Zwanglos: Bauarbeiten am Tacheles-Quartier in Berlin. (Bild: imago images/Florian Gaertner/photothek)
Seehofer

Kein Zwang zum Bauen

Bauminister Horst Seehofer lehnt den Vorstoß von Finanzminister Olaf Scholz ab, das Baurecht zu verschärfen. Das Baugebot, das Kommunen bei ungenutzten Flächen anordnen können, gebe es bereits. Es ist aber kein Beitrag zu schnellem Wohnungsbau.

In der aktuellen Diskussion um Enteignungen, Wohnungsnot und zu hohe Mieten hat Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) die von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) geforderte Verschärfung des Baurechts klar abgelehnt. Scholz hatte in der Augsburger Allgemeinen erklärt, er wolle das Baugebot im Baurecht so ändern, dass es von den Kommunen häufiger als bisher gegen die Eigentümer unbebauter Grundstücke eingesetzt werden könne. Die Städte sollen die Eigentümer dann einfacher dazu zwingen können, ihre Grundstücke zu bebauen.

Scholz-Idee hilft nicht

Grundlage der Scholz-Idee ist der §176 Baugesetzbuch (siehe Kasten unten), der Gemeinden das Recht gibt, Eigentümer innerhalb einer angemessenen Frist zur Bebauung ungenutzter Grundstücke aufzufordern und bei mangelnder Mitwirkung mit Geldstrafen zu belangen oder auch zu enteignen. §175 Baugesetzbuch erlaubt solche Maßnahmen, wenn sie „aus städtebaulichen Gründen erforderlich“ sind und nennt explizit als einen solchen Grund auch einen „dringenden Wohnbedarf der Bevölkerung“. Wenn Eigentümer das Grundstück nicht selbst bebauen wollen oder können, dürfen sie es der Kommune oder einem bauwilligen Dritten zum Kauf anbieten.

Die Einlassung von Scholz ist kein Beitrag zum schnellen Wohnungsbau.

Kai Wegner, CDU

Das Problem ist nur: Eigentümer können geltend machen, dass sie zur Bebauung wirtschaftlich nicht in der Lage sind. Dann gilt das Baugebot nicht. Daher kommt der Paragraph auch nur selten zur Anwendung. Denn eine Enteignung erlaubt das Baugesetzbuch nach §87 Baugesetzbuch nur, wenn das Ziel „dem Allgemeinwohl“ dient und es „auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann“. Das kann aber im Regelfall praktisch keine Kommune nachweisen. „Städte müssen leichter und mit größeren Erfolgschancen Eigentümer von baureifen Grundstücken zum Bauen auffordern können“, forderte darum Städtetags-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. „Es wäre ein großer Fortschritt, wenn Städte Baugebote gleich für ein bestimmtes Gebiet festlegen können, in dem Wohnraummangel besteht.“ Das Ziel sei aber nicht die Enteignung und ein schärferes Baugebot sei auch nur „eine von vielen Maßnahmen“ gegen die Wohnungsnot.

Die Folge: Jahrelange Verfahren

Das Bundesbauministerium sieht jedoch keinen Nutzen in einer Änderung des Baurechts. „Konkreter gesetzlicher Handlungsbedarf bei dem bereits seit Langem bestehenden gesetzlichen Baugebot gemäß Paragraf 176 Baugesetzbuch zeichnet sich in der fachpolitischen Diskussion nicht ab“, erklärte eine Sprecherin Seehofers auf Anfrage der Rheinischen Post. Sie verwies auf die bereits geltenden Sanktionsmöglichkeiten gegen Eigentümer: „Im Zweifel kommt es bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen darauf an, von einer Vorschrift Gebrauch zu machen.“ Im Übrigen werde eine Regierungskommission in Kürze Vorschläge zur Baulandmobilisierung vorlegen.

