Von der SPD beschädigt: Das Bundesamt für Verfassungsschutz. (Bild: Imago/C. Hardt/Future Image)
Koalition

Bärendienst der SPD

Kommentar Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen muss auf Druck der SPD gehen – und wird nun Innen-Staatssekretär. Damit haben die Genossen der Inneren Sicherheit, der Demokratie und dem Ansehen der Politik geschadet. Eine Farce.

Nun ist es entschieden: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und SPD-Chefin Andrea Nahles haben am Dienstag in Berlin beschlossen, Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zu versetzen. Er wird Staatssekretär im Innenministerium, zuständig für Öffentliche Sicherheit, Bundespolizei und Cybersicherheit – ohne jedoch die Aufsicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zu haben. Dafür geht ein anderer Innen-Staatssekretär in den Ruhestand, einer mit SPD-Parteibuch. Das BfV bekommt einen neuen Chef.

Spielchen der SPD

Das ist einerseits gut, andererseits absurd. Dass ein allseits anerkannter Fachmann wie Maaßen der Inneren Sicherheit erhalten bleibt, ist wichtig, gerade in der aktuellen Gefährdungssituation unseres Landes. Innenminister Seehofer schätzt nach eigenen Worten Maaßens „Kompetenz in Fragen der öffentlichen Sicherheit“ – deshalb wollte er ihn nicht ganz den erbärmlichen parteipolitischen Spielchen der SPD opfern. Die setzten ungeniert die Sicherheit dieses Landes aufs Spiel und forderten den Rücktritt Maaßens.

All diejenigen, die meinen, sie hätten mit ihrem Rücktrittsgebrüll etwas für die Sicherheit des Landes getan, irren.

NZZ

Denn was hatte Maaßen tatsächlich zu den Chemnitzer Vorfällen in der Bild-Zeitung gesagt? Er gab den damaligen Kenntnisstand seiner Behörde wieder, nach denen es keine „belastbaren Informationen“ für „Hetzjagden“ auf Ausländer in Chemnitz gab – etwas, das die Sicherheitsbehörden auch bis heute nicht bestätigt haben. Der BfV-Chef widersprach damit auch der Kanzlerin und ihrem Regierungssprecher. Na und? „Keine belastbaren Informationen“ habe es auch dazu gegeben, dass ein angebliches Jagd-Video des vertrauensvoll klingenden Twitter-Nutzers „Antifa Zeckenbiss“ authentisch sei. Aus Maaßens Erfahrung heraus habe es in der Vergangenheit wiederholt Versuche von Extremisten gegeben, mit gefälschten Videos oder Fotos Debatten in den sozialen Medien zu beeinflussen. Und darum sagte er: „Nach meiner vorsichtigen Bewertung sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken.“

Überzogene Vorwürfe

Maaßen sprach also von einer „vorsichtigen Bewertung“ und der „Möglichkeit“ eines Ablenkungsmanövers. Daraus eine „Befeuerung von Verschwörungstheorien“ zu konstruieren, wie das einige linke Kommentatoren und Politiker taten, ist völlig überzogen. Sicher, es wäre schlauer gewesen, erst die Ermittlungsergebnisse abzuwarten, bevor man sich äußert. Vielleicht sollte der Verfassungsschutz auch gar keine solchen Interviews mehr geben – doch dann würden wieder linke Verschwörungstheorien um den „unsichtbaren, intransparenten“ Dienst erstarken.

Doch wenn sicheres Wissen vor Meinungsäußerungen Maßstab für einen Rücktritt wird, müssten vermutlich weit mehr als die Hälfte der Bundestagsabgeordneten zurücktreten, insbesondere bei SPD und Grünen.

Immerhin: Horst Seehofer hat sich vor Maaßen gestellt. Das ist exakt die Aufgabe von Innenministern, jedenfalls solange keine andere Beurteilung durch neue Fakten getroffen werden muss. Der CSU-Chef hat obendrein allen mit der Versetzung seine Wertschätzung für Maaßen gezeigt, auch wenn er, um die mühsam erreichte Regierungsbildung nicht sofort wieder zu Fall zu bringen, dem Drängen der SPD zum Teil entsprechen musste. Ein ärgerlicher Kompromiss, aber die Schuld daran tragen allein die Genossen.

Schaden für die Demokratie

Warum die SPD und die ihr wohlgesonnenen Medien nun einen anerkannten Sicherheitsexperten wie Maaßen opferten? Weil SPD-Chefin Andrea Nahles und Co glaubten, damit beim eigenen linken Flügel punkten zu können, der in allen Sicherheitsorganen Teufelei am Werke sieht. Und weil man vielleicht Seehofer und der Union damit schaden könnte. Der Schuss ging nun nach hinten los, der linke SPD-Flügel hyperventiliert wegen der Versetzung des doch angeblich „untragbaren“ Beamten. Der vorschnelle (da ist es wieder!) Satz von Nahles „Herr Maaßen muss gehen – und ich sage euch, er wird gehen“, schlägt nun auf sie selbst zurück.

Doch zugleich hat man der Inneren Sicherheit, der Demokratie und dem Ansehen der Politik einen Bärendienst erwiesen. Maaßen war ein absoluter Sicherheitsexperte, das räumen selbst SPD-Innenpolitiker ein. Seine Verdienste gerade im Kampf gegen den Terrorismus sind unbestritten – er wird dem BfV fehlen. Die Neue Zürcher Zeitung urteilte entsprechend: „Maaßens Ablösung ist das Ergebnis einer Kampagne. Der Mann hat in einer aufgepeitschten Situation ein unglückliches Statement abgegeben. Mehr nicht. All diejenigen, die meinen, sie hätten mit ihrem Rücktrittsgebrüll etwas für die Sicherheit des Landes getan, irren.“

Zugleich plärrt nun die AfD, noch ein Merkel-Kritiker sei gefeuert worden, Medien und Bürger spotten über den Kompromiss und die Große Koalition wirkt zerstritten. Wer aber ständig die eigene Politikarbeit schlecht macht, der muss sich nicht wundern, wenn er weiter an Zustimmung verliert. Die SPD muss endlich für sich klären: Soll jetzt bei jeder kleinen Auseinandersetzung gleich der Bestand der Koalition infrage gestellt werden, nur weil es der linke Flügel der Genossen fordert?