Die Belastungsgrenze vieler Kommunen ist erreicht. Die CSU fordert eine andere Asylpolitik. (Bild: Fotolia/cevahir87)
Asylpolitik

Kein Spaziergang

Tausende Flüchtlinge stürmen die EU-Außengrenzen, um meist nach Deutschland oder Schweden zu gelangen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann will Asylbewerbern die Leistungen kürzen, um den deutschen Sozialstaat nicht zu überfordern und insbesondere Balkanmigranten abzuschrecken. Kanzlerin Angela Merkel plädiert beim Thema Asyl für ein einheitlicheres Handeln in der EU.

In Mazedonien stürmen derzeit Tausende Flüchtlinge Züge, um über Serbien nach Ungarn und so meist nach Deutschland zu gelangen. Weil Ungarn einen Grenzzaun baut, wird die Zeit für sie knapp. Wegen des guten Wetters starten außerdem täglich hunderte Flüchtlinge die gefährliche Überfahrt von Afrika nach Italien.

Merkel: „Riesige Aufgabe“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte im ZDF-„Sommerinterview“ angesichts des starken Zuzugs von Flüchtlingen eine einheitliche Linie in der europäischen Asylpolitik. Deutschland stehe vor „riesigen Aufgaben“. Das Land sei zwar mit der Lage nicht überfordert, aber Lösungen könnten nicht gefunden werden, „wenn wir im Normalmodus arbeiten“, so Merkel. Alle Personalreserven müssten für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mobilisiert werden. Im Winter müssten Zelte durch Container ersetzt werden. Der Umgang mit der großen Zahl von Asylbewerbern werde die EU in Zukunft vermutlich mehr beschäftigen als Griechenland und die Stabilität des Euro, betonte Merkel. Asylstandards müssten endlich europaweit angeglichen werden.

Wir können nicht jedem, der glaubt, dass hier wirtschaftlich die Dinge besser laufen, dass man eine Chance auf einen Arbeitsplatz hat, Asyl gewähren.

Angela Merkel

Statt der Frage, ob man bestimmten Flüchtlingsgruppen Geldleistungen streicht und auf Sachleistungen umstellt, steht für Merkel derzeit die Lage in den Erstaufnahmelagern im Vordergrund. Sie verurteilte zugleich Übergriffe auf Asylbewerber und deren Unterkünfte. Auch die Festlegung sogenannter sicherer Herkunftsstaaten sollten nach Ansicht Merkel auf europäischer Ebene abgestimmt werden. Im Herbst hatte die Bundesregierung Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als „sicher“ eingestuft. Ziel war es, Asylbewerber von dort schneller wieder in ihre Heimat zurückzuschicken. Angesichts des aktuellen Flüchtlingsandrangs mehreren sich parteiübergreifend Forderungen, auch mit dem Kosovo, Albanien und Montenegro so zu verfahren. Zugleich müsse in diesen Ländern aber auch stärker deutlich gemacht werden, wer in Deutschland eine Chance auf Asyl habe und wer nicht. „Wir können nicht jedem, der glaubt, dass hier wirtschaftlich die Dinge besser laufen, dass man eine Chance auf einen Arbeitsplatz hat, Asyl gewähren“, so die klare Ansage der Kanzlerin.

Auch der Serbien-Beauftragte des Europaparlaments, David McAllister (CDU), sagte der „Bild“-Zeitung, Deutschland habe „die Aufgabe, aussichtslose Asylbewerbungen zu verhindern“. Er regte eine Kampagne in den Balkanländern an, die über die geringen Chancen im Asylverfahren und legale Zuwanderungsmöglichkeiten informieren solle.

Herrmann will Leistungen kürzen

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann forderte erneut, das Taschengeld für Asylsuchende vor allem aus den Balkanstaaten drastisch zu kürzen. „Die Zuwendungen für diese Gruppe sind eine Zumutung für die deutschen Steuerzahler“, sagte der CSU-Politiker im Interview der Zeitung „Die Welt„. Sachleistungen sollten wieder Vorrang haben.

Der nächste Winter wird für uns sicher kein Spaziergang.