„Die Einlassung von Scholz ist kein Beitrag zum schnellen Wohnungsbau“, erklärte auch der baupolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Kai Wegner (CDU). „Entsprechende Verfahren dauern zehn bis 20 Jahre.“ Dazu kämen noch jahrelange Rechtsstreitigkeiten sowie die Zeiten für Bauplanung und Bau. Zum Baugebot sagte Wegner: „Es ist Sache des politischen Willens in den Kommunen, dieses Instrument zu nutzen. Weitere Verschärfungen der Eingriffsmöglichkeiten der Kommunen schließt der Koalitionsvertrag aus.“ Die Diskussion lenke außerdem von der eigentlichen Aufgabe der Kommunen ab. „Sie müssen zeitnah viel neues Bauland ausweisen. Nur so ist der Bau von 1,5 Millionen Wohnungen bis Ende 2021 möglich.“

Im Grundgesetz ist kein subjektives Recht auf Verschaffung einer Wohnung verankert.

Bundesbauministerium

Bauminister Seehofer sieht die Politik dennoch in der Pflicht. Zur sozialen Marktwirtschaft gehöre selbstverständlich auch der soziale Ausgleich. „Insbesondere muss der Staat mit geeigneten Instrumenten dafür sorgen, dass auch einkommensschwächere und sozial benachteiligte Haushalte angemessen wohnen können“, so das Ministerium. Als geeignete Instrumente führt es die Förderung von sozialem Wohnungsbau an, die Absicherung einkommensschwacher Haushalte etwa mit Wohngeld sowie den Schutz der Mieter durch das „soziale Wohnraummietrecht“. Einen konkreten rechtlichen Anspruch auf eine Wohnung gebe es aber nicht. „Im Grundgesetz ist kein subjektives Recht auf Verschaffung einer Wohnung verankert. Ein solches Recht ergibt sich auch nicht aus Europa- oder Völkerrecht.“

Keine Enteignungen

Das laufende Volksbegehren in Berlin zur Enteignung großer Wohnungsgesellschaften hatte Seehofer bereits klar abgelehnt. „Durch die Vergesellschaftung von Wohnungsbeständen werden keine neue Wohnungen geschaffen“, so die Antwort seines Ministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Der Anstieg der Mieten in den Ballungsräumen sei vielmehr auf die hohe Nachfrage zurückzuführen, weshalb nur Neubau helfe. Enteignungen seien grundsätzlich kontraproduktiv. „Eine solche Maßnahme würde zum einen private Investoren verunsichern und zum anderen den finanziellen Spielraum von Kommunen und kommunalen Wohnungsunternehmen für Neubauvorhaben drastisch reduzieren. Beides würde die erwartete Fortsetzung des positiven Trends bei der Bautätigkeit gefährden.“

Zudem hätten die Wohnungsanbieter bereits „mit einer beachtlichen Steigerung der Bautätigkeit auf die deutlich gestiegene Wohnungsnachfrage reagiert“. Die Anzahl genehmigter Wohnungen habe sich seit dem Tiefpunkt im Jahr 2008 verdoppelt. Viele Kommunen wie etwa Berlin sind auch derart hoch verschuldet, dass sie die erforderlichen Entschädigungen für die Eigentümer gar nicht aufbringen könnten, ohne gegen die Schuldenbremsen des Artikels 109 Grundgesetz oder des kommunalen Haushaltsrecht der Länder zu verstoßen.

§176 BauGB

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans kann die Gemeinde den Eigentümer durch Bescheid verpflichten, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist

    1. sein Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen
(3) Ist die Durchführung des Vorhabens aus wirtschaftlichen Gründen einem Eigentümer nicht zuzumuten, hat die Gemeinde von dem Baugebot abzusehen.
(8) Kommt der Eigentümer der Verpflichtung nach Absatz 7 auch nach Vollstreckungsmaßnahmen auf Grund landesrechtlicher Vorschriften nicht nach, kann das Enteignungsverfahren nach § 85 Absatz 1 Nummer 5 auch vor Ablauf der Frist nach Absatz 1 eingeleitet werden.

§ 87 Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Enteignung

(1) Die Enteignung ist im einzelnen Fall nur zulässig, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann.