Das Volksbegehren in Berlin will große Wohnungsgesellschaften mit mehr als 3000 Wohnungen enteignen. Im Gegensatz zur Linkspartei, die als stramme Sozialisten rein gar nichts gegen Enteignungen einzuwenden haben, erkennen zumindest Teile von Grünen und SPD die Nachteile eines solchen Vorgehens – wollen es sich aber nicht mit ihrer linken Klientel verscherzen.
„Notfalls“ müsse man Leute enteignen, die Grundstücke weder bebauen noch an die Kommune verkaufen wollten, sagte jetzt etwa der Grünen-Chef Robert Habeck. Wenn andere Maßnahmen keinen Erfolg zeigten. Das Grundgesetz sehe solche Enteignungen zum Allgemeinwohl grundsätzlich vor, so Habeck weiter. „Es wäre doch absurd, wenn wir das nur anwenden, um neue Autobahnen zu bauen, aber nicht, um gegen die grassierende Wohnungsnot vorzugehen.“ Auch SPD-Linksaußen Ralf Stegner schloss Enteignungen als „Notwehrrecht gegen Marktradikalismus“ nicht aus. Und Juso-Chef Kevin Kühnert fragte kürzlich in einer TV-Show: „Mit welchem Recht hat jemand mehr als 20 Wohnungen?“
Keine neuen Wohnungen
Artikel 14 Grundgesetz, das Recht auf Eigentum, erlaubt das, aber das sei nur am Rande erwähnt. Artikel 15 Grundgesetz lässt zwar die Sozialisierung von „Grund und Boden“ zu, er wurde aber aus gutem Grund bisher noch nie im Wohnungsbau angewendet. Denn das Grundgesetz erlaubt nur dann Enteignungen, wenn sie dem „Wohl der Allgemeinheit“ dienen. Das ist hier mehr als fraglich.
Die Enteignung von Wohnungen schafft nämlich keine einzige zusätzliche Wohnung. Da zudem fast alle Wohnungen der großen Unternehmen vermietet sind, würde auch praktisch keine Wohnung zusätzlich auf den Mietmarkt kommen – weil man die Mieter nicht einfach rauswerfen kann, nur weil der Eigentümer wechselt. Aber geringes Angebot und starke Nachfrage sind die Hauptverursacher für hohe Mieten – neben einigen Spekulanten, die Haus und Grund nur als Wertanlage nutzen.
Enteignungen hätten aber noch einen gegenteilig wirkenden Effekt: Investoren, die immer noch den weitaus größten Anteil der Wohnungsbauer ausmachen, würden künftig einen großen Bogen um Berlin machen. Denn wer will schon Wohnungen bauen, wenn das Risiko besteht, dass ihm die Stadt seine Immobilien wegnimmt?
Grüne: Dafür und Dagegen
Scheinheilig wie immer sind sowieso die Grünen, die das gleichzeitige „Dafür-und-Dagegen-Sein“ perfektioniert haben. Sie beklagen hohe Mieten, aber initiieren oder beteiligen sich an Volks- oder Bürgerbegehren, die sich gegen Bauprojekte oder „Flächenfraß“ wenden. So verhinderte ein Bürgerentscheid den Wohnungsbau auf dem ehemaligen Flugfeld in Berlin-Tempelhof, in Bayern scheiterte ein Volksbegehren mangels Zulässigkeit. Der größte Teil verbrauchter Flächen aber geht für den Wohnungsbau drauf. Und im Bundesrat blockieren die Landesregierungen mit grüner Beteiligung das Wohnungsbaupaket der Bundesregierung.
Die Grünen sind auch mitverantwortlich für einen Wust an Bauvorschriften, die Bauen langsamer und teurer machen. Damit sind nicht nur die Energiespar-Vorschriften gemeint, sondern auch einseitige Rechtsänderungen zugunsten der Mieter sowie die Beseitigung steuerlicher Anreize zum Bauen. Das alles schreckt Investoren ab – ebenso wie zu hohe Quoten für Sozialwohnungen bei Neubauprojekten.
Gerade in langjährig rot-grün regierten Ländern und Kommunen wurde der Wohnungsbau lange Zeit verschlafen und obendrein die Bauverwaltungen geschrumpft. München lässt grüßen. Nicht eine Sozialwohnung sei auch in Berlin zwischen 2006 und 2012 neu entstanden, berichtete Robert Feiger von der Industriegewerkschaft Bau. 2004 hat in Berlin zudem SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit zusammen mit der Linkspartei 65.700 Wohnungen freiwillig für gerade einmal 405 Millionen Euro an private Investoren verkauft. Davon spricht heute kaum jemand.
Schließlich übersehen die linken Parteien wie immer den finanziellen Aspekt ihrer sozialen Wohltaten: Auf die Enteignung muss eine Entschädigung folgen, so das Grundgesetz. Für das hochverschuldete Berlin, den Hauptempfänger im Länderfinanzausgleich, würde das nach vorsichtigen Schätzungen zwischen 28 und 36 Milliarden Euro an Kosten verursachen, dazu kämen Milliarden an weiteren Kosten für Gerichte und Notare, für Erfassung und technische Bewertung der Immobilien, für Wertminderungen und Personalüberhänge der betroffenen Unternehmen sowie jährliche Verluste durch die billig vermieteten Wohnungen. Dieses Geld fehlt dann, um tatsächlich neue Sozialwohnungen zu bauen.
Anreize zum Neubau, kommunaler Wohnungsbau und Verlagerung von Arbeitsplätzen aufs Land, das sind drei der Möglichkeiten, die die Mietpreise in den Städten reduzieren könnten. Der Sozialismus ist es nicht. Dessen Ideen haben noch in keinem Land der Welt funktioniert, stattdessen immer den Ruin bedeutet. Und dennoch wollen Grüne, SPD und Linkspartei diese Lehren aus der Geschichte nicht wahrhaben.