreifend. Vor allem Kommunalpolitiker reagierten überaus gereizt. „Schulmeisterei“ und „hochgradig irritierende Aktion“ nannte die Vorsitzende des Thüringer Landkreistages, Martina Schweinsburg (CDU, Landkreis Greiz), den Maulkorberlass. Die Landrätin des Ilm-Kreises, Petra Enders (Linkspartei), sagte, sie werde sich von dem amtlichen Schreiben nicht einschüchtern lassen: „Ich lasse mir keinen Maulkorb verpassen!“ Auch eine Landesregierung müsse sich kritische Äußerungen gefallen lassen, so Enders.

Ein Armutszeugnis für Rot-Rot-Grün.

FDP-Landeschefin Franka Hitzing, die auch Bürgermeisterin von Friedrichstahl ist, sprach von einem „Stück aus dem Tollhaus“ und einem „Armutszeugnis für Rot-Rot-Grün“. Der Thüringer Gemeinde- und Städtebund forderte den SPD-Innenminister auf, zu erklären, was das Rundschreiben sollte. „Die Bürgermeister sind verunsichert und verärgert“, so Geschäftsführer Ralf Rusch. Man habe den Verdacht, eingeschüchtert werden zu sollen. Einige Bürgermeister fühlten sich an DDR-Zeiten erinnert. Das hatten wir das letzte Mal 1989, sei zu hören.

Anlass: Kommunale Kritik an grüner Migrations-Ideologie

Auch innerhalb der SPD gärt es: Der Landrat von Schmalkalden-Meiningen, Peter Heimrich (SPD), beschied seinem Genossen, Innenminister Poppenhäger, er werde sich keinen Maulkorb umhängen lassen. Eine Interview-Äußerung von Heimrich kurz vor dem Schreiben war offensichtlich der Anlass für den rot-rot-grünen Maulkorberlass gewesen.

Minister Lauinger ist nicht zugänglich für Berichte aus der Realität. Er sollte einmal seine ideologische Brille absetzen und einmal auf die Leute hören, die die Aufgaben vor Ort bewältigen und die die Probleme sehr detailliert kennen.

Peter Heimrich, SPD-Landrat

Der SPD-Kommunalpolitiker hatte Kritik an der ideologischen Einwanderungspolitik des grünen „Migrationsministers“ Dieter Lauinger geübt. „Minister Lauinger ist nicht zugänglich für Berichte aus der Realität. Er sollte einmal seine ideologische Brille absetzen und einmal auf die Leute hören, die die Aufgaben vor Ort bewältigen und die die Probleme sehr detailliert kennen“, so Heimrich in der „Thüringer Allgemeinen Zeitung“. Mehrere Landräte und andere Kommunalpolitiker erklärten, ihre Gebietskörperschaften seien überfordert und könnten keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. Damit waren sie bei dem grünen Ideologen Lauinger aber auf taube Ohren gestoßen. Allerdings hatten auch viele andere Kommunalpolitiker jüngst vehemente Kritik an der Asylpolitik in Thüringen geübt, darunter beispielsweise der Landrat des Weimarer Landes, Hans-Helmut Münchberg (parteilos).

CDU protestiert gegen Maulkorb

Besonders stark kritisierte die Thüringer CDU. Das Schreiben des Landesverwaltungsamts bringe Frust und Verunsicherung, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Volker Emde, im Landtag. „Drohungen sind absolut unpassend. Kommunale Amtsträger haben einen Amtseid geleistet und kennen ihre Rechte und Pflichten“, erklärte Emde gegenüber der „Thüringer Allgemeinen Zeitung“. „Bürgermeister und Landräte sollen klaglos die Zumutungen einer unprofessionell und fahrig agierenden Landesregierung umsetzen, aber sich aus der politischen Debatte heraushalten.“ Dabei würden sie ebenfalls direkt vom Volk gewählt und hätten daher eine eigene demokratische Legitimation. Die CDU-Fraktion wollte das Schreiben zum Thema im Landtag machen, doch die rot-rot-grüne Koalition verhinderte diese vorhersehbar unangenehme Aussprache mit ihrer Mehrheit. Einige CDU-Abgeordnete hielten daraufhin Zettel hoch, auf denen „Kein Maulkorb für Bürgermeister“ stand.

Die beiden Thüringer CDU-Bundestagsabgeordneten Tankred Schipanski und Albert Weiler attackierten die rot-rot-grüne Landesregierung scharf. Minister Poppenhäger müsse sich für den Brief entschuldigen, so Schipanski. Der Maulkorberlass zeige, wie nervös die Landesregierung sei und welch absurdes Rechtsverständnis der SPD-Minister habe. Weiler, der auch ehrenamtlicher Bürgermeister von Milda im Saale-Holzland-Kreis ist, kritisierte: „Das Maß ist voll.“ Auch in Thüringen herrsche Demokratie, daran solle sich auch Rot-Rot-Grün langsam gewöhnen. Dazu gehöre auch die Meinungs- und Pressefreiheit.

Die Junge Union Thüringen nannte das Rundschreiben einen „Skandal“ und forderte Ministerpräsident Ramelow auf, das Rundschreiben „sofort zu kassieren“.

Alles nur ein amtliches Schreiben?

Das Landesverwaltungsamt behauptete, es gebe keinen Maulkorb, man habe lediglich auf die geltende Rechtslage hingewiesen, nach der bei Äußerungen in Amtsblättern das sogenannte Sachlichkeitsgebot zu beachten sei. Dies betreffe keinesfalls andere Äußerungen in der Öffentlichkeit. Der grüne Justizminister Lauinger wies jede Verbindung des Schreibens zu Äußerungen des Landrats Heimrich gegen ihn zurück. Aber sollte tatsächlich die Interview-Äußerung von SPD-Landrat Heimrich die Ursache dieser Anordnung gewesen sein, wäre die „Amtsblatt“-Verteidigung des Landesverwaltungsamtes wenig bis gar nicht glaubwürdig. Denn die betreffende Äußerung stand in der „Thüringer Allgemeinen Zeitung“, die gemeinhin nicht als Amtsblatt gilt. Und selbstverständlich standen die Aussagen in Bezug auf eine kommunale Aufgabe, bei der sich Landräte auch kritisch äußern dürfen.