Bürokratisch und teuer: Streit über die Grundsteuerreform. (Bild: Imago/Sven Simon)
Grundsteuer

Widerstand gegen Scholz-Reform

Zu bürokratisch, zu teuer: Die Reform der Grundsteuer wird weiter kritisiert. Bayern und Niedersachsen fordern einen Neustart in den Verhandlungen. Bundesfinanzminister Scholz sollte auf die berechtigten Einwände aus den Ländern eingehen.

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder forderte in der Augsburger Allgemeinen einen Neustart der Verhandlungen zur Reform der Grundsteuer. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sollte seine Pläne überprüfen: „Der Bundesfinanzminister sollte sich eine Denkpause verordnen und auf die berechtigten Einwände aus den Ländern eingehen“, sagte Söder. „Sogar sein eigenes Bundesland Hamburg widerspricht ihm öffentlich. Man spürt, dass die Idee von Bayern jeden Tag mehr Unterstützung findet.“ Es brauche eine einfache und rechtssichere Grundsteuer, die das Wohnen nicht zusätzlich verteuert.

Warnung vor dem Monster

Bayerns Ministerpräsident sprach sich bei der Suche nach einem Kompromiss dafür aus, vor allem einen großen Verwaltungsaufwand zu vermeiden: „Zwei Dinge gilt es zu vermeiden: Den Aufbau einer Monster-Bürokratie. Wir brauchen keine 2000 neuen Finanzbeamten nur für die Grundsteuer, das Geld würde ich lieber für Polizisten und Lehrer ausgeben. Und natürlich müssen wir Steuererhöhungen – und damit Mieterhöhungen – vermeiden. Denn die Grundsteuer wird sofort auf die Mieter umgelegt.“

Wir brauchen keine 2000 neuen Finanzbeamten nur für die Grundsteuer, das Geld würde ich lieber für Polizisten und Lehrer ausgeben.

Markus Söder

Mitte Februar hatte schon Thomas Kreuzer, der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, gewarnt: „Ein derart kompliziertes, zeitaufwändiges und streitanfälliges Verfahren ist dem Bürger nicht zu vermitteln.“ Für die Verwaltung würden allein in Bayern mehrere tausend neue Stellen gebraucht. „Auch das vorgestellte Eckpunktepapier hat die bayerische Staatsregierung völlig zu Recht immer kritisiert. Dabei handelt es sich immer noch um ‚Scholz-light‘“, merkte der CSU-Politiker an. Nach wie vor wäre demnach eine Bewertung der Immobilien erforderlich, inklusive bürokratischem Mehraufwand. Und: „Bei steigenden Immobilienpreisen führt ein wertabhängiges Modell zu zukünftigen Steuererhöhungen durch die Hintertür“, so Kreuzer. Dies würde zudem die Mieten und die Baupreise in den Städten weiter in die Höhe treiben. Der leicht handhabbare Vorschlag der CSU orientiert sich an der Grundstücks-, Wohn- und Nutzfläche.

Mieten und Bodenrichtwerte als Problem

Nun will auch Hamburgs SPD-Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) die von Bund und Ländern skizzierten Eckpunkte ablehnen, wie er in einem Schreiben an seinen Hamburger Parteifreund Scholz klarmachte. Er warnte vor negativen Folgen für Hunderttausende Hamburger. Der Hintergrund: Es sollen nicht mehr die realen Mieten für die Grundsteuer einbezogen werden, sondern durchschnittliche Nettokaltmieten nach dem Mikrozensus des statistischen Bundesamts. Mieter städtischer Wohnungskonzerne und der Genossenschafts-Wohnungen zahlen jedoch nicht selten deutlich weniger. Die Folge der Reform auch für diese Fälle: Die Grundsteuer wird teurer. Höhere Grundsteuer für die Eigentümer bedeutet aber im Gegenzug auch wieder höhere Mieten – weil jeder Mieter die Steuer indirekt über die Nebenkosten zahlt. Die am 1. Februar ausgehandelten Eckpunkte sehen zwar vor, dass in solchen Fällen die tatsächliche Miete herangezogen und der für die Steuerberechnung angesetzte Wert um bis zu 30 Prozent gekürzt werden darf. Dies würde aber nur weitere komplizierte Rechnungen erfordern und wird deshalb von einigen Ländern abgelehnt.