Joachim Herrmann

Angesichts der weiter steigenden Asylbewerberzahlen gerate der Staat an die Grenzen der Belastbarkeit: „Wenn jeden Tag allein in Bayern 1500 Asylbewerber oder sogar mehr ankommen, sind unsere Unterbringungsmöglichkeiten auf absehbare Zeit erschöpft. Der nächste Winter wird für uns sicher kein Spaziergang.“ Diese Zahlungen seien ein Anreiz für viele Menschen vom Balkan, nach Deutschland zu kommen und das Geld mit nach Hause zu nehmen. „Zugleich sehen wir, wie Schleuserbanden auf dem Balkan damit werben, wie viel Geld man in Deutschland erhält“, so der Innenminister. Herrmann plädierte aber auch dafür, das Leistungsniveau für alle Asylbewerber zu überprüfen. „Wir müssen uns fragen, ob sich der deutsche Sozialstaat die jetzige Großzügigkeit noch leisten kann“, sagte er. Sachleistungen sollten Vorrang vor Geldleistungen haben. „Echte Flüchtlinge wollen auch nur in Sicherheit leben, eine Unterkunft haben, täglich verpflegt und etwas zum Anziehen haben“, machte er klar. Eine Kürzung des Taschengeldes halten Juristen jedoch für schwierig, weil das Bundesverfassungsgericht 2012 geurteilt hatte, dass auch Asylbewerbern ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewähren sei.

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte sich dafür ausgesprochen, Asylbewerbern eher Sachleistungen als Bargeld zu geben. Bisher bekommen sie in den Erstaufnahme-Einrichtungen ein Taschengeld von 143 Euro im Monat. De Maizière will in dieser Woche eine neue Prognose abgeben, wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr in Deutschland erwartet werden. Bisher wurde mit 450.000 gerechnet, die tatsächliche Zahl dürfte jedoch deutlich höher sein. Herrmann selbst hatte die Zahl 600.000 und mehr genannt.

Mehr Druck auf Italien und Griechenland

Herrmann forderte außerdem mehr europäischen Druck auf Griechenland und Italien. „Der Skandal ist doch, dass sowohl Italien als auch Griechenland krass gegen das Schengen-Abkommen und gegen die Dublin-Verordnung verstoßen, nach der ein Flüchtling in dem Staat ein Asylverfahren erhält, in dem er den EU-Raum erstmals betreten hat“, so Herrmann in der Welt.

Wenn alle Schengen-Mitglieder für sichere Außengrenzen sorgen würden, hätten wir keine Sorgen.

Joachim Herrmann

Dieses rücksichtslose Verhalten gehe vor allem zulasten der deutschen Steuerzahler. Die EU müsse deshalb in diesen Ländern jetzt handeln und auch dafür zahlen. Zwar würden Italien und Griechenland die Hauptlast der Flüchtlinge tragen und dürften dabei nicht allein gelassen werden. „Es geht aber gar nicht, dass diese Länder Flüchtlinge ohne Registrierung einfach an den Rest Europas weiterleiten. Das ist für die Sicherheit Europas bedenklich und belastet unsere Zusammenarbeit“, warnte der Minister. „Wenn alle Schengen-Mitglieder für sichere Außengrenzen sorgen würden, hätten wir keine Sorgen.“ Es sei schwer erträglich, dass die EU-Kommission über ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland nachdenke, „weil wir zu sehr auf Schleierfahndungen setzen“. Aber niemand in Brüssel komme offenbar auf die Idee, die längst fälligen Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien und Griechenland einzuleiten.