Zweites Problem sind die Bodenrichtwerte, die laut Scholz-Plan ebenfalls in die Grundsteuerberechnung einfließen sollen: In Großstädten wie München oder Hamburg sind die Grundstückspreise in einigen Stadtteilen derart explodiert, dass es die Grundsteuer ebenso massiv erhöhen würde. Dressel forderte nun die Möglichkeit für flächenmäßig größere Bodenrichtwertzonen über den teuren Stadtteil hinaus, um Extremwerte kappen zu können. Auch der Finanzminister von Hessen, Thomas Schäfer (CDU), warnte laut Bild-Zeitung vor „außerordentlich hohen Preissteigerungen in den besseren Lagen“.

Neustart erforderlich

Wenn wir schon ein neues Gesetz machen, sollte die Chance genutzt werden, es so unbürokratisch wie möglich zu gestalten.

Reinhold Hilbers, CDU

Die Verhandlungen zur Reform der Grundsteuer brauchen deshalb nach Ansicht von Bayern und auch Niedersachsen einen Neustart. Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) schloss sich am Samstag der Forderung von Bayerns Ministerpräsident Söder an. Hilbers erklärte über seinen Sprecher, der bisherige Entwurf sei trotz diverser Vereinfachungen zu komplex. Bei der Suche nach einem Kompromiss solle eine für den Bürger möglichst unkomplizierte Lösung gefunden werden. „Wenn wir schon ein neues Gesetz machen, sollte die Chance genutzt werden, es so unbürokratisch wie möglich zu gestalten.“

Nun hat sich der SPD-Finanzpolitiker Carsten Schneider ergänzend dafür ausgesprochen, dass die Grundsteuer künftig nicht mehr auf die Mietnebenkosten aufgeschlagen werden darf. Im Gespräch mit der Rheinischen Post empfahl der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, neben der Grundsteuerreform die Betriebskostenverordnung entsprechend zu ändern. Künftig solle die Abgabe allein vom Eigentümer getragen werden, forderte Schneider. Befürchtet wird in diesem Fall aber, dass sich Eigentümer künftig bei Modernisierungen und Investitionen zurückhalten, weil die Kalkulationen vieler Vermieter gefährdet wären. Oder sie würden gleich höhere Kaltmieten verlangen.

Urteil des Verfassungsgerichtes umsetzen

Die Grundsteuerreform muss nach dem Willen des Bundesverfassungsgerichts bis Ende 2019 beschlossen und fünf Jahre später – also spätestens Ende 2024 – in Kraft gesetzt sein. Karlsruhe hatte das alte Modell für verfassungswidrig erklärt, weil die Ermittlung der Steuerhöhe bislang auf völlig veralteten Werten aus den Jahren 1935 (Ost) und 1064 (West) basierte. Bund und Länder hatten sich darum Anfang Februar auf einige Eckpunkte verständigt. Nach dem Eckpunktepapier sollte ein Modell angestrebt werden, bei dem die Grundstückswerte, das Alter von Gebäuden und die durchschnittlichen Mietkosten herangezogen werden. Bayern, wo die Grundstückswerte besonders hoch sind, hatte sich dennoch für eine möglichst unbürokratische Steuerberechnung nur nach Fläche stark gemacht.

Die Grundsteuer fließt den Kommunen zu und variiert laut einer Studie des Eigentümerverbandes „Haus und Grund“ je nach Stadt um mehr als 400 Euro. In Regensburg zahle man danach beispielsweise 335 Euro Grundsteuer B pro Jahr, in Duisburg 724 Euro. Bundesweit lag das Aufkommen zuletzt bei 14 Milliarden Euro. Aus Sicht des Verbandes hänge die Höhe nicht nur vom Wert der Immobilie, sondern wesentlich vom Finanzbedarf der Kommune ab. Dies zeigte sich auch jüngst in der hessischen Stadt Offenbach, die seit dieser Woche indirekt die höchste Grundsteuer unter den 100 größten deutschen Städten beschlossen hat, weil sie den Hebesatz für die Grundsteuer B von 600 auf 995 erhöhte. Der Kämmerer der hochverschuldeten Stadt, Peter Freier (CDU), hatte dies für unausweichlich erklärt. Offenbach wachse jährlich um bis zu 3000 Einwohner, neue Kitas und Schulen seien nötig.