Müller fordert mehr Unterstützung für Syriens Nachbarn

Angesichts des Flüchtlingsstroms aus Syrien hat Entwicklungsminister Gerd Müller mehr Unterstützung von der EU für die Nachbarstaaten des Bürgerkriegslandes gefordert. Die EU müsse ihre Anstrengungen weiter verstärken, „den Menschen dort zu helfen, wohin sie in ihrer größten Not zuerst geflohen sind – in die Nachbarstaaten Syriens“, sagte der CSU-Politiker ebenfalls der Zeitung „Die Welt„. Deshalb müsse es ein Zehn-Milliarden-Notprogramm der EU geben. „Wenn wir die Probleme nicht vor Ort lösen, kommen die Probleme zu uns.“ Die EU brauche eine „entwicklungspolitische Großoffensive“ für die größte Flüchtlingskrise nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind vor dem Bürgerkrieg in Syrien allein in den Libanon fast 1,2 Millionen Menschen geflohen. Die tatsächliche Zahl dürfte noch höher liegen. Die UNHCR-Statistik erfasst nämlich nur Menschen, die sich bei dem Hilfswerk registriert haben.

Selbsternannter „Flüchtlingsrat“ sorgt wieder für Ärger

Der von linken Weltverbesserern durchsetzte und selbsternannte „Bayerische Flüchtlingsrat“ (der Bayernkurier berichtete), der in den Medien unverständlicherweise überhaupt Aufmerksamkeit bekommt, sorgt unterdessen wieder mit unsinnigen Aktionen für Ärger in der Bevölkerung – wie es schon bei den organisierten und gefährlichen „Hungerstreiks“ der Fall war. Mit einer „Protestkundgebung“ vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg haben etwa 100 Asylbewerber am Montag auf ihre Lage „aufmerksam“ gemacht. Als ob nicht schon längst alle Medien darüber berichten würden. Die Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien, Äthiopien und dem Iran riefen immer wieder die in Flüchtlingskreisen merkwürdigerweise so gängigen linken Parolen: „Abschiebung – Abschaffen. Flüchtlingslager – Abschaffen. Arbeitsverbot – Abschaffen.“ Auf Plakaten hieß es „Kein Spiel mit Flüchtlingsrecht“, was immer das heißen soll, und „Diktatorische Länder -> direkt sterben. Demokratisches Deutschland -> qualvoll sterben“. Mit diesen maßlos überzogenen und falschen Sprüchen wird man kaum die Unterstützung der Bevölkerung erhalten.

Nach Angaben der Weltverbesserer hielten sich viele der Kundgebungsteilnehmer schon „seit mehreren Jahren“ in Deutschland auf. Selbst Flüchtlinge, die aus Kriegsgebieten geflohen seien, würden oft nur geduldet und müssten täglich mit ihrer Abschiebung rechnen. Schon diese Behauptung erscheint mehr als fraglich. Sollten sie aber tatsächlich noch immer auf eine Entscheidung warten, so ist das in erster Linie die Schuld der Grünen. Diese lehnen es weiter ab, im Bundesrat den Weg frei zu machen für eine Einstufung von Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Drittstaaten. Dadurch würde aber das völlig überlastete Bundesamt für Migration deutlich entlastet und könnte schneller über Asylanträge der wirklich Verfolgten entscheiden.

Es müsse endlich Schluss sein mit der langen Bearbeitungszeit ihrer Anträge, so die „Räte“. Immerhin in diesem Punkt decken sich die Positionen mit denen der CSU. Zudem sollten die Asylbewerber endlich ihre Verwandten in anderen Bundes- oder EU-Ländern besuchen können, heißt es in einem vom Flüchtlingsrat veröffentlichten „Forderungskatalog“. Einen Katalog, den nach allen bisherigen Erfahrungen kaum die Asylbewerber selbst geschrieben haben dürften. Denn klar ist, dass gerade angesichts des Ansturms von Asylbewerbern eine unkontrollierbare Reisetätigkeit innerhalb der EU zu noch mehr Chaos führen und einige Länder wie Deutschland oder Schweden noch mehr belasten würde.

Die ‚uneingeschränkte Arbeitssuche‘ ist schon deshalb unsinnig, weil kein Unternehmen Asylbewerber einstellen würde, die keinen Aufenthaltstitel vorweisen können.

Auch für „uneingeschränkte Arbeitssuche“ und ein Ende der „Lagerunterbringung“ machen sich angeblich die Asylbewerber in dem Katalog stark. Die Unterbringung in den guten deutschen Erstaufnahmeunterkünften, die nur von linken Bessermenschen als „Lager“ abqualifiziert werden, ist schon allein deshalb notwendig, um eine gesundheitliche Untersuchung der Asylbewerber zu ermöglichen und damit die Ausbreitung von Krankheiten oder gar Seuchen zu verhindern. Darüber hinaus müssen sie dort ordnungsgemäß registriert werden, um etwa Mehrfacheinreisende erkennen und schneller abschieben zu können. Sie erhalten dort auch alle notwendigen Hilfen und Papiere, die sie sich sonst selber suchen müssten. Die „uneingeschränkte Arbeitssuche“ ist schon deshalb unsinnig, weil kein Unternehmen Asylbewerber einstellen würde, die keinen Aufenthaltstitel vorweisen können – mal ganz abgesehen von den Sprachbarrieren. Sonst bestünde ja die Gefahr, dass gerade angelernte Arbeiter schon nach wenigen Wochen wieder das Land verlassen müssten. Auch würde die uneingeschränkte Arbeitssuche noch weit mehr Asylbewerber nach Deutschland locken als bisher schon. Ohnehin wurde das Arbeitsverbot für Asylbewerber auf drei Monate verkürzt und gilt darüber hinaus in Bayern nur für Asylbewerber aus den sicheren Herkunftsländern Senegal, Ghana und einigen Balkanstaaten weiter. Echte Flüchtlinge, die froh sein dürften, der Gefahr entronnen zu sein, werden sich über diese Zeitspanne wohl kaum beschweren. Nach diesen drei Monaten dürfen sich auch nicht anerkannte Asylbewerber einen Job suchen. „Bevorrechtigte Arbeitnehmer“ bei freien Stellen sind allerdings zunächst aus guten Gründen Deutsche, EU-Ausländer und anerkannte Flüchtlinge. Erst nach 15 Monaten fallen auch diese Hindernisse, unter anderem, um einen Missbrauch des Asylrechts zu verhindern. Hier will die CSU aber dennoch für Erleichterungen sorgen.

Das Flüchtlingschaos in Europa wird immer größer

Die nur wenige Kilometer von der Türkei entfernten griechischen Ägäis-Inseln Kos und Lesbos stehen in dem Euro-Krisenland im Mittelpunkt des Flüchtlingsdramas. Täglich gelangen Hunderte Menschen aus Bürgerkriegsländern wie Syrien oder Afghanistan über die Türkei mit Schlauchbooten auf griechisches Territorium. Auf Kos war die Lage wegen fehlender Unterkünfte, Lebensmittel und überforderter Behörden zuletzt dramatisch, hat sich aber durch den Einsatz von Schiffen als Unterkünfte etwas entspannt. Auf Lesbos warten hunderte Flüchtlinge darauf, mit Schiffen auf das griechische Festland zu fahren.

Die Lage im Mittelmeer ist wegen des guten Wetters äußerst kritisch. Täglich wagen hunderte Flüchtlinge die gefährliche Überfahrt meist nach Italien. Italiens Marine und Schiffe anderer Staaten, darunter auch die der Bundesmarine, patrouillieren fast pausenlos. Seit Anfang 2015 kamen laut italienischem Innenministerium mehr als 103.000 Migranten allein in Italien an.

An der mazedonischen und serbischen Grenze herrscht unterdessen totales Chaos. Täglich treffen mindestens 2000 Flüchtlinge ein, die möglichst schnell noch über Ungarn in die EU fliehen wollen. Das Land baut derzeit einen 175 Kilometer langen Zaun, der die Grenze zu Serbien für die Flüchtlinge schließen soll – wenn auch vermutlich nicht schließen kann. Auf serbischer Seite soll sich nach Angaben der lokalen Grenzpolizei inzwischen sogar schon ein Markt für Drahtscheren entwickelt haben.

Frankreich hat die Sicherheitsmaßnahmen in Calais verstärkt, um die Flucht durch den Eurotunnel nach Großbritannien zu unterbinden. Auch dort hat sich die Lage trotz weiterhin tausender campierender Asylbewerber entspannt